ohne alle Gefahr. Der Weg führt über die Felsschichten herab, die am Ausgehenden Stufen von verschiedener Höhe bilden, und so ist es auch hier ein wahrer "chemin des echelles". Weiterhin, wenn man zum Walde heraus ist, kommt man zum Berge Buenavista. Er verdient den Namen, denn von hier sieht man die Stadt Cariaco in einer weiten, mit Pflanzungen, Hütten und Gruppen von Kokospalmen bedeckten Ebene. West- wärts von Cariaco breitet sich der weite Meerbusen aus, den eine Felsmauer vom Ozean trennt; gegen Ost zeigen sich, gleich blauen Wolken, die hohen Gebirge von Areo und Paria. Es ist eine der weitesten, prachtvollsten Aussichten an der Küste von Neu-Andalusien.
Wir fanden in Cariaco einen großen Teil der Einwohner in ihren Hängematten krank am Wechselfieber. Diese Fieber werden im Herbst bösartig und gehen in Ruhren über. Be- denkt man, wie außerordentlich fruchtbar und feucht die Ebene ist, und welch ungeheure Masse von Pflanzenstoff hier zersetzt wird, so sieht man leicht, warum die Luft hier nicht so gesund sein kann wie über dem dürren Boden von Cumana. Nicht leicht finden sich in der heißen Zone große Fruchtbarkeit des Bodens, häufige, lange dauernde Wasserniederschläge, eine ungemein üppige Vegetation beisammen, ohne daß diese Vor- teile durch ein Klima aufgewogen würden, das der Gesundheit der Weißen mehr oder weniger gefährlich wird. Aus denselben Ursachen, welche den Boden so fruchtbar machen und die Ent- wickelung der Gewächse beschleunigen, entwickeln sich auch Gase aus dem Boden, die sich mit der Luft mischen und sie ungesund machen. Wir werden oft Gelegenheit haben, auf die Ver- knüpfung dieser Erscheinungen zurückzukommen, wenn wir den Kakaobau und die Ufer des Orinoko beschreiben, wo es Flecke gibt, an denen sich sogar die Eingeborenen nur schwer akkli- matisieren. Im Thale von Cariaco hängt übrigens die Un- gesundheit der Luft nicht allein von den eben erwähnten all- gemeinen Ursachen ab; es machen sich dabei auch lokale Ver- hältnisse geltend. Es wird nicht ohne Interesse sein, den Landstrich, der die Meerbusen von Cariaco und von Paria von- einander trennt, näher zu betrachten.
Vom Kalkgebirge des Brigantin und Cocollar läuft ein starker Ast nach Nord und hängt mit dem Urgebirge an der Küste zusammen. Dieser Ast heißt Sierra de Meapire; der Stadt Cariaco zu führt er den Namen Cerro grande de Cariaco. Er schien mir im Durchschnitt nicht über 290 bis
ohne alle Gefahr. Der Weg führt über die Felsſchichten herab, die am Ausgehenden Stufen von verſchiedener Höhe bilden, und ſo iſt es auch hier ein wahrer „chemin des échelles“. Weiterhin, wenn man zum Walde heraus iſt, kommt man zum Berge Buenaviſta. Er verdient den Namen, denn von hier ſieht man die Stadt Cariaco in einer weiten, mit Pflanzungen, Hütten und Gruppen von Kokospalmen bedeckten Ebene. Weſt- wärts von Cariaco breitet ſich der weite Meerbuſen aus, den eine Felsmauer vom Ozean trennt; gegen Oſt zeigen ſich, gleich blauen Wolken, die hohen Gebirge von Areo und Paria. Es iſt eine der weiteſten, prachtvollſten Ausſichten an der Küſte von Neu-Andaluſien.
