Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.Gesetzgebung unstreitig sehr mild. Aber vereinzelt, auf kaum Der Weg durch den Wald von Catuaro ist nicht viel Geſetzgebung unſtreitig ſehr mild. Aber vereinzelt, auf kaum Der Weg durch den Wald von Catuaro iſt nicht viel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0302" n="286"/> Geſetzgebung unſtreitig ſehr mild. Aber vereinzelt, auf kaum<lb/> urbar gemachtem Boden leben die Neger in Verhältniſſen, daß<lb/> die Gerechtigkeit, weit entfernt ſie im Leben kräftig ſchützen<lb/> zu können, nicht einmal imſtande iſt, die Barbareien zu be-<lb/> ſtrafen, durch die ſie ums Leben kommen. Leitet man eine<lb/> Unterſuchung ein, ſo ſchreibt man den Tod des Sklaven ſeiner<lb/> Kränklichkeit zu, dem heißen, naſſen Klima, den Wunden, die<lb/> man ihm allerdings beigebracht, die aber gar nicht tief und<lb/> durchaus nicht gefährlich geweſen. Die bürgerliche Behörde<lb/> iſt in allem, was die Hausſklaverei angeht, machtlos, und<lb/> wenn man rühmt, wie günſtig die Geſetze wirken, nach denen<lb/> die Peitſche die und die Form haben muß und nur ſo viel Streiche<lb/><hi rendition="#g">auf einmal</hi> gegeben werden dürfen, ſo iſt das reine Täuſchung.<lb/> Leute, die nicht in den Kolonieen oder doch nur auf den Antillen<lb/> gelebt haben, ſind meiſt der Meinung, da es im Intereſſe<lb/> des Herrn liege, daß ſeine Sklaven ihm erhalten bleiben,<lb/> müſſen ſie deſto beſſer behandelt werden, je weniger ihrer ſeien.<lb/> Aber in Cariaco ſelbſt, wenige Wochen bevor ich in die Provinz<lb/> kam, tötete ein Pflanzer, der nur acht Neger hatte, ihrer ſechs<lb/> durch unmenſchliche Hiebe. Er zerſtörte mutwillig den größten<lb/> Teil ſeines Vermögens. Zwei der Sklaven blieben auf der<lb/> Stelle tot, mit den vier anderen, die kräftiger ſchienen, ſchiffte<lb/> er ſich nach dem Hafen von Cumana ein, aber ſie ſtarben<lb/> auf der Ueberfahrt. Vor dieſer abſcheulichen That war im<lb/> ſelben Jahre eine ähnliche unter gleich empörenden Umſtänden<lb/> begangen worden. Solche furchtbare Unthaten blieben ſo gut<lb/> wie unbeſtraft; der Geiſt, der die Geſetze macht, und der, der<lb/> ſie vollzieht, haben nichts miteinander gemein. Der Statt-<lb/> halter von Cumana war ein gerechter, menſchenfreundlicher<lb/> Mann; aber die Rechtsformen ſind ſtreng vorgeſchrieben und<lb/> die Gewalt des Statthalters geht nicht ſo weit, um Miß-<lb/> bräuche abzuſtellen, die nun einmal von jedem europäiſchen<lb/> Koloniſationsſyſtem untrennbar ſind.</p><lb/> <p>Der Weg durch den Wald von Catuaro iſt nicht viel<lb/> anders als der vom Berge Santa Maria herab; auch ſind die<lb/> ſchlimmſten Stellen hier ebenſo ſonderbar getauft wie dort.<lb/> Man geht wie in einer engen, durch die Bergwaſſer aus-<lb/> geſpülten, mit feinem, zähem Thon gefüllten Furche dahin.<lb/> Bei den jähſten Abhängen ſenken die Maultiere das Kreuz<lb/> und rutſchen hinunter; das nennt man nun <hi rendition="#g">Saca-Manteca</hi>,<lb/> weil der Kot ſo weich iſt wie <hi rendition="#g">Butter</hi>. Bei der großen<lb/> Gewandtheit der einheimiſchen Maultiere iſt dieſes Hinabgleiten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [286/0302]
Geſetzgebung unſtreitig ſehr mild. Aber vereinzelt, auf kaum
urbar gemachtem Boden leben die Neger in Verhältniſſen, daß
die Gerechtigkeit, weit entfernt ſie im Leben kräftig ſchützen
zu können, nicht einmal imſtande iſt, die Barbareien zu be-
ſtrafen, durch die ſie ums Leben kommen. Leitet man eine
Unterſuchung ein, ſo ſchreibt man den Tod des Sklaven ſeiner
Kränklichkeit zu, dem heißen, naſſen Klima, den Wunden, die
man ihm allerdings beigebracht, die aber gar nicht tief und
durchaus nicht gefährlich geweſen. Die bürgerliche Behörde
iſt in allem, was die Hausſklaverei angeht, machtlos, und
wenn man rühmt, wie günſtig die Geſetze wirken, nach denen
die Peitſche die und die Form haben muß und nur ſo viel Streiche
auf einmal gegeben werden dürfen, ſo iſt das reine Täuſchung.
Leute, die nicht in den Kolonieen oder doch nur auf den Antillen
gelebt haben, ſind meiſt der Meinung, da es im Intereſſe
des Herrn liege, daß ſeine Sklaven ihm erhalten bleiben,
müſſen ſie deſto beſſer behandelt werden, je weniger ihrer ſeien.
Aber in Cariaco ſelbſt, wenige Wochen bevor ich in die Provinz
kam, tötete ein Pflanzer, der nur acht Neger hatte, ihrer ſechs
durch unmenſchliche Hiebe. Er zerſtörte mutwillig den größten
Teil ſeines Vermögens. Zwei der Sklaven blieben auf der
Stelle tot, mit den vier anderen, die kräftiger ſchienen, ſchiffte
er ſich nach dem Hafen von Cumana ein, aber ſie ſtarben
auf der Ueberfahrt. Vor dieſer abſcheulichen That war im
ſelben Jahre eine ähnliche unter gleich empörenden Umſtänden
begangen worden. Solche furchtbare Unthaten blieben ſo gut
wie unbeſtraft; der Geiſt, der die Geſetze macht, und der, der
ſie vollzieht, haben nichts miteinander gemein. Der Statt-
halter von Cumana war ein gerechter, menſchenfreundlicher
Mann; aber die Rechtsformen ſind ſtreng vorgeſchrieben und
die Gewalt des Statthalters geht nicht ſo weit, um Miß-
bräuche abzuſtellen, die nun einmal von jedem europäiſchen
Koloniſationsſyſtem untrennbar ſind.
Der Weg durch den Wald von Catuaro iſt nicht viel
anders als der vom Berge Santa Maria herab; auch ſind die
ſchlimmſten Stellen hier ebenſo ſonderbar getauft wie dort.
Man geht wie in einer engen, durch die Bergwaſſer aus-
geſpülten, mit feinem, zähem Thon gefüllten Furche dahin.
Bei den jähſten Abhängen ſenken die Maultiere das Kreuz
und rutſchen hinunter; das nennt man nun Saca-Manteca,
weil der Kot ſo weich iſt wie Butter. Bei der großen
Gewandtheit der einheimiſchen Maultiere iſt dieſes Hinabgleiten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |