Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.Strich, wo das Meer mit einer ungeheuren Menge Medusen Unter den Medusen fand Bonpland Bündel der Dagysa Am 13. Juni morgens unter 34° 33' Breite sahen wir Strich, wo das Meer mit einer ungeheuren Menge Meduſen Unter den Meduſen fand Bonpland Bündel der Dagysa Am 13. Juni morgens unter 34° 33′ Breite ſahen wir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0052" n="36"/> Strich, wo das Meer mit einer ungeheuren Menge Meduſen<lb/> bedeckt war. Das Schiff ſtand beinahe ſtill, aber die Weich-<lb/> tiere zogen gegen Südoſt, viermal raſcher als die Strömung.<lb/> Ihr Vorüberzug währte beinahe drei Viertelſtunden, und dann<lb/> ſahen wir nur noch einzelne Individuen dem großen Haufen,<lb/> wie wandermüde, nachziehen. Kommen dieſe Tiere vom Grunde<lb/> des Meeres, das in dieſen Strichen wohl mehrere tauſend<lb/> Meter tief iſt? oder machen ſie in Schwärmen weite Züge?<lb/> Wie man weiß, lieben dieſe Weichtiere die Untiefen, und<lb/> wenn die acht Klippen unmittelbar unter dem Waſſerſpiegel,<lb/> welche Kapitän Vobonne im Jahre 1832 nordwärts von der<lb/> Inſel Porto Santo geſehen haben will, wirklich vorhanden<lb/> ſind, ſo läßt ſich annehmen, daß dieſe ungeheure Maſſe von<lb/> Meduſen dorther kam, denn wir befanden uns nur 126 <hi rendition="#aq">km</hi><lb/> von jenen Klippen. Wir erkannten neben der <hi rendition="#aq">Medusa aurita</hi><lb/> von Baſter und der <hi rendition="#aq">M. pelagica</hi> von Bosc mit acht Ten-<lb/> takeln (<hi rendition="#aq">Pelagia denticulata, Peron</hi>) eine dritte Art, die ſich<lb/> der <hi rendition="#aq">M. hysocella</hi> nähert, die Vandelli an der Mündung des<lb/> Tajo gefunden hat. Sie iſt ausgezeichnet durch die braun-<lb/> gelbe Farbe und dadurch, daß die Tentakeln länger ſind als<lb/> der Körper. Manche dieſer Meerneſſeln hatten 10 <hi rendition="#aq">cm</hi> im<lb/> Durchmeſſer; ihr faſt metalliſcher Glanz, ihre violett und<lb/> purpurn ſchillernde Färbung hob ſich vom Blau der See<lb/> äußerſt angenehm ab.</p><lb/> <p>Unter den Meduſen fand Bonpland Bündel der <hi rendition="#aq">Dagysa<lb/> notata,</hi> eines Weichtieres von ſonderbarem Bau, das Sir<lb/> Joſeph Banks zuerſt kennen gelehrt hat. Es ſind kleine<lb/> gallertartige Säcke, durchſichtig, walzenförmig, zuweilen viel-<lb/> eckig, 3 <hi rendition="#aq">mm</hi> lang, 0,5 bis 0,7 <hi rendition="#aq">mm</hi> im Durchmeſſer. Dieſe<lb/> Säcke ſind an beiden Enden offen. An der einen Oeffnung<lb/> zeigt ſich eine durchſichtige Blaſe mit einem gelben Fleck. Dieſe<lb/> Cylinder ſind der Länge nach aneinander geklebt wie Bienen-<lb/> zellen und bilden 16 bis 21 <hi rendition="#aq">cm</hi> lange Schnüre. Umſonſt<lb/> verſuchte ich die galvaniſche Elektrizität an dieſen Weichtieren;<lb/> ſie brachte keine Zuſammenziehung hervor. Die Gattung<lb/><hi rendition="#aq">Dagysa,</hi> die zur Zeit von Cooks erſter Reiſe zuerſt aufgeſtellt<lb/> wurde, ſcheint zu den Salpen zu gehören. Auch die Salpen<lb/> wandern in Schwärmen, wobei ſie ſich zu Schnüren anein-<lb/> ander hängen, wie wir bei der <hi rendition="#aq">Dagysa</hi> geſehen.</p><lb/> <p>Am 13. Juni morgens unter 34° 33′ Breite ſahen wir<lb/> wieder bei vollkommen ruhiger See große Haufen des letzt-<lb/> erwähnten Tieres vorbeitreiben. Bei Nacht machten wir die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [36/0052]
Strich, wo das Meer mit einer ungeheuren Menge Meduſen
bedeckt war. Das Schiff ſtand beinahe ſtill, aber die Weich-
tiere zogen gegen Südoſt, viermal raſcher als die Strömung.
Ihr Vorüberzug währte beinahe drei Viertelſtunden, und dann
ſahen wir nur noch einzelne Individuen dem großen Haufen,
wie wandermüde, nachziehen. Kommen dieſe Tiere vom Grunde
des Meeres, das in dieſen Strichen wohl mehrere tauſend
Meter tief iſt? oder machen ſie in Schwärmen weite Züge?
Wie man weiß, lieben dieſe Weichtiere die Untiefen, und
wenn die acht Klippen unmittelbar unter dem Waſſerſpiegel,
welche Kapitän Vobonne im Jahre 1832 nordwärts von der
Inſel Porto Santo geſehen haben will, wirklich vorhanden
ſind, ſo läßt ſich annehmen, daß dieſe ungeheure Maſſe von
Meduſen dorther kam, denn wir befanden uns nur 126 km
von jenen Klippen. Wir erkannten neben der Medusa aurita
von Baſter und der M. pelagica von Bosc mit acht Ten-
takeln (Pelagia denticulata, Peron) eine dritte Art, die ſich
der M. hysocella nähert, die Vandelli an der Mündung des
Tajo gefunden hat. Sie iſt ausgezeichnet durch die braun-
gelbe Farbe und dadurch, daß die Tentakeln länger ſind als
der Körper. Manche dieſer Meerneſſeln hatten 10 cm im
Durchmeſſer; ihr faſt metalliſcher Glanz, ihre violett und
purpurn ſchillernde Färbung hob ſich vom Blau der See
äußerſt angenehm ab.
Unter den Meduſen fand Bonpland Bündel der Dagysa
notata, eines Weichtieres von ſonderbarem Bau, das Sir
Joſeph Banks zuerſt kennen gelehrt hat. Es ſind kleine
gallertartige Säcke, durchſichtig, walzenförmig, zuweilen viel-
eckig, 3 mm lang, 0,5 bis 0,7 mm im Durchmeſſer. Dieſe
Säcke ſind an beiden Enden offen. An der einen Oeffnung
zeigt ſich eine durchſichtige Blaſe mit einem gelben Fleck. Dieſe
Cylinder ſind der Länge nach aneinander geklebt wie Bienen-
zellen und bilden 16 bis 21 cm lange Schnüre. Umſonſt
verſuchte ich die galvaniſche Elektrizität an dieſen Weichtieren;
ſie brachte keine Zuſammenziehung hervor. Die Gattung
Dagysa, die zur Zeit von Cooks erſter Reiſe zuerſt aufgeſtellt
wurde, ſcheint zu den Salpen zu gehören. Auch die Salpen
wandern in Schwärmen, wobei ſie ſich zu Schnüren anein-
ander hängen, wie wir bei der Dagysa geſehen.
Am 13. Juni morgens unter 34° 33′ Breite ſahen wir
wieder bei vollkommen ruhiger See große Haufen des letzt-
erwähnten Tieres vorbeitreiben. Bei Nacht machten wir die
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