Wir fanden in Cariaco einen großen Teil der Einwohner in ihren Hängematten krank am Wechſelfieber. Dieſe Fieber werden im Herbſt bösartig und gehen in Ruhren über. Be- denkt man, wie außerordentlich fruchtbar und feucht die Ebene iſt, und welch ungeheure Maſſe von Pflanzenſtoff hier zerſetzt wird, ſo ſieht man leicht, warum die Luft hier nicht ſo geſund ſein kann wie über dem dürren Boden von Cumana. Nicht leicht finden ſich in der heißen Zone große Fruchtbarkeit des Bodens, häufige, lange dauernde Waſſerniederſchläge, eine ungemein üppige Vegetation beiſammen, ohne daß dieſe Vor- teile durch ein Klima aufgewogen würden, das der Geſundheit der Weißen mehr oder weniger gefährlich wird. Aus denſelben Urſachen, welche den Boden ſo fruchtbar machen und die Ent- wickelung der Gewächſe beſchleunigen, entwickeln ſich auch Gaſe aus dem Boden, die ſich mit der Luft miſchen und ſie ungeſund machen. Wir werden oft Gelegenheit haben, auf die Ver- knüpfung dieſer Erſcheinungen zurückzukommen, wenn wir den Kakaobau und die Ufer des Orinoko beſchreiben, wo es Flecke gibt, an denen ſich ſogar die Eingeborenen nur ſchwer akkli- matiſieren. Im Thale von Cariaco hängt übrigens die Un- geſundheit der Luft nicht allein von den eben erwähnten all- gemeinen Urſachen ab; es machen ſich dabei auch lokale Ver- hältniſſe geltend. Es wird nicht ohne Intereſſe ſein, den Landſtrich, der die Meerbuſen von Cariaco und von Paria von- einander trennt, näher zu betrachten.
Vom Kalkgebirge des Brigantin und Cocollar läuft ein ſtarker Aſt nach Nord und hängt mit dem Urgebirge an der Küſte zuſammen. Dieſer Aſt heißt Sierra de Meapire; der Stadt Cariaco zu führt er den Namen Cerro grande de Cariaco. Er ſchien mir im Durchſchnitt nicht über 290 bis
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ohne alle Gefahr. Der Weg führt über die Felsſchichten herab,
die am Ausgehenden Stufen von verſchiedener Höhe bilden,
und ſo iſt es auch hier ein wahrer „chemin des échelles“.
Weiterhin, wenn man zum Walde heraus iſt, kommt man zum
Berge Buenaviſta. Er verdient den Namen, denn von hier
ſieht man die Stadt Cariaco in einer weiten, mit Pflanzungen,
Hütten und Gruppen von Kokospalmen bedeckten Ebene. Weſt-
wärts von Cariaco breitet ſich der weite Meerbuſen aus, den
eine Felsmauer vom Ozean trennt; gegen Oſt zeigen ſich,
gleich blauen Wolken, die hohen Gebirge von Areo und Paria.
Es iſt eine der weiteſten, prachtvollſten Ausſichten an der Küſte
von Neu-Andaluſien.
Wir fanden in Cariaco einen großen Teil der Einwohner
in ihren Hängematten krank am Wechſelfieber. Dieſe Fieber
werden im Herbſt bösartig und gehen in Ruhren über. Be-
denkt man, wie außerordentlich fruchtbar und feucht die Ebene
iſt, und welch ungeheure Maſſe von Pflanzenſtoff hier zerſetzt
wird, ſo ſieht man leicht, warum die Luft hier nicht ſo geſund
ſein kann wie über dem dürren Boden von Cumana. Nicht
leicht finden ſich in der heißen Zone große Fruchtbarkeit des
Bodens, häufige, lange dauernde Waſſerniederſchläge, eine
ungemein üppige Vegetation beiſammen, ohne daß dieſe Vor-
teile durch ein Klima aufgewogen würden, das der Geſundheit
der Weißen mehr oder weniger gefährlich wird. Aus denſelben
Urſachen, welche den Boden ſo fruchtbar machen und die Ent-
wickelung der Gewächſe beſchleunigen, entwickeln ſich auch Gaſe
aus dem Boden, die ſich mit der Luft miſchen und ſie ungeſund
machen. Wir werden oft Gelegenheit haben, auf die Ver-
knüpfung dieſer Erſcheinungen zurückzukommen, wenn wir den
Kakaobau und die Ufer des Orinoko beſchreiben, wo es Flecke
gibt, an denen ſich ſogar die Eingeborenen nur ſchwer akkli-
matiſieren. Im Thale von Cariaco hängt übrigens die Un-
geſundheit der Luft nicht allein von den eben erwähnten all-
gemeinen Urſachen ab; es machen ſich dabei auch lokale Ver-
hältniſſe geltend. Es wird nicht ohne Intereſſe ſein, den
Landſtrich, der die Meerbuſen von Cariaco und von Paria von-
einander trennt, näher zu betrachten.
Vom Kalkgebirge des Brigantin und Cocollar läuft ein
ſtarker Aſt nach Nord und hängt mit dem Urgebirge an der
Küſte zuſammen. Dieſer Aſt heißt Sierra de Meapire; der
Stadt Cariaco zu führt er den Namen Cerro grande de
Cariaco. Er ſchien mir im Durchſchnitt nicht über 290 bis
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/303>, abgerufen am 26.06.2024.
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