Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.Wenn man anfängt geographische Karten zu betrachten Jo mi volsi a man destra e posi mente All' altro polo, e vidi quattro stelle, Non viste mai fuor ch' alla prima gente. Goder parea lo ciel di lor fiammelle, O settentrional vedovo sito, Poi che privato se di mirar quelle! Unsere Freude beim Erscheinen des südlichen Kreuzes 1
Rechts an des andern Poles Firmament Boten sich dar vier Sterne meinen Blicken, Die nur dem ersten Paar zu schaun vergönnt. Ihr Schimmer schien den Himmel zu entzücken: O mitternächt'ger Bogen, so verwaist, (Nach Kannegießers Uebersetzung) Wenn man anfängt geographiſche Karten zu betrachten Jo mi volsi a man destra e posi mente All’ altro polo, e vidi quattro stelle, Non viste mai fuor ch’ alla prima gente. Goder parea lo ciel di lor fiammelle, O settentrional vedovo sito, Poi che privato se di mirar quelle! Unſere Freude beim Erſcheinen des ſüdlichen Kreuzes 1
Rechts an des andern Poles Firmament Boten ſich dar vier Sterne meinen Blicken, Die nur dem erſten Paar zu ſchaun vergönnt. Ihr Schimmer ſchien den Himmel zu entzücken: O mitternächt’ger Bogen, ſo verwaiſt, (Nach Kannegießers Ueberſetzung) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0153" n="137"/> <p>Wenn man anfängt geographiſche Karten zu betrachten<lb/> und Schilderungen der Seefahrer zu leſen, ſo fühlt man für<lb/> gewiſſe Länder und gewiſſe Klimate eine Art Vorliebe, von<lb/> der man ſich in reiferem Alter keine Rechenſchaft zu geben<lb/> vermag. Eindrücke derart äußern einen nicht unbedeutenden<lb/> Einfluß auf unſere Entſchlüſſe, und wie inſtinktmäßig ſuchen<lb/> wir Gegenſtänden, die ſchon ſo lange eine geheime Anziehungs-<lb/> kraft für uns gehabt, wirklich nahe zu kommen. Als ich mich<lb/> mit dem Himmel beſchäftigte, nicht um Aſtronomie zu treiben,<lb/> ſondern nur um die Sterne kennen zu lernen, empfand ich<lb/> eine bange Unruhe, die Menſchen, die ein ſitzendes Leben<lb/> lieben, ganz fremd iſt. Der Hoffnung entſagen zu ſollen,<lb/> jemals jene herrlichen Sternbilder am Südpol zu erblicken,<lb/> das ſchien mir ſehr hart. Im ungeduldigen Drange, die<lb/> Aequatorialländer kennen zu lernen, konnte ich nicht die Augen<lb/> zum Sterngewölbe aufſchlagen, ohne an das ſüdliche Kreuz<lb/> zu denken und mir die erhabenen Verſe Dantes vorzuſagen,<lb/> welche ſich nach den berühmteſten Auslegern auf jenes Stern-<lb/> bild beziehen:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l> <hi rendition="#aq">Jo mi volsi a man destra e posi mente</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">All’ altro polo, e vidi quattro stelle,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Non viste mai fuor ch’ alla prima gente.</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l> <hi rendition="#aq">Goder parea lo ciel di lor fiammelle,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">O settentrional vedovo sito,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Poi che privato se di mirar quelle!</hi> </l> </lg> </lg> <note place="foot" n="1"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Rechts an des andern Poles Firmament</l><lb/> <l>Boten ſich dar vier Sterne meinen Blicken,</l><lb/> <l>Die nur dem erſten Paar zu ſchaun vergönnt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Ihr Schimmer ſchien den Himmel zu entzücken:</l><lb/> <l>O mitternächt’ger Bogen, ſo verwaiſt,</l><lb/> <l> </l> </lg> </lg><lb/> <hi rendition="#et">(Nach Kannegießers Ueberſetzung)</hi> </note><lb/> <p>Unſere Freude beim Erſcheinen des ſüdlichen Kreuzes<lb/> wurde lebhaft von denjenigen unter der Mannſchaft geteilt,<lb/> die in den Kolonieen gelebt hatten. In der Meereseinſamkeit<lb/> begrüßt man einen Stern wie einen Freund, von dem man<lb/> lange Zeit getrennt geweſen. Bei den Portugieſen und<lb/> Spaniern ſteigert ſich dieſe gemütliche Teilnahme noch durch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [137/0153]
Wenn man anfängt geographiſche Karten zu betrachten
und Schilderungen der Seefahrer zu leſen, ſo fühlt man für
gewiſſe Länder und gewiſſe Klimate eine Art Vorliebe, von
der man ſich in reiferem Alter keine Rechenſchaft zu geben
vermag. Eindrücke derart äußern einen nicht unbedeutenden
Einfluß auf unſere Entſchlüſſe, und wie inſtinktmäßig ſuchen
wir Gegenſtänden, die ſchon ſo lange eine geheime Anziehungs-
kraft für uns gehabt, wirklich nahe zu kommen. Als ich mich
mit dem Himmel beſchäftigte, nicht um Aſtronomie zu treiben,
ſondern nur um die Sterne kennen zu lernen, empfand ich
eine bange Unruhe, die Menſchen, die ein ſitzendes Leben
lieben, ganz fremd iſt. Der Hoffnung entſagen zu ſollen,
jemals jene herrlichen Sternbilder am Südpol zu erblicken,
das ſchien mir ſehr hart. Im ungeduldigen Drange, die
Aequatorialländer kennen zu lernen, konnte ich nicht die Augen
zum Sterngewölbe aufſchlagen, ohne an das ſüdliche Kreuz
zu denken und mir die erhabenen Verſe Dantes vorzuſagen,
welche ſich nach den berühmteſten Auslegern auf jenes Stern-
bild beziehen:
Jo mi volsi a man destra e posi mente
All’ altro polo, e vidi quattro stelle,
Non viste mai fuor ch’ alla prima gente.
Goder parea lo ciel di lor fiammelle,
O settentrional vedovo sito,
Poi che privato se di mirar quelle!
1
Unſere Freude beim Erſcheinen des ſüdlichen Kreuzes
wurde lebhaft von denjenigen unter der Mannſchaft geteilt,
die in den Kolonieen gelebt hatten. In der Meereseinſamkeit
begrüßt man einen Stern wie einen Freund, von dem man
lange Zeit getrennt geweſen. Bei den Portugieſen und
Spaniern ſteigert ſich dieſe gemütliche Teilnahme noch durch
1 Rechts an des andern Poles Firmament
Boten ſich dar vier Sterne meinen Blicken,
Die nur dem erſten Paar zu ſchaun vergönnt.
Ihr Schimmer ſchien den Himmel zu entzücken:
O mitternächt’ger Bogen, ſo verwaiſt,
(Nach Kannegießers Ueberſetzung)
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