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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Gesicht und Hände voll dieser haarigen Bienen saßen. Unsere
Führer versicherten, sie setzen sich nur zur Wehr, wenn man
sie durch Anfassen der Füße reize. Ich fühlte mich nicht
aufgelegt, den Versuch an mir selbst zu machen.

Die Lufttemperatur auf der Silla schwankte zwischen
11 und 14°, je nachdem die Luft still war oder der Wind
blies. Bekanntlich ist es sehr schwer, auf Berggipfeln die
Temperatur zu bestimmen, nach der man die Barometerhöhe
zu berechnen hat. Der Wind kam aus Ost, und dies scheint
zu beweisen, daß der Seewind oder die Passatwinde in dieser
Breite weit über 2920 m hinaufreichen. Leopold von Buch
hat die Beobachtung gemacht, daß auf dem Pik von Tenerifa,
nahe an der nördlichen Grenze der Passatwinde, in 3700 m
Meereshöhe, meist ein Gegenwind (vent de remou), der
Westwind, herrscht. Die Pariser Akademie der Wissenschaften
hatte die Physiker, welche den unglücklichen La Peyrouse be-
gleiteten, aufgefordert, zur See unter den Tropen mittels
kleiner Luftballons zu beobachten, wie weit die Passate hinauf-
reichen. Dergleichen Untersuchungen sind sehr schwierig, wenn
der Beobachter an der Erdoberfläche bleibt. Die kleinen
Ballons steigen meist nicht so hoch als die Silla, und das leichte
Gewölk, das sich zuweilen in 5850 bis 7800 m Höhe zeigt, wie
z. B. die sogenannten Schäfchen, stehen still oder rücken so
langsam fort, daß sich ihre Richtung nicht bestimmen läßt.

Während der kurzen Zeit, wo der Himmel im Zenith
klar war, fand ich das Blau der Luft um ein Bedeutendes
dunkler als an der Küste. Es war gleich 26,5° des Saussure-
schen Kyanometers. In Caracas zeigte dasselbe Instrument
bei hellem, trockenem Wetter meist nur 18°. Wahrscheinlich
ist in den Monaten Juli und August der Unterschied in dieser
Beziehung zwischen der Küste und dem Gipfel der Silla noch
viel bedeutender. Was aber unter allen meteorologischen Er-
scheinungen in der Stunde, die wir auf dem Berge zubrach-
ten, Bonpland und mich am meisten überraschte, war die an-
scheinende Trockenheit der Luft, die mit der Entwickelung des
Nebels noch zuzunehmen schien. Als ich den (Delucschen)
Fischbeinhygrometer aus dem Kasten nahm, um damit zu
experimentieren, zeigte er 52° (87° nach Saussure). Der
Himmel war hell; aber Dunststreifen mit deutlichen Umrissen
zogen von Zeit zu Zeit zwischen uns durch am Boden weg. Der
Delucsche Hygrometer ging auf 49° (85° nach Saussure) zu-
rück. Eine halbe Stunde später hüllte eine dicke Wolke uns

Geſicht und Hände voll dieſer haarigen Bienen ſaßen. Unſere
Führer verſicherten, ſie ſetzen ſich nur zur Wehr, wenn man
ſie durch Anfaſſen der Füße reize. Ich fühlte mich nicht
aufgelegt, den Verſuch an mir ſelbſt zu machen.

Die Lufttemperatur auf der Silla ſchwankte zwiſchen
