Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.das harmonische Farbenspiel von Wasser, Grün und Himmel, Die Naturschönheiten dieser Berge nahmen uns völlig Endlich am 22. September brachen wir auf mit Maul- Als das Thal von Caripe hinter uns lag, kamen wir das harmoniſche Farbenſpiel von Waſſer, Grün und Himmel, Die Naturſchönheiten dieſer Berge nahmen uns völlig Endlich am 22. September brachen wir auf mit Maul- Als das Thal von Caripe hinter uns lag, kamen wir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0293" n="277"/> das harmoniſche Farbenſpiel von Waſſer, Grün und Himmel,<lb/> alles ruft dem Reiſenden wohlbekannte Empfindungen zurück.</p><lb/> <p>Die Naturſchönheiten dieſer Berge nahmen uns völlig<lb/> in Anſpruch, und ſo wurden wir erſt am Ende gewahr, daß<lb/> wir den guten gaſtfreundlichen Mönchen zur Laſt fielen. Ihr<lb/> Vorrat von Wein und Weizenbrote war nur gering, und wenn<lb/> auch der eine wie das andere dortzulande bei Tiſche nur<lb/> als Luxusartikel gelten, ſo machte es uns doch ſehr verlegen,<lb/> daß unſere Wirte ſie ſich ſelbſt verſagten. Bereits war unſere<lb/> Brotration auf ein Vierteil herabgekommen. und doch nötigte<lb/> uns der furchtbare Regen, unſere Abreiſe noch einige Tage<lb/> zu verſchieben. Wie unendlich lang kam uns dieſer Aufſchub<lb/> vor! Wie bange war uns vor der Glocke, die uns ins Re-<lb/> fektorium rief! Das Zartgefühl der Mönche ließ uns recht<lb/> lebhaft empfinden, wie ganz anders wir hier daran waren<lb/> als die Reiſenden, die darüber zu klagen haben, daß man<lb/> ihnen in den koptiſchen Klöſtern Oberägyptens ihren Mund-<lb/> vorrat entwendet.</p><lb/> <p>Endlich am 22. September brachen wir auf mit Maul-<lb/> tieren, die unſere Inſtrumente und Pflanzen trugen. Wir<lb/> mußten den nordöſtlichen Abhang der Kalkalpen von Neu-<lb/> Andaluſien, die wir als die große Kette des Brigantin und<lb/> Cocollar bezeichnet, hinunter. Die mittlere Höhe dieſer Kette<lb/> beträgt nicht leicht über 1170 bis 1360 <hi rendition="#aq">m</hi>, und ſie läßt ſich<lb/> in dieſer wie in geologiſcher Hinſicht mit dem Jura vergleichen.<lb/> Obgleich die Berge von Cumana nicht ſehr hoch ſind, ſo iſt<lb/> der Weg hinunter gegen Cariaco zu doch ſehr beſchwerlich, ja<lb/> ſogar gefährlich. Beſonders berüchtigt iſt in dieſer Beziehung<lb/> der Cerro de Santa Maria, an dem die Miſſionäre hinauf<lb/> müſſen, wenn ſie ſich von Cumana in ihr Kloſter Caripe be-<lb/> geben. Oft, wenn wir dieſe Berge, die Anden von Peru,<lb/> die Pyrenäen und die Alpen, die wir nacheinander beſucht,<lb/> verglichen, wurden wir inne, daß die Berggipfel von der<lb/> geringſten Meereshöhe nicht ſelten die unzugänglichſten ſind.</p><lb/> <p>Als das Thal von Caripe hinter uns lag, kamen wir<lb/> zuerſt über eine Hügelkette, die nordoſtwärts vom Kloſter liegt.<lb/> Der Weg führte immer bergan über eine weite Savanne auf<lb/> die Hochebene <hi rendition="#g">Guardia de San Auguſtin</hi>. Hier hielten<lb/> wir an, um auf den Indianer zu warten, der den Barometer<lb/> trug; wir befanden uns in 1069 <hi rendition="#aq">m</hi> abſoluter Höhe, etwas<lb/> höher als der Hintergrund der Höhle des Guacharo. Die Sa-<lb/> vannen oder natürlichen Wieſen, die den Kloſterkühen eine<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [277/0293]
das harmoniſche Farbenſpiel von Waſſer, Grün und Himmel,
alles ruft dem Reiſenden wohlbekannte Empfindungen zurück.
Die Naturſchönheiten dieſer Berge nahmen uns völlig
in Anſpruch, und ſo wurden wir erſt am Ende gewahr, daß
wir den guten gaſtfreundlichen Mönchen zur Laſt fielen. Ihr
Vorrat von Wein und Weizenbrote war nur gering, und wenn
auch der eine wie das andere dortzulande bei Tiſche nur
als Luxusartikel gelten, ſo machte es uns doch ſehr verlegen,
daß unſere Wirte ſie ſich ſelbſt verſagten. Bereits war unſere
Brotration auf ein Vierteil herabgekommen. und doch nötigte
uns der furchtbare Regen, unſere Abreiſe noch einige Tage
zu verſchieben. Wie unendlich lang kam uns dieſer Aufſchub
vor! Wie bange war uns vor der Glocke, die uns ins Re-
fektorium rief! Das Zartgefühl der Mönche ließ uns recht
lebhaft empfinden, wie ganz anders wir hier daran waren
als die Reiſenden, die darüber zu klagen haben, daß man
ihnen in den koptiſchen Klöſtern Oberägyptens ihren Mund-
vorrat entwendet.
Endlich am 22. September brachen wir auf mit Maul-
tieren, die unſere Inſtrumente und Pflanzen trugen. Wir
mußten den nordöſtlichen Abhang der Kalkalpen von Neu-
Andaluſien, die wir als die große Kette des Brigantin und
Cocollar bezeichnet, hinunter. Die mittlere Höhe dieſer Kette
beträgt nicht leicht über 1170 bis 1360 m, und ſie läßt ſich
in dieſer wie in geologiſcher Hinſicht mit dem Jura vergleichen.
Obgleich die Berge von Cumana nicht ſehr hoch ſind, ſo iſt
der Weg hinunter gegen Cariaco zu doch ſehr beſchwerlich, ja
ſogar gefährlich. Beſonders berüchtigt iſt in dieſer Beziehung
der Cerro de Santa Maria, an dem die Miſſionäre hinauf
müſſen, wenn ſie ſich von Cumana in ihr Kloſter Caripe be-
geben. Oft, wenn wir dieſe Berge, die Anden von Peru,
die Pyrenäen und die Alpen, die wir nacheinander beſucht,
verglichen, wurden wir inne, daß die Berggipfel von der
geringſten Meereshöhe nicht ſelten die unzugänglichſten ſind.
Als das Thal von Caripe hinter uns lag, kamen wir
zuerſt über eine Hügelkette, die nordoſtwärts vom Kloſter liegt.
Der Weg führte immer bergan über eine weite Savanne auf
die Hochebene Guardia de San Auguſtin. Hier hielten
wir an, um auf den Indianer zu warten, der den Barometer
trug; wir befanden uns in 1069 m abſoluter Höhe, etwas
höher als der Hintergrund der Höhle des Guacharo. Die Sa-
vannen oder natürlichen Wieſen, die den Kloſterkühen eine
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