Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.geneigten, sehr niedrigen Dächer geben den Trockenkasten von Trotz der ausgezeichneten Beschaffenheit der Produkte geneigten, ſehr niedrigen Dächer geben den Trockenkaſten von Trotz der ausgezeichneten Beſchaffenheit der Produkte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0255" n="239"/> geneigten, ſehr niedrigen Dächer geben den Trockenkaſten von<lb/> weitem das Anſehen von Treibhäuſern. Im Thale von<lb/> Cumanacoa verläuft die Gärung des Krautes, das man<lb/> „faulen“ läßt, ungemein raſch. Sie währt meiſt nicht länger<lb/> als 4 bis 5 Stunden. Dies kann nur von der Feuchtigkeit<lb/> des Klimas herrühren und daher, daß während der Entwicke-<lb/> lung der Pflanze die Sonne nicht ſcheint. Ich glaube auf<lb/> meinen Reiſen die Bemerkung gemacht zu haben, daß je<lb/> trockener das Klima iſt, die Kufe um ſo langſamer arbeitet<lb/> und die Stengel zugleich deſto mehr Indigo auf der niederſten<lb/> Oxydationsſtufe enthalten. In der Provinz Caracas, wo<lb/> 562 Kubikfuß locker aufgeſchichteten Krautes 18 bis 20 <hi rendition="#aq">kg</hi><lb/> trockenen Indigo geben, kommt die Flüſſigkeit erſt nach 20,<lb/> 30 oder 35 Stunden in die Stampfe. Wahrſcheinlich er-<lb/> hielten die Einwohner von Cumanacoa mehr Farbſtoff aus<lb/> dem Kraute, wenn ſie dasſelbe länger in der erſten Kufe weichen<lb/> ließen. Ich habe während meines Aufenthaltes in Cumana<lb/> den etwas ſchweren kupferfarbigen Indigo von Cumanacoa<lb/> und den von Caracas zur Vergleichung in Schwefelſäure<lb/> aufgelöſt, und die Auflöſung des erſteren ſchien mir weit<lb/> ſatter blau.</p><lb/> <p>Trotz der ausgezeichneten Beſchaffenheit der Produkte<lb/> und der Fruchtbarkeit des Bodens iſt der Landbau in Cu-<lb/> manacoa noch völlig in der Kindheit. Arenas, San Fer-<lb/> nando und Cumanacoa bringen in den Handel nur 1500 <hi rendition="#aq">kg</hi><lb/> Indigo, der im Lande 4500 Piaſter wert iſt. Es fehlt an<lb/> Menſchenhänden und die ſchwache Bevölkerung nimmt durch<lb/> die Auswanderung in die Llanos täglich ab. Dieſe uner-<lb/> meßlichen Savannen nähren den Menſchen reichlich, weil ſich<lb/> das Vieh dort ſo leicht vermehrt, während der Indigo- und<lb/> Tabaksbau viel Sorge und Mühe macht. Der Ertrag des<lb/> letzteren iſt deſto unſicherer, da die Regenzeit bald länger,<lb/> bald kürzer dauert. Die Pflanzer ſind von der königlichen<lb/> Pacht, die ihnen Vorſchüſſe macht, völlig abhängig, und hier,<lb/> wie in Georgien und Virginien, baut man lieber Nahrungs-<lb/> gewächſe als Tabak. Man hatte neuerdings der Regierung<lb/> den Vorſchlag gemacht, auf königliche Koſten 500 Neger an-<lb/> zuſchaffen und ſie den Pflanzern abzugeben, die imſtande<lb/> wären, in 2 oder 3 Jahren den Ankaufspreis abzutragen.<lb/> Dadurch hoffte man die jährliche Tabaksernte auf 15000<lb/> Arobas zu bringen. Zu meiner Freude habe ich viele Grund-<lb/> eigentümer ſich gegen dieſes Projekt ausſprechen hören. Es<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [239/0255]
geneigten, ſehr niedrigen Dächer geben den Trockenkaſten von
weitem das Anſehen von Treibhäuſern. Im Thale von
Cumanacoa verläuft die Gärung des Krautes, das man
„faulen“ läßt, ungemein raſch. Sie währt meiſt nicht länger
als 4 bis 5 Stunden. Dies kann nur von der Feuchtigkeit
des Klimas herrühren und daher, daß während der Entwicke-
lung der Pflanze die Sonne nicht ſcheint. Ich glaube auf
meinen Reiſen die Bemerkung gemacht zu haben, daß je
trockener das Klima iſt, die Kufe um ſo langſamer arbeitet
und die Stengel zugleich deſto mehr Indigo auf der niederſten
Oxydationsſtufe enthalten. In der Provinz Caracas, wo
562 Kubikfuß locker aufgeſchichteten Krautes 18 bis 20 kg
trockenen Indigo geben, kommt die Flüſſigkeit erſt nach 20,
30 oder 35 Stunden in die Stampfe. Wahrſcheinlich er-
hielten die Einwohner von Cumanacoa mehr Farbſtoff aus
dem Kraute, wenn ſie dasſelbe länger in der erſten Kufe weichen
ließen. Ich habe während meines Aufenthaltes in Cumana
den etwas ſchweren kupferfarbigen Indigo von Cumanacoa
und den von Caracas zur Vergleichung in Schwefelſäure
aufgelöſt, und die Auflöſung des erſteren ſchien mir weit
ſatter blau.
Trotz der ausgezeichneten Beſchaffenheit der Produkte
und der Fruchtbarkeit des Bodens iſt der Landbau in Cu-
manacoa noch völlig in der Kindheit. Arenas, San Fer-
nando und Cumanacoa bringen in den Handel nur 1500 kg
Indigo, der im Lande 4500 Piaſter wert iſt. Es fehlt an
Menſchenhänden und die ſchwache Bevölkerung nimmt durch
die Auswanderung in die Llanos täglich ab. Dieſe uner-
meßlichen Savannen nähren den Menſchen reichlich, weil ſich
das Vieh dort ſo leicht vermehrt, während der Indigo- und
Tabaksbau viel Sorge und Mühe macht. Der Ertrag des
letzteren iſt deſto unſicherer, da die Regenzeit bald länger,
bald kürzer dauert. Die Pflanzer ſind von der königlichen
Pacht, die ihnen Vorſchüſſe macht, völlig abhängig, und hier,
wie in Georgien und Virginien, baut man lieber Nahrungs-
gewächſe als Tabak. Man hatte neuerdings der Regierung
den Vorſchlag gemacht, auf königliche Koſten 500 Neger an-
zuſchaffen und ſie den Pflanzern abzugeben, die imſtande
wären, in 2 oder 3 Jahren den Ankaufspreis abzutragen.
Dadurch hoffte man die jährliche Tabaksernte auf 15000
Arobas zu bringen. Zu meiner Freude habe ich viele Grund-
eigentümer ſich gegen dieſes Projekt ausſprechen hören. Es
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