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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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wie oft findet man Tange, die vermöge ihrer Entwickelungs-
stufe in ihrem durchsichtigen Parenchym noch keine Spur von
Körnern zeigen.

Ich hätte diese Einzelheiten, die in die beschreibende Na-
turgeschichte gehören, hier übergangen, wenn sich nicht am Fukus
mit weinblattähnlichen Blättern eine physiologische Erscheinung
von allgemeinerem Interesse beobachten ließe. Unser Seetang
hatte, an Madreporen befestigt, 68 m tief im Meeresboden
vegetiert, und doch waren seine Blätter so grün wie unsere
Gräser. Nach de Bouguers Versuchen 1 wird das Licht, das
durch 58,5 m Wasser hindurchgeht, im Verhältnis von 1 zu
1477,8 geschwächt. Der Tang von Alegranza ist also ein
neuer Beweis für den Satz, daß Gewächse im Dunkeln vege-
tieren können, ohne farblos zu werden. Die noch in den
Zwiebeln eingeschlossenen Keime mancher Liliengewächse, der
Embryo der Malven, der Rhamnoiden, der Pistazie, der Mistel
und des Zitronenbaums, die Zweige mancher unterirdischer
Pflanzen, endlich die Gewächse, die man in Erzgruben bringt,
wo die umgebende Luft Wasserstoff oder viel Stickstoff enthält,
sind grün ohne Lichtgenuß. Diese Thatsachen berechtigen zu
der Annahme, daß der Kohlenwasserstoff, der das Parenchym
dunkler oder heller grün färbt, je nachdem der Kohlenstoff in
der Verbindung vorherrscht, sich nicht bloß unter dem Einfluß
der Sonnenstrahlen im Gewebe der Gewächse bildet.

Turner, der so viel für die Familie der Tange geleistet
hat, und viele andere bedeutende Botaniker sind der Ansicht,
die Tange, die man an der Meeresfläche findet, und die unter
dem 23. und 25. Grad der Breite und dem 35. der Länge
sich dem Seefahrer als eine weite überschwemmte Wiese dar-
stellen, wachsen ursprünglich auf dem Meeresgrunde und schwim-
men an der Oberfläche nur im ausgebildeten Zustande, nachdem
sie von den Wellen losgerissen worden. Ist dem wirklich so,
so ist nicht zu leugnen, daß die Familie der Seealgen große
Schwierigkeiten macht, wenn man am Glauben festhält, daß
Farblosigkeit die notwendige Folge des Mangels an Licht ist;

1 In 60 m Tiefe kann der Fukus nur von einem Lichte be-
leuchtet gewesen sein, das 203mal stärker ist als das Mondlicht,
also gleich der Hälfte des Lichtes, das eine Talgkerze auf 32 cm
Entfernung verbreitet. Nach meinen direkten Versuchen wird aber
das Lepidium saticum beim glänzenden Lichte zweier Argandschen
Lampen kaum merkbar grün.

wie oft findet man Tange, die vermöge ihrer Entwickelungs-
ſtufe in ihrem durchſichtigen Parenchym noch keine Spur von
Körnern zeigen.

Ich hätte dieſe Einzelheiten, die in die beſchreibende Na-
turgeſchichte gehören, hier übergangen, wenn ſich nicht am Fukus
mit weinblattähnlichen Blättern eine phyſiologiſche Erſcheinung
von allgemeinerem Intereſſe beobachten ließe. Unſer Seetang
hatte, an Madreporen befeſtigt, 68 m tief im Meeresboden
vegetiert, und doch waren ſeine Blätter ſo grün wie unſere
Gräſer. Nach de Bouguers Verſuchen 1 wird das Licht, das
durch 58,5 m Waſſer hindurchgeht, im Verhältnis von 1 zu
1477,8 geſchwächt. Der Tang von Alegranza iſt alſo ein
neuer Beweis für den Satz, daß Gewächſe im Dunkeln vege-
tieren können, ohne farblos zu werden. Die noch in den
Zwiebeln eingeſchloſſenen Keime mancher Liliengewächſe, der
Embryo der Malven, der Rhamnoiden, der Piſtazie, der Miſtel
und des Zitronenbaums, die Zweige mancher unterirdiſcher
Pflanzen, endlich die Gewächſe, die man in Erzgruben bringt,
wo die umgebende Luft Waſſerſtoff oder viel Stickſtoff enthält,
ſind grün ohne Lichtgenuß. Dieſe Thatſachen berechtigen zu
der Annahme, daß der Kohlenwaſſerſtoff, der das Parenchym
dunkler oder heller grün färbt, je nachdem der Kohlenſtoff in
der Verbindung vorherrſcht, ſich nicht bloß unter dem Einfluß
der Sonnenſtrahlen im Gewebe der Gewächſe bildet.

