Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

von Araya leitet man allerdings das Meerwasser in die Kasten,
wie in den Salzsümpfen im mittäglichen Frankreich; aber
auf der Insel Margarita bei Pampadar wird das Salz nur
dadurch bereitet, daß man süßes Wasser den salzhaltigen
Thon auslaugen läßt.

Das Salz, das in Thonbildungen enthalten ist, darf
nicht verwechselt werden mit dem Salz, das im Sande am
Meeresufer vorkommt und das an den Küsten der Normandie
ausgebeutet wird. Diese beiden Erscheinungen haben, aus
geologischem Gesichtspunkt betrachtet, so gut wie nichts mit-
einander gemein. Ich habe salzhaltigen Thon am Meeres-
spiegel, bei Punta Araya, und in 3900 m Höhe in den
Kordilleren von Neugranada gesehen. Wenn derselbe am
erstgenannten Orte unter einer Muschelbreccie von sehr neuer
Bildung liegt, so tritt er dagegen bei Ischl in Oesterreich
als mächtige Schicht im Alpenkalk auf, der, obgleich gleichfalls
jünger als die Existenz organischer Wesen auf der Erde, doch
sehr alt ist, wie die vielen Gebirgsglieder zeigen, die ihm
aufgelagert sind. Wir wollen nicht in Zweifel ziehen, daß
das reine 1 oder mit salzhaltigem Thon vermengte Steinsalz 2 der
Niederschlag eines alten Meeres sein könne, alles weist aber
darauf hin, daß es sich unter Naturverhältnissen gebildet hat,
die sehr bedeutend abweichen mußten von denen, unter welchen
die jetzigen Meere infolge allmählicher Verdunstung hier und
da ein paar Körner salzsauren Natrons im Ufersande nieder-
schlagen. Wie der Schwefel und die Steinkohle sehr weit
auseinander liegenden Formationen angehören, kommt auch
das Steinsalz bald im Uebergangsgips, bald im Alpenkalk,
bald in einem mit sehr neuem Muschelsandstein bedeckten
Salzthon (Punta Araya), bald in einem Gips vor, der jünger
ist als die Kreide.

Das neue Salzwerk von Araya besteht aus fünf Be-
hältern oder Kasten, von denen die größten eine regelmäßige
Form und 87,4 a Oberfläche haben. Die mittlere Tiefe be-
trägt 21 cm. Man bedient sich sowohl des Regenwassers,
das sich durch Einsickerung am tiefsten Punkt der Ebene sam-
melt, als des Meerwassers, das durch Kanäle hereingeleitet
wird, wenn der Wind die See an die Küste treibt. Dieses
Salzwerk ist nicht so günstig gelegen wie die Lagune. Das

1 Das von Wielicka und Peru.
2 Das von Hallein, Ischl und Zipaquira.

von Araya leitet man allerdings das Meerwaſſer in die Kaſten,
wie in den Salzſümpfen im mittäglichen Frankreich; aber
auf der Inſel Margarita bei Pampadar wird das Salz nur
dadurch bereitet, daß man ſüßes Waſſer den ſalzhaltigen
Thon auslaugen läßt.

Das Salz, das in Thonbildungen enthalten iſt, darf
nicht verwechſelt werden mit dem Salz, das im Sande am
Meeresufer vorkommt und das an den Küſten der Normandie
ausgebeutet wird. Dieſe beiden Erſcheinungen haben, aus
geologiſchem Geſichtspunkt betrachtet, ſo gut wie nichts mit-
einander gemein. Ich habe ſalzhaltigen Thon am Meeres-
ſpiegel, bei Punta Araya, und in 3900 m Höhe in den
Kordilleren von Neugranada geſehen. Wenn derſelbe am
erſtgenannten Orte unter einer Muſchelbreccie von ſehr neuer
Bildung liegt, ſo tritt er dagegen bei Iſchl in Oeſterreich
als mächtige Schicht im Alpenkalk auf, der, obgleich gleichfalls
jünger als die Exiſtenz organiſcher Weſen auf der Erde, doch
ſehr alt iſt, wie die vielen Gebirgsglieder zeigen, die ihm
aufgelagert ſind. Wir wollen nicht in Zweifel ziehen, daß
das reine 1 oder mit ſalzhaltigem Thon vermengte Steinſalz 2 der
Niederſchlag eines alten Meeres ſein könne, alles weiſt aber
darauf hin, daß es ſich unter Naturverhältniſſen gebildet hat,
die ſehr bedeutend abweichen mußten von denen, unter welchen
die jetzigen Meere infolge allmählicher Verdunſtung hier und
da ein paar Körner ſalzſauren Natrons im Uferſande nieder-
ſchlagen. Wie der Schwefel und die Steinkohle ſehr weit
auseinander liegenden Formationen angehören, kommt auch
das Steinſalz bald im Uebergangsgips, bald im Alpenkalk,
bald in einem mit ſehr neuem Muſchelſandſtein bedeckten
Salzthon (Punta Araya), bald in einem Gips vor, der jünger
iſt als die Kreide.

