Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.Volke bewohntes Land. Wir haben gefunden, daß die Natur Die gegenwärtige Bevölkerung der Kanarien erscheint Obgleich die Inseln Fuerteventura und Lanzarote, die am Volke bewohntes Land. Wir haben gefunden, daß die Natur Die gegenwärtige Bevölkerung der Kanarien erſcheint Obgleich die Inſeln Fuerteventura und Lanzarote, die am <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0140" n="124"/> Volke bewohntes Land. Wir haben gefunden, daß die Natur<lb/> auf dieſem Archipelagus, wie in den meiſten gebirgigen und<lb/> vulkaniſchen Ländern, ihre Gaben ſehr ungleich verteilt hat.<lb/> Die Kanariſchen Inſeln leiden im allgemeinen an Waſſermangel;<lb/> aber wo ſich Quellen finden, wo künſtlich bewäſſert wird oder<lb/> häufig Regen fällt, da iſt auch der Boden ausnehmend frucht-<lb/> bar. Das niedere Volk iſt fleißig, aber es entwickelt ſeine<lb/> Thätigkeit ungleich mehr in fernen Kolonieen als auf Tenerifa<lb/> ſelbſt, wo dieſelbe auf Hinderniſſe ſtößt, die eine kluge Ver-<lb/> waltung allmählich aus dem Wege räumen könnte. Die Aus-<lb/> wanderung wird abnehmen, wenn man ſich entſchließt, das<lb/> unangebaute Grundeigentum des Staates unter der Ein-<lb/> wohnerſchaft zu verteilen, die Ländereien, welche zu den Majo-<lb/> raten der großen Familien gehören, zu verkaufen und allmäh-<lb/> lich die Feudalrechte abzuſchaffen.</p><lb/> <p>Die gegenwärtige Bevölkerung der Kanarien erſcheint<lb/> allerdings unbedeutend, wenn man ſie mit der Bevölkerung<lb/> mancher europäiſchen Völker vergleicht. Die Inſel Madeira,<lb/> deren fleißige Bewohner einen faſt von Pflanzenerde ent-<lb/> blößten Felſen bebauen, iſt ſiebenmal kleiner als Tenerifa,<lb/> und doch doppelt ſo ſtark bevölkert; aber die Schriftſteller, die<lb/> ſich darin gefallen, die Entvölkerung der ſpaniſchen Kolonieen<lb/> mit ſo grellen Farben zu ſchildern und den Grund davon in<lb/> der kirchlichen Hierarchie ſuchen, überſehen, daß überall ſeit<lb/> der Regierung Philipps <hi rendition="#aq">V.</hi> die Zahl der Einwohner in mehr<lb/> oder minder raſcher Zunahme begriffen iſt. Bereits iſt auf<lb/> den Kanarien die Bevölkerung relativ ſtärker als in beiden<lb/> Kaſtilien, in Eſtremadura und in Schottland. Alle Inſeln<lb/> zuſammengerückt ſtellen ein Gebirgsland dar, das um ein<lb/> Siebenteil weniger Flächeninhalt hat als die Inſel Korſika<lb/> und doch gleich viel Einwohner zählt.</p><lb/> <p>Obgleich die Inſeln Fuerteventura und Lanzarote, die am<lb/> ſchlechteſten bevölkert ſind, Getreide ausführen, während Tene-<lb/> rifa gewöhnlich nicht zwei Dritteile ſeines Bedarfes erzeugt,<lb/> ſo darf man doch daraus nicht den Schluß ziehen, daß auf<lb/> letzterer Inſel die Bevölkerung aus Mangel an Lebensmitteln<lb/> nicht zunehmen könnte. Die Kanariſchen Inſeln ſind noch auf<lb/> lange vor den Uebeln der Uebervölkerung bewahrt, deren Ur-<lb/> ſachen Malthus ſo ſicher und ſcharfſinnig entwickelt hat. Das<lb/> Elend des Volkes iſt um vieles gelindert worden, ſeit der<lb/> Kartoffelbau eingeführt iſt und man angefangen hat, mehr<lb/> Mais als Gerſte und Weizen zu bauen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [124/0140]
Volke bewohntes Land. Wir haben gefunden, daß die Natur
auf dieſem Archipelagus, wie in den meiſten gebirgigen und
vulkaniſchen Ländern, ihre Gaben ſehr ungleich verteilt hat.
Die Kanariſchen Inſeln leiden im allgemeinen an Waſſermangel;
aber wo ſich Quellen finden, wo künſtlich bewäſſert wird oder
häufig Regen fällt, da iſt auch der Boden ausnehmend frucht-
bar. Das niedere Volk iſt fleißig, aber es entwickelt ſeine
Thätigkeit ungleich mehr in fernen Kolonieen als auf Tenerifa
ſelbſt, wo dieſelbe auf Hinderniſſe ſtößt, die eine kluge Ver-
waltung allmählich aus dem Wege räumen könnte. Die Aus-
wanderung wird abnehmen, wenn man ſich entſchließt, das
unangebaute Grundeigentum des Staates unter der Ein-
wohnerſchaft zu verteilen, die Ländereien, welche zu den Majo-
raten der großen Familien gehören, zu verkaufen und allmäh-
lich die Feudalrechte abzuſchaffen.
Die gegenwärtige Bevölkerung der Kanarien erſcheint
allerdings unbedeutend, wenn man ſie mit der Bevölkerung
mancher europäiſchen Völker vergleicht. Die Inſel Madeira,
deren fleißige Bewohner einen faſt von Pflanzenerde ent-
blößten Felſen bebauen, iſt ſiebenmal kleiner als Tenerifa,
und doch doppelt ſo ſtark bevölkert; aber die Schriftſteller, die
ſich darin gefallen, die Entvölkerung der ſpaniſchen Kolonieen
mit ſo grellen Farben zu ſchildern und den Grund davon in
der kirchlichen Hierarchie ſuchen, überſehen, daß überall ſeit
der Regierung Philipps V. die Zahl der Einwohner in mehr
oder minder raſcher Zunahme begriffen iſt. Bereits iſt auf
den Kanarien die Bevölkerung relativ ſtärker als in beiden
Kaſtilien, in Eſtremadura und in Schottland. Alle Inſeln
zuſammengerückt ſtellen ein Gebirgsland dar, das um ein
Siebenteil weniger Flächeninhalt hat als die Inſel Korſika
und doch gleich viel Einwohner zählt.
Obgleich die Inſeln Fuerteventura und Lanzarote, die am
ſchlechteſten bevölkert ſind, Getreide ausführen, während Tene-
rifa gewöhnlich nicht zwei Dritteile ſeines Bedarfes erzeugt,
ſo darf man doch daraus nicht den Schluß ziehen, daß auf
letzterer Inſel die Bevölkerung aus Mangel an Lebensmitteln
nicht zunehmen könnte. Die Kanariſchen Inſeln ſind noch auf
lange vor den Uebeln der Uebervölkerung bewahrt, deren Ur-
ſachen Malthus ſo ſicher und ſcharfſinnig entwickelt hat. Das
Elend des Volkes iſt um vieles gelindert worden, ſeit der
Kartoffelbau eingeführt iſt und man angefangen hat, mehr
Mais als Gerſte und Weizen zu bauen.
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