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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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teilige Thermometer, in den weißen Sand gesteckt, zeigte 37,7°.
In kleinen Salzwasserlachen stand er auf 30,5°, während im
Hafen von Cumana die Temperatur des Meeres an der
Oberfläche meist 25,2 bis 26,3° beträgt. Die erste Pflanze,
die wir auf dem amerikanischen Festland pflückten, war die
Avicennia tomentosa (Mangle prieto), die hier kaum 60 cm
hoch wird. Dieser Strauch, das Sesuvium, die gelbe Gom-
phrena und die Kaktus bedecken den mit salzsaurem Natron
geschwängerten Boden; sie gehören zu den wenigen Pflanzen,
die, wie die europäischen Heiden, gesellig leben, und dergleichen
in der heißen Zone nur am Meeresufer und auf den hohen
Plateaus der Anden vorkommen. Nicht weniger interessant
ist die cumanische Avicennia durch eine andere Eigentümlichkeit:
diese Pflanze gehört dem Gestade von Südamerika und der
Küste von Malabar gemeinschaftlich an.

Der indianische Lotse führte uns durch seinen Garten, der
viel mehr einem Gehölz als einem bebauten Lande glich. Er
zeigte uns als Beweis der Fruchtbarkeit des Klimas einen
Käsebaum (Bombax heptaphyllum), dessen Stamm im vierten
Jahre bereits gegen 75 cm Durchmesser hatte. Wir haben
an den Ufern des Orinoko und des Magdalenenflusses die
Beobachtung gemacht, daß die Bombax, die Karolineen, die
Ochromen und andere Bäume aus der Familie der Malven
ausnehmend rasch wachsen. Ich glaube aber doch, daß die
Angabe des Indianers über das Alter des Käsebaumes etwas
übertrieben war; denn in der gemäßigten Zone, auf dem
feuchten und warmen Boden Nordamerikas zwischen dem
Mississippi und den Alleghanies werden die Bäume in zehn
Jahren nicht über 32 cm dick, und das Wachstum ist dort
im allgemeinen nur um ein Fünfteil rascher als in Europa,
selbst wenn man zum Vergleich die Platane, den Tulpenbaum
und Cupressus disticha wählt, die zwischen 3 und 4,5 m
dick werden. Im Garten des Lotsen am Gestade von Cumana
sahen wir auch zum erstenmal einen Guama 1 voll Blüten,
deren zahlreiche Staubfäden sich durch ihre ungemeine Länge
und ihren Silberglanz auszeichnen. Wir gingen durch die

1 Inga spuria. Die weißen Staubfäden, 60 bis 70 an der
Zahl, sitzen an einer grünlichen Blumenkrone, haben Seidenglanz
und an der Spitze einen gelben Staubbeutel. Die Blüte der Guama
ist 4 cm lang. Dieser schöne Baum, der am liebsten an feuchten
Orten wächst, wird zwischen 15,5 und 19,5 m hoch.

teilige Thermometer, in den weißen Sand geſteckt, zeigte 37,7°.
In kleinen Salzwaſſerlachen ſtand er auf 30,5°, während im
Hafen von Cumana die Temperatur des Meeres an der
Oberfläche meiſt 25,2 bis 26,3° beträgt. Die erſte Pflanze,
die wir auf dem amerikaniſchen Feſtland pflückten, war die
Avicennia tomentosa (Mangle prieto), die hier kaum 60 cm
hoch wird. Dieſer Strauch, das Seſuvium, die gelbe Gom-
phrena und die Kaktus bedecken den mit ſalzſaurem Natron
geſchwängerten Boden; ſie gehören zu den wenigen Pflanzen,
die, wie die europäiſchen Heiden, geſellig leben, und dergleichen
in der heißen Zone nur am Meeresufer und auf den hohen
Plateaus der Anden vorkommen. Nicht weniger intereſſant
iſt die cumaniſche Avicennia durch eine andere Eigentümlichkeit:
dieſe Pflanze gehört dem Geſtade von Südamerika und der
Küſte von Malabar gemeinſchaftlich an.