Das neue Salzwerk von Araya beſteht aus fünf Be-
hältern oder Kaſten, von denen die größten eine regelmäßige
Form und 87,4 a Oberfläche haben. Die mittlere Tiefe be-
trägt 21 cm. Man bedient ſich ſowohl des Regenwaſſers,
das ſich durch Einſickerung am tiefſten Punkt der Ebene ſam-
melt, als des Meerwaſſers, das durch Kanäle hereingeleitet
wird, wenn der Wind die See an die Küſte treibt. Dieſes
Salzwerk iſt nicht ſo günſtig gelegen wie die Lagune. Das

1 Das von Wielicka und Peru.
2 Das von Hallein, Iſchl und Zipaquira.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0211" n="195"/>
von Araya leitet man allerdings das Meerwa&#x017F;&#x017F;er in die Ka&#x017F;ten,<lb/>
wie in den Salz&#x017F;ümpfen im mittäglichen Frankreich; aber<lb/>
auf der In&#x017F;el Margarita bei Pampadar wird das Salz nur<lb/>
dadurch bereitet, daß man &#x017F;üßes Wa&#x017F;&#x017F;er den &#x017F;alzhaltigen<lb/>
Thon auslaugen läßt.</p><lb/>
          <p>Das Salz, das in Thonbildungen enthalten i&#x017F;t, darf<lb/>
nicht verwech&#x017F;elt werden mit dem Salz, das im Sande am<lb/>
Meeresufer vorkommt und das an den Kü&#x017F;ten der Normandie<lb/>
ausgebeutet wird. Die&#x017F;e beiden Er&#x017F;cheinungen haben, aus<lb/>
geologi&#x017F;chem Ge&#x017F;ichtspunkt betrachtet, &#x017F;o gut wie nichts mit-<lb/>
einander gemein. Ich habe &#x017F;alzhaltigen Thon am Meeres-<lb/>
&#x017F;piegel, bei Punta Araya, und in 3900 <hi rendition="#aq">m</hi> Höhe in den<lb/>
Kordilleren von Neugranada ge&#x017F;ehen. Wenn der&#x017F;elbe am<lb/>
er&#x017F;tgenannten Orte unter einer Mu&#x017F;chelbreccie von &#x017F;ehr neuer<lb/>
Bildung liegt, &#x017F;o tritt er dagegen bei I&#x017F;chl in Oe&#x017F;terreich<lb/>
als mächtige Schicht im Alpenkalk auf, der, obgleich gleichfalls<lb/>
jünger als die Exi&#x017F;tenz organi&#x017F;cher We&#x017F;en auf der Erde, doch<lb/>
&#x017F;ehr alt i&#x017F;t, wie die vielen Gebirgsglieder zeigen, die ihm<lb/>
aufgelagert &#x017F;ind. Wir wollen nicht in Zweifel ziehen, daß<lb/>
das reine <note place="foot" n="1">Das von Wielicka und Peru.</note> oder mit &#x017F;alzhaltigem Thon vermengte Stein&#x017F;alz <note place="foot" n="2">Das von Hallein, I&#x017F;chl und Zipaquira.</note> der<lb/>
Nieder&#x017F;chlag eines alten Meeres &#x017F;ein könne, alles wei&#x017F;t aber<lb/>
darauf hin, daß es &#x017F;ich unter Naturverhältni&#x017F;&#x017F;en gebildet hat,<lb/>
die &#x017F;ehr bedeutend abweichen mußten von denen, unter welchen<lb/>
die jetzigen Meere infolge allmählicher Verdun&#x017F;tung hier und<lb/>
da ein paar Körner &#x017F;alz&#x017F;auren Natrons im Ufer&#x017F;ande nieder-<lb/>
&#x017F;chlagen. Wie der Schwefel und die Steinkohle &#x017F;ehr weit<lb/>
auseinander liegenden Formationen angehören, kommt auch<lb/>
das Stein&#x017F;alz bald im Uebergangsgips, bald im Alpenkalk,<lb/>
bald in einem mit &#x017F;ehr neuem Mu&#x017F;chel&#x017F;and&#x017F;tein bedeckten<lb/>
Salzthon (Punta Araya), bald in einem Gips vor, der jünger<lb/>
i&#x017F;t als die Kreide.</p><lb/>
          <p>Das neue Salzwerk von Araya be&#x017F;teht aus fünf Be-<lb/>
