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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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günstigen Umstände zusammen, um sie unter sehr kleinen
Winkeln sichtbar zu machen. Wir haben oben gesehen, daß
der abgestumpfte Gipfel des Piks von Tenerifa nur gegen
580 m Durchmesser hat. Nach den Messungen, die ich im
Jahre 1803 zu Riobamba angestellt, ist die Kuppe des Chim-
borazo 298 m unter der Spitze, also an einer Stelle, die
2533 m höher liegt als der Pik, noch 1312 m breit. Ferner
nimmt die Zone des ewigen Schnees ein Vierteil der ganzen
Berghöhe ein, und die Basis dieser Zone ist, von der Südsee
gesehen, 6700 m breit. Obgleich aber der Chimborazo um
zwei Drittel höher ist als der Pik, sieht man ihn doch wegen
der Krümmung der Erde nur 172,5 km weiter. Wenn er
im Hafen von Guayaquil am Ende der Regenzeit am Horizont
auftaucht, glänzt sein Schnee so stark, daß man glauben sollte,
er müßte sehr weit in der Südsee sichtbar sein. Glaubwürdige
Schiffer haben mich versichert, sie haben ihn bei der Klippe
Muerto, südwestlich von der Insel Puna, auf 211,5 km ge-
sehen. So oft er noch weiter gesehen worden, sind die An-
gaben unzuverlässig, weil die Beobachter ihrer Länge nicht ge-
wiß waren.

Das in der Luft verbreitete Licht erhöht, indem es auf
die Berge fällt, die Sichtbarkeit derer, die positiv sichtbar
sind; die Stärke desselben vermindert im Gegenteil die Sicht-
barkeit von Gegenständen, die, wie der Pik von Tenerifa und
der der Azoren, sich dunkelfarbig abheben. Bouguer hat auf
theoretischem Wege gefunden, daß nach der Beschaffenheit
unserer Atmosphäre Berge negativ nicht weiter als auf
157 km gesehen werden können. Die Erfahrung -- und
diese Bemerkung ist wichtig -- widerspricht dieser Rechnung.
Der Pik von Tenerifa ist häufig auf 162, 171, sogar auf
180 km gesehen worden. Noch mehr, auf der Fahrt nach
den Sandwichinseln hat man den Gipfel des Mauna-Roa 1

1 Der Mauna-Roa auf den Sandwichinseln ist nach Marchand
über 5063 m hoch, nach King 5022 m, aber diese Messungen sind,
trotz ihrer zufälligen Uebereinstimmung, keineswegs auf zuverlässigem
Wege erzielt. Es ist eine ziemlich auffallende Erscheinung, daß ein
Berggipfel unter 19° Breite, der wahrscheinlich über 4870 m hoch
ist, von Schnee ganz entblößt wird. Die starke Abplattung des
Mauna-Roa, der Mesa der alten spanischen Karten, seine vereinzelte
Lage im Weltmeer und die Häufigkeit gewisser Winde, die, durch
den aufsteigenden Strom abgelenkt, in schiefer Richtung wehen,

günſtigen Umſtände zuſammen, um ſie unter ſehr kleinen
Winkeln ſichtbar zu machen. Wir haben oben geſehen, daß
der abgeſtumpfte Gipfel des Piks von Tenerifa nur gegen
580 m Durchmeſſer hat. Nach den Meſſungen, die ich im
Jahre 1803 zu Riobamba angeſtellt, iſt die Kuppe des Chim-
borazo 298 m unter der Spitze, alſo an einer Stelle, die
2533 m höher liegt als der Pik, noch 1312 m breit. Ferner
nimmt die Zone des ewigen Schnees ein Vierteil der ganzen
Berghöhe ein, und die Baſis dieſer Zone iſt, von der Südſee
geſehen, 6700 m breit. Obgleich aber der Chimborazo um
zwei Drittel höher iſt als der Pik, ſieht man ihn doch wegen
der Krümmung der Erde nur 172,5 km weiter. Wenn er
im Hafen von Guayaquil am Ende der Regenzeit am Horizont
auftaucht, glänzt ſein Schnee ſo ſtark, daß man glauben ſollte,
er müßte ſehr weit in der Südſee ſichtbar ſein. Glaubwürdige
Schiffer haben mich verſichert, ſie haben ihn bei der Klippe
Muerto, ſüdweſtlich von der Inſel Puna, auf 211,5 km ge-
ſehen. So oft er noch weiter geſehen worden, ſind die An-
gaben unzuverläſſig, weil die Beobachter ihrer Länge nicht ge-
wiß waren.

