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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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hinzudeuten, daß eine elastische Flüssigkeit durch die geschmol-
zene Materie durchgegangen ist. Trotz diesen Uebereinstim-
mungen muß ich noch einmal bemerken, daß ich in der ganzen
unteren Region des Piks von Tenerifa auf der Seite gegen
Orotava keinen Lavastrom, überhaupt keinen vulkanischen Aus-
bruch gesehen habe, der scharf begrenzt gewesen wäre. Regen-
güsse und Ueberschwemmungen wandeln die Erdoberfläche um,
und wenn zahlreiche Lavaströme sich vereinigen und über eine
Ebene ergießen, wie ich es am Vesuv im Atrio dei Cavalli
gesehen, so verschmelzen sie ineinander und nehmen das An-
sehen wirklich geschichteter Bildungen an.

Villa de Orotava macht schon von weitem einen guten
Eindruck durch die Fülle der Gewässer, die auf den Ort zu-
eilen und durch die Hauptstraßen fließen. Die Quelle Aqua
mansa,
in zwei großen Becken gefaßt, treibt mehrere Mühlen
und wird dann in die Weingärten des anliegenden Geländes
geleitet. Das Klima in der Villa ist noch kühler als am
Hafen, da dort von morgens zehn Uhr an ein starker Wind
weht. Das Wasser, das sich bei höherer Temperatur in der
Luft aufgelöst hat, schlägt sich häufig nieder, und dadurch wird
das Klima sehr neblig. Die Villa liegt etwa 312 m über
dem Meere, also 390 m niedriger als Laguna; man bemerkt
auch, daß dieselben Pflanzen an letzterem Orte einen Monat
später blühen.

Orotava, das alte Taoro der Guanchen, liegt am steilen
Abhang eines Hügels; die Straßen schienen uns öde, die
Häuser, solid gebaut, aber trübselig anzusehen, gehören fast
durchaus einem Adel, der für sehr stolz gilt und sich selbst
anspruchsvoll als dozo casas bezeichnet. Wir kamen an einer
sehr hohen, mit einer Menge schöner Farne bewachsenen Wasser-
leitung vorüber. Wir besuchten mehrere Gärten, in denen
die Obstbäume des nördlichen Europas neben Orangen, Granat-
bäumen und Dattelpalmen stehen. Man versicherte uns,
letztere tragen hier so wenig Früchte als in Terra Firma an
der Küste von Cumana. Obgleich wir den Drachenbaum in
Herrn Franquis Garten aus Reiseberichten kannten, so setzte
uns seine ungeheure Dicke dennoch in Erstaunen. Man be-
hauptet, der Stamm dieses Baumes, der in mehreren sehr
alten Urkunden erwähnt wird, weil er als Grenzmarke eines
Feldes diente, sei schon im 15. Jahrhundert so ungeheuer dick
gewesen wie jetzt. Seine Höhe schätzten wir auf 16 bis 19,5 m;
sein Umfang nahe über den Wurzeln beträgt 14,6 m. Weiter

hinzudeuten, daß eine elaſtiſche Flüſſigkeit durch die geſchmol-
zene Materie durchgegangen iſt. Trotz dieſen Uebereinſtim-
mungen muß ich noch einmal bemerken, daß ich in der ganzen
unteren Region des Piks von Tenerifa auf der Seite gegen
Orotava keinen Lavaſtrom, überhaupt keinen vulkaniſchen Aus-
bruch geſehen habe, der ſcharf begrenzt geweſen wäre. Regen-
güſſe und Ueberſchwemmungen wandeln die Erdoberfläche um,
und wenn zahlreiche Lavaſtröme ſich vereinigen und über eine
Ebene ergießen, wie ich es am Veſuv im Atrio dei Cavalli
geſehen, ſo verſchmelzen ſie ineinander und nehmen das An-
ſehen wirklich geſchichteter Bildungen an.

Villa de Orotava macht ſchon von weitem einen guten
Eindruck durch die Fülle der Gewäſſer, die auf den Ort zu-
eilen und durch die Hauptſtraßen fließen. Die Quelle Aqua
mansa,
in zwei großen Becken gefaßt, treibt mehrere Mühlen
und wird dann in die Weingärten des anliegenden Geländes
geleitet. Das Klima in der Villa iſt noch kühler als am
Hafen, da dort von morgens zehn Uhr an ein ſtarker Wind
weht. Das Waſſer, das ſich bei höherer Temperatur in der
Luft aufgelöſt hat, ſchlägt ſich häufig nieder, und dadurch wird
das Klima ſehr neblig. Die Villa liegt etwa 312 m über
dem Meere, alſo 390 m niedriger als Laguna; man bemerkt
auch, daß dieſelben Pflanzen an letzterem Orte einen Monat
ſpäter blühen.