hältern oder Ka&#x017F;ten, von denen die größten eine regelmäßige<lb/>
Form und 87,4 <hi rendition="#aq">a</hi> Oberfläche haben. Die mittlere Tiefe be-<lb/>
trägt 21 <hi rendition="#aq">cm.</hi> Man bedient &#x017F;ich &#x017F;owohl des Regenwa&#x017F;&#x017F;ers,<lb/>
das &#x017F;ich durch Ein&#x017F;ickerung am tief&#x017F;ten Punkt der Ebene &#x017F;am-<lb/>
melt, als des Meerwa&#x017F;&#x017F;ers, das durch Kanäle hereingeleitet<lb/>
wird, wenn der Wind die See an die Kü&#x017F;te treibt. Die&#x017F;es<lb/>
Salzwerk i&#x017F;t nicht &#x017F;o gün&#x017F;tig gelegen wie die Lagune. Das<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0211] von Araya leitet man allerdings das Meerwaſſer in die Kaſten, wie in den Salzſümpfen im mittäglichen Frankreich; aber auf der Inſel Margarita bei Pampadar wird das Salz nur dadurch bereitet, daß man ſüßes Waſſer den ſalzhaltigen Thon auslaugen läßt. Das Salz, das in Thonbildungen enthalten iſt, darf nicht verwechſelt werden mit dem Salz, das im Sande am Meeresufer vorkommt und das an den Küſten der Normandie ausgebeutet wird. Dieſe beiden Erſcheinungen haben, aus geologiſchem Geſichtspunkt betrachtet, ſo gut wie nichts mit- einander gemein. Ich habe ſalzhaltigen Thon am Meeres- ſpiegel, bei Punta Araya, und in 3900 m Höhe in den Kordilleren von Neugranada geſehen. Wenn derſelbe am erſtgenannten Orte unter einer Muſchelbreccie von ſehr neuer Bildung liegt, ſo tritt er dagegen bei Iſchl in Oeſterreich als mächtige Schicht im Alpenkalk auf, der, obgleich gleichfalls jünger als die Exiſtenz organiſcher Weſen auf der Erde, doch ſehr alt iſt, wie die vielen Gebirgsglieder zeigen, die ihm aufgelagert ſind. Wir wollen nicht in Zweifel ziehen, daß das reine 1 oder mit ſalzhaltigem Thon vermengte Steinſalz 2 der Niederſchlag eines alten Meeres ſein könne, alles weiſt aber darauf hin, daß es ſich unter Naturverhältniſſen gebildet hat, die ſehr bedeutend abweichen mußten von denen, unter welchen die jetzigen Meere infolge allmählicher Verdunſtung hier und da ein paar Körner ſalzſauren Natrons im Uferſande nieder- ſchlagen. Wie der Schwefel und die Steinkohle ſehr weit auseinander liegenden Formationen angehören, kommt auch das Steinſalz bald im Uebergangsgips, bald im Alpenkalk, bald in einem mit ſehr neuem Muſchelſandſtein bedeckten Salzthon (Punta Araya), bald in einem Gips vor, der jünger iſt als die Kreide. Das neue Salzwerk von Araya beſteht aus fünf Be- hältern oder Kaſten, von denen die größten eine regelmäßige Form und 87,4 a Oberfläche haben. Die mittlere Tiefe be- trägt 21 cm. Man bedient ſich ſowohl des Regenwaſſers, das ſich durch Einſickerung am tiefſten Punkt der Ebene ſam- melt, als des Meerwaſſers, das durch Kanäle hereingeleitet wird, wenn der Wind die See an die Küſte treibt. Dieſes Salzwerk iſt nicht ſo günſtig gelegen wie die Lagune. Das 1 Das von Wielicka und Peru. 2 Das von Hallein, Iſchl und Zipaquira.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/211
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/211>, abgerufen am 21.11.2024.