Das in der Luft verbreitete Licht erhöht, indem es auf
die Berge fällt, die Sichtbarkeit derer, die poſitiv ſichtbar
ſind; die Stärke desſelben vermindert im Gegenteil die Sicht-
barkeit von Gegenſtänden, die, wie der Pik von Tenerifa und
der der Azoren, ſich dunkelfarbig abheben. Bouguer hat auf
theoretiſchem Wege gefunden, daß nach der Beſchaffenheit
unſerer Atmoſphäre Berge negativ nicht weiter als auf
157 km geſehen werden können. Die Erfahrung — und
dieſe Bemerkung iſt wichtig — widerſpricht dieſer Rechnung.
Der Pik von Tenerifa iſt häufig auf 162, 171, ſogar auf
180 km geſehen worden. Noch mehr, auf der Fahrt nach
den Sandwichinſeln hat man den Gipfel des Mauna-Roa 1

1 Der Mauna-Roa auf den Sandwichinſeln iſt nach Marchand
über 5063 m hoch, nach King 5022 m, aber dieſe Meſſungen ſind,
trotz ihrer zufälligen Uebereinſtimmung, keineswegs auf zuverläſſigem
Wege erzielt. Es iſt eine ziemlich auffallende Erſcheinung, daß ein
Berggipfel unter 19° Breite, der wahrſcheinlich über 4870 m hoch
iſt, von Schnee ganz entblößt wird. Die ſtarke Abplattung des
Mauna-Roa, der Meſa der alten ſpaniſchen Karten, ſeine vereinzelte
Lage im Weltmeer und die Häufigkeit gewiſſer Winde, die, durch
den aufſteigenden Strom abgelenkt, in ſchiefer Richtung wehen,
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[53/0069] günſtigen Umſtände zuſammen, um ſie unter ſehr kleinen Winkeln ſichtbar zu machen. Wir haben oben geſehen, daß der abgeſtumpfte Gipfel des Piks von Tenerifa nur gegen 580 m Durchmeſſer hat. Nach den Meſſungen, die ich im Jahre 1803 zu Riobamba angeſtellt, iſt die Kuppe des Chim- borazo 298 m unter der Spitze, alſo an einer Stelle, die 2533 m höher liegt als der Pik, noch 1312 m breit. Ferner nimmt die Zone des ewigen Schnees ein Vierteil der ganzen Berghöhe ein, und die Baſis dieſer Zone iſt, von der Südſee geſehen, 6700 m breit. Obgleich aber der Chimborazo um zwei Drittel höher iſt als der Pik, ſieht man ihn doch wegen der Krümmung der Erde nur 172,5 km weiter. Wenn er im Hafen von Guayaquil am Ende der Regenzeit am Horizont auftaucht, glänzt ſein Schnee ſo ſtark, daß man glauben ſollte, er müßte ſehr weit in der Südſee ſichtbar ſein. Glaubwürdige Schiffer haben mich verſichert, ſie haben ihn bei der Klippe Muerto, ſüdweſtlich von der Inſel Puna, auf 211,5 km ge- ſehen. So oft er noch weiter geſehen worden, ſind die An- gaben unzuverläſſig, weil die Beobachter ihrer Länge nicht ge- wiß waren. Das in der Luft verbreitete Licht erhöht, indem es auf die Berge fällt, die Sichtbarkeit derer, die poſitiv ſichtbar ſind; die Stärke desſelben vermindert im Gegenteil die Sicht- barkeit von Gegenſtänden, die, wie der Pik von Tenerifa und der der Azoren, ſich dunkelfarbig abheben. Bouguer hat auf theoretiſchem Wege gefunden, daß nach der Beſchaffenheit unſerer Atmoſphäre Berge negativ nicht weiter als auf 157 km geſehen werden können. Die Erfahrung — und dieſe Bemerkung iſt wichtig — widerſpricht dieſer Rechnung. Der Pik von Tenerifa iſt häufig auf 162, 171, ſogar auf 180 km geſehen worden. Noch mehr, auf der Fahrt nach den Sandwichinſeln hat man den Gipfel des Mauna-Roa 1 1 Der Mauna-Roa auf den Sandwichinſeln iſt nach Marchand über 5063 m hoch, nach King 5022 m, aber dieſe Meſſungen ſind, trotz ihrer zufälligen Uebereinſtimmung, keineswegs auf zuverläſſigem Wege erzielt. Es iſt eine ziemlich auffallende Erſcheinung, daß ein Berggipfel unter 19° Breite, der wahrſcheinlich über 4870 m hoch iſt, von Schnee ganz entblößt wird. Die ſtarke Abplattung des Mauna-Roa, der Meſa der alten ſpaniſchen Karten, ſeine vereinzelte Lage im Weltmeer und die Häufigkeit gewiſſer Winde, die, durch den aufſteigenden Strom abgelenkt, in ſchiefer Richtung wehen,

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/69>, abgerufen am 21.11.2024.