Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.man die Grabhöhlen, die am östlichen Abhang des Piks zwi- Da im allgemeinen die Bevölkerung von Inseln den um- 1 Blumenbach, Decas quinta collectionis craniorum diver-
sarum gentium illustrium. man die Grabhöhlen, die am öſtlichen Abhang des Piks zwi- Da im allgemeinen die Bevölkerung von Inſeln den um- 1 Blumenbach, Decas quinta collectionis craniorum diver-
sarum gentium illustrium. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0136" n="120"/> man die Grabhöhlen, die am öſtlichen Abhang des Piks zwi-<lb/> ſchen Arico und Guimar in den Fels gehauen ſind, berg-<lb/> männiſch aufbrechen ließe. Dieſe Mumien ſind ſo ſtark ver-<lb/> trocknet, daß ganze Körper mit der Haut oft nicht mehr als<lb/> 3 bis 3,5 <hi rendition="#aq">kg</hi> wiegen, das heißt ein Dritteil weniger, als das<lb/> Skelett eines gleich großen Individuums, von dem man eben<lb/> das Muskelfleiſch abgenommen hat. Die Schädelbildung ähnelt<lb/> einigermaßen der der weißen Raſſe der alten Aegypter, und<lb/> die Schneidezähne ſind auch bei den Guanchen ſtumpf, wie<lb/> bei den Mumien vom Nil. Aber dieſe Zahnform iſt rein<lb/> künſtlich und bei genauerer Unterſuchung der Kopfbildung der<lb/> alten Guanchen haben geübte Anatomen <note place="foot" n="1">Blumenbach, <hi rendition="#aq">Decas quinta collectionis craniorum diver-<lb/> sarum gentium illustrium.</hi></note> gefunden, daß ſie<lb/> im Jochbein und im Unterkiefer von den ägyptiſchen Mumien<lb/> bedeutend abweicht. Oeffnet man Mumien von Guanchen,<lb/> ſo findet man Ueberbleibſel aromatiſcher Kräuter, unter denen<lb/> immer das <hi rendition="#aq">Chenopodium ambrosioides</hi> vorkommt; zuweilen<lb/> ſind die Leichen mit Schnüren geſchmückt, an denen kleine<lb/> Scheiben aus gebrannter Erde hängen, die als Zahlzeichen<lb/> gedient zu haben ſcheinen und die mit den Quippos der Perua-<lb/> ner, Mexikaner und Chineſen Aehnlichkeit haben.</p><lb/> <p>Da im allgemeinen die Bevölkerung von Inſeln den um-<lb/> wandelnden Einflüſſen, wie ſie Folgen der Wanderungen ſind,<lb/> weniger ausgeſetzt iſt, als die Bevölkerung der Feſtländer, ſo<lb/> läßt ſich annehmen, daß der Archipel der Kanarien zur Zeit<lb/> der Karthager und Griechen vom ſelben Menſchenſtamm be-<lb/> wohnt war, den die normänniſchen und ſpaniſchen Eroberer<lb/> vorfanden. Das einzige Denkmal, das einiges Licht auf die<lb/> Herkunft der Guanchen werfen kann, iſt ihre Sprache; leider<lb/> ſind uns aber davon nur etwa hundertfünfzig Worte aufbe-<lb/> halten, die zum Teil dasſelbe in der Mundart der verſchiedenen<lb/> Inſeln bedeuten. Außer dieſen Worten, die man ſorgfältig<lb/> geſammelt, hat man in den Namen vieler Dörfer, Hügel und<lb/> Thäler wichtige Sprachreſte vor ſich. Die Guanchen, wie<lb/> Basken, Hindu, Peruaner und alle ſehr alten Völker, be-<lb/> nannten die Oertlichkeiten nach der Beſchaffenheit des Bodens,<lb/> den ſie bebauten, nach der Geſtalt der Felſen, deren Höhlen<lb/> ihnen als Wohnſtätten dienten, nach den Baumarten, welche<lb/> die Quellen beſchatteten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [120/0136]
man die Grabhöhlen, die am öſtlichen Abhang des Piks zwi-
ſchen Arico und Guimar in den Fels gehauen ſind, berg-
männiſch aufbrechen ließe. Dieſe Mumien ſind ſo ſtark ver-
trocknet, daß ganze Körper mit der Haut oft nicht mehr als
3 bis 3,5 kg wiegen, das heißt ein Dritteil weniger, als das
Skelett eines gleich großen Individuums, von dem man eben
das Muskelfleiſch abgenommen hat. Die Schädelbildung ähnelt
einigermaßen der der weißen Raſſe der alten Aegypter, und
die Schneidezähne ſind auch bei den Guanchen ſtumpf, wie
bei den Mumien vom Nil. Aber dieſe Zahnform iſt rein
künſtlich und bei genauerer Unterſuchung der Kopfbildung der
alten Guanchen haben geübte Anatomen 1 gefunden, daß ſie
im Jochbein und im Unterkiefer von den ägyptiſchen Mumien
bedeutend abweicht. Oeffnet man Mumien von Guanchen,
ſo findet man Ueberbleibſel aromatiſcher Kräuter, unter denen
immer das Chenopodium ambrosioides vorkommt; zuweilen
ſind die Leichen mit Schnüren geſchmückt, an denen kleine
Scheiben aus gebrannter Erde hängen, die als Zahlzeichen
gedient zu haben ſcheinen und die mit den Quippos der Perua-
ner, Mexikaner und Chineſen Aehnlichkeit haben.
Da im allgemeinen die Bevölkerung von Inſeln den um-
wandelnden Einflüſſen, wie ſie Folgen der Wanderungen ſind,
weniger ausgeſetzt iſt, als die Bevölkerung der Feſtländer, ſo
läßt ſich annehmen, daß der Archipel der Kanarien zur Zeit
der Karthager und Griechen vom ſelben Menſchenſtamm be-
wohnt war, den die normänniſchen und ſpaniſchen Eroberer
vorfanden. Das einzige Denkmal, das einiges Licht auf die
Herkunft der Guanchen werfen kann, iſt ihre Sprache; leider
ſind uns aber davon nur etwa hundertfünfzig Worte aufbe-
halten, die zum Teil dasſelbe in der Mundart der verſchiedenen
Inſeln bedeuten. Außer dieſen Worten, die man ſorgfältig
geſammelt, hat man in den Namen vieler Dörfer, Hügel und
Thäler wichtige Sprachreſte vor ſich. Die Guanchen, wie
Basken, Hindu, Peruaner und alle ſehr alten Völker, be-
nannten die Oertlichkeiten nach der Beſchaffenheit des Bodens,
den ſie bebauten, nach der Geſtalt der Felſen, deren Höhlen
ihnen als Wohnſtätten dienten, nach den Baumarten, welche
die Quellen beſchatteten.
1 Blumenbach, Decas quinta collectionis craniorum diver-
sarum gentium illustrium.
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