Der indianiſche Lotſe führte uns durch ſeinen Garten, der
viel mehr einem Gehölz als einem bebauten Lande glich. Er
zeigte uns als Beweis der Fruchtbarkeit des Klimas einen
Käſebaum (Bombax heptaphyllum), deſſen Stamm im vierten
Jahre bereits gegen 75 cm Durchmeſſer hatte. Wir haben
an den Ufern des Orinoko und des Magdalenenfluſſes die
Beobachtung gemacht, daß die Bombax, die Karolineen, die
Ochromen und andere Bäume aus der Familie der Malven
ausnehmend raſch wachſen. Ich glaube aber doch, daß die
Angabe des Indianers über das Alter des Käſebaumes etwas
übertrieben war; denn in der gemäßigten Zone, auf dem
feuchten und warmen Boden Nordamerikas zwiſchen dem
Miſſiſſippi und den Alleghanies werden die Bäume in zehn
Jahren nicht über 32 cm dick, und das Wachstum iſt dort
im allgemeinen nur um ein Fünfteil raſcher als in Europa,
ſelbſt wenn man zum Vergleich die Platane, den Tulpenbaum
und Cupressus disticha wählt, die zwiſchen 3 und 4,5 m
dick werden. Im Garten des Lotſen am Geſtade von Cumana
ſahen wir auch zum erſtenmal einen Guama 1 voll Blüten,
deren zahlreiche Staubfäden ſich durch ihre ungemeine Länge
und ihren Silberglanz auszeichnen. Wir gingen durch die

1 Inga spuria. Die weißen Staubfäden, 60 bis 70 an der
Zahl, ſitzen an einer grünlichen Blumenkrone, haben Seidenglanz
und an der Spitze einen gelben Staubbeutel. Die Blüte der Guama
iſt 4 cm lang. Dieſer ſchöne Baum, der am liebſten an feuchten
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[155/0171] teilige Thermometer, in den weißen Sand geſteckt, zeigte 37,7°. In kleinen Salzwaſſerlachen ſtand er auf 30,5°, während im Hafen von Cumana die Temperatur des Meeres an der Oberfläche meiſt 25,2 bis 26,3° beträgt. Die erſte Pflanze, die wir auf dem amerikaniſchen Feſtland pflückten, war die Avicennia tomentosa (Mangle prieto), die hier kaum 60 cm hoch wird. Dieſer Strauch, das Seſuvium, die gelbe Gom- phrena und die Kaktus bedecken den mit ſalzſaurem Natron geſchwängerten Boden; ſie gehören zu den wenigen Pflanzen, die, wie die europäiſchen Heiden, geſellig leben, und dergleichen in der heißen Zone nur am Meeresufer und auf den hohen Plateaus der Anden vorkommen. Nicht weniger intereſſant iſt die cumaniſche Avicennia durch eine andere Eigentümlichkeit: dieſe Pflanze gehört dem Geſtade von Südamerika und der Küſte von Malabar gemeinſchaftlich an. Der indianiſche Lotſe führte uns durch ſeinen Garten, der viel mehr einem Gehölz als einem bebauten Lande glich. Er zeigte uns als Beweis der Fruchtbarkeit des Klimas einen Käſebaum (Bombax heptaphyllum), deſſen Stamm im vierten Jahre bereits gegen 75 cm Durchmeſſer hatte. Wir haben an den Ufern des Orinoko und des Magdalenenfluſſes die Beobachtung gemacht, daß die Bombax, die Karolineen, die Ochromen und andere Bäume aus der Familie der Malven ausnehmend raſch wachſen. Ich glaube aber doch, daß die Angabe des Indianers über das Alter des Käſebaumes etwas übertrieben war; denn in der gemäßigten Zone, auf dem feuchten und warmen Boden Nordamerikas zwiſchen dem Miſſiſſippi und den Alleghanies werden die Bäume in zehn Jahren nicht über 32 cm dick, und das Wachstum iſt dort im allgemeinen nur um ein Fünfteil raſcher als in Europa, ſelbſt wenn man zum Vergleich die Platane, den Tulpenbaum und Cupressus disticha wählt, die zwiſchen 3 und 4,5 m dick werden. Im Garten des Lotſen am Geſtade von Cumana ſahen wir auch zum erſtenmal einen Guama 1 voll Blüten, deren zahlreiche Staubfäden ſich durch ihre ungemeine Länge und ihren Silberglanz auszeichnen. Wir gingen durch die 1 Inga spuria. Die weißen Staubfäden, 60 bis 70 an der Zahl, ſitzen an einer grünlichen Blumenkrone, haben Seidenglanz und an der Spitze einen gelben Staubbeutel. Die Blüte der Guama iſt 4 cm lang. Dieſer ſchöne Baum, der am liebſten an feuchten Orten wächſt, wird zwiſchen 15,5 und 19,5 m hoch.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/171>, abgerufen am 21.11.2024.