Turner, der ſo viel für die Familie der Tange geleiſtet
hat, und viele andere bedeutende Botaniker ſind der Anſicht,
die Tange, die man an der Meeresfläche findet, und die unter
dem 23. und 25. Grad der Breite und dem 35. der Länge
ſich dem Seefahrer als eine weite überſchwemmte Wieſe dar-
ſtellen, wachſen urſprünglich auf dem Meeresgrunde und ſchwim-
men an der Oberfläche nur im ausgebildeten Zuſtande, nachdem
ſie von den Wellen losgeriſſen worden. Iſt dem wirklich ſo,
ſo iſt nicht zu leugnen, daß die Familie der Seealgen große
Schwierigkeiten macht, wenn man am Glauben feſthält, daß
Farbloſigkeit die notwendige Folge des Mangels an Licht iſt;

1 In 60 m Tiefe kann der Fukus nur von einem Lichte be-
leuchtet geweſen ſein, das 203mal ſtärker iſt als das Mondlicht,
alſo gleich der Hälfte des Lichtes, das eine Talgkerze auf 32 cm
Entfernung verbreitet. Nach meinen direkten Verſuchen wird aber
das Lepidium saticum beim glänzenden Lichte zweier Argandſchen
Lampen kaum merkbar grün.
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[44/0060] wie oft findet man Tange, die vermöge ihrer Entwickelungs- ſtufe in ihrem durchſichtigen Parenchym noch keine Spur von Körnern zeigen. Ich hätte dieſe Einzelheiten, die in die beſchreibende Na- turgeſchichte gehören, hier übergangen, wenn ſich nicht am Fukus mit weinblattähnlichen Blättern eine phyſiologiſche Erſcheinung von allgemeinerem Intereſſe beobachten ließe. Unſer Seetang hatte, an Madreporen befeſtigt, 68 m tief im Meeresboden vegetiert, und doch waren ſeine Blätter ſo grün wie unſere Gräſer. Nach de Bouguers Verſuchen 1 wird das Licht, das durch 58,5 m Waſſer hindurchgeht, im Verhältnis von 1 zu 1477,8 geſchwächt. Der Tang von Alegranza iſt alſo ein neuer Beweis für den Satz, daß Gewächſe im Dunkeln vege- tieren können, ohne farblos zu werden. Die noch in den Zwiebeln eingeſchloſſenen Keime mancher Liliengewächſe, der Embryo der Malven, der Rhamnoiden, der Piſtazie, der Miſtel und des Zitronenbaums, die Zweige mancher unterirdiſcher Pflanzen, endlich die Gewächſe, die man in Erzgruben bringt, wo die umgebende Luft Waſſerſtoff oder viel Stickſtoff enthält, ſind grün ohne Lichtgenuß. Dieſe Thatſachen berechtigen zu der Annahme, daß der Kohlenwaſſerſtoff, der das Parenchym dunkler oder heller grün färbt, je nachdem der Kohlenſtoff in der Verbindung vorherrſcht, ſich nicht bloß unter dem Einfluß der Sonnenſtrahlen im Gewebe der Gewächſe bildet. Turner, der ſo viel für die Familie der Tange geleiſtet hat, und viele andere bedeutende Botaniker ſind der Anſicht, die Tange, die man an der Meeresfläche findet, und die unter dem 23. und 25. Grad der Breite und dem 35. der Länge ſich dem Seefahrer als eine weite überſchwemmte Wieſe dar- ſtellen, wachſen urſprünglich auf dem Meeresgrunde und ſchwim- men an der Oberfläche nur im ausgebildeten Zuſtande, nachdem ſie von den Wellen losgeriſſen worden. Iſt dem wirklich ſo, ſo iſt nicht zu leugnen, daß die Familie der Seealgen große Schwierigkeiten macht, wenn man am Glauben feſthält, daß Farbloſigkeit die notwendige Folge des Mangels an Licht iſt; 1 In 60 m Tiefe kann der Fukus nur von einem Lichte be- leuchtet geweſen ſein, das 203mal ſtärker iſt als das Mondlicht, alſo gleich der Hälfte des Lichtes, das eine Talgkerze auf 32 cm Entfernung verbreitet. Nach meinen direkten Verſuchen wird aber das Lepidium saticum beim glänzenden Lichte zweier Argandſchen Lampen kaum merkbar grün.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/60>, abgerufen am 21.11.2024.