Orotava, das alte Taoro der Guanchen, liegt am ſteilen
Abhang eines Hügels; die Straßen ſchienen uns öde, die
Häuſer, ſolid gebaut, aber trübſelig anzuſehen, gehören faſt
durchaus einem Adel, der für ſehr ſtolz gilt und ſich ſelbſt
anſpruchsvoll als dozo casas bezeichnet. Wir kamen an einer
ſehr hohen, mit einer Menge ſchöner Farne bewachſenen Waſſer-
leitung vorüber. Wir beſuchten mehrere Gärten, in denen
die Obſtbäume des nördlichen Europas neben Orangen, Granat-
bäumen und Dattelpalmen ſtehen. Man verſicherte uns,
letztere tragen hier ſo wenig Früchte als in Terra Firma an
der Küſte von Cumana. Obgleich wir den Drachenbaum in
Herrn Franquis Garten aus Reiſeberichten kannten, ſo ſetzte
uns ſeine ungeheure Dicke dennoch in Erſtaunen. Man be-
hauptet, der Stamm dieſes Baumes, der in mehreren ſehr
alten Urkunden erwähnt wird, weil er als Grenzmarke eines
Feldes diente, ſei ſchon im 15. Jahrhundert ſo ungeheuer dick
geweſen wie jetzt. Seine Höhe ſchätzten wir auf 16 bis 19,5 m;
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[73/0089] hinzudeuten, daß eine elaſtiſche Flüſſigkeit durch die geſchmol- zene Materie durchgegangen iſt. Trotz dieſen Uebereinſtim- mungen muß ich noch einmal bemerken, daß ich in der ganzen unteren Region des Piks von Tenerifa auf der Seite gegen Orotava keinen Lavaſtrom, überhaupt keinen vulkaniſchen Aus- bruch geſehen habe, der ſcharf begrenzt geweſen wäre. Regen- güſſe und Ueberſchwemmungen wandeln die Erdoberfläche um, und wenn zahlreiche Lavaſtröme ſich vereinigen und über eine Ebene ergießen, wie ich es am Veſuv im Atrio dei Cavalli geſehen, ſo verſchmelzen ſie ineinander und nehmen das An- ſehen wirklich geſchichteter Bildungen an. Villa de Orotava macht ſchon von weitem einen guten Eindruck durch die Fülle der Gewäſſer, die auf den Ort zu- eilen und durch die Hauptſtraßen fließen. Die Quelle Aqua mansa, in zwei großen Becken gefaßt, treibt mehrere Mühlen und wird dann in die Weingärten des anliegenden Geländes geleitet. Das Klima in der Villa iſt noch kühler als am Hafen, da dort von morgens zehn Uhr an ein ſtarker Wind weht. Das Waſſer, das ſich bei höherer Temperatur in der Luft aufgelöſt hat, ſchlägt ſich häufig nieder, und dadurch wird das Klima ſehr neblig. Die Villa liegt etwa 312 m über dem Meere, alſo 390 m niedriger als Laguna; man bemerkt auch, daß dieſelben Pflanzen an letzterem Orte einen Monat ſpäter blühen. Orotava, das alte Taoro der Guanchen, liegt am ſteilen Abhang eines Hügels; die Straßen ſchienen uns öde, die Häuſer, ſolid gebaut, aber trübſelig anzuſehen, gehören faſt durchaus einem Adel, der für ſehr ſtolz gilt und ſich ſelbſt anſpruchsvoll als dozo casas bezeichnet. Wir kamen an einer ſehr hohen, mit einer Menge ſchöner Farne bewachſenen Waſſer- leitung vorüber. Wir beſuchten mehrere Gärten, in denen die Obſtbäume des nördlichen Europas neben Orangen, Granat- bäumen und Dattelpalmen ſtehen. Man verſicherte uns, letztere tragen hier ſo wenig Früchte als in Terra Firma an der Küſte von Cumana. Obgleich wir den Drachenbaum in Herrn Franquis Garten aus Reiſeberichten kannten, ſo ſetzte uns ſeine ungeheure Dicke dennoch in Erſtaunen. Man be- hauptet, der Stamm dieſes Baumes, der in mehreren ſehr alten Urkunden erwähnt wird, weil er als Grenzmarke eines Feldes diente, ſei ſchon im 15. Jahrhundert ſo ungeheuer dick geweſen wie jetzt. Seine Höhe ſchätzten wir auf 16 bis 19,5 m; ſein Umfang nahe über den Wurzeln beträgt 14,6 m. Weiter

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/89>, abgerufen am 24.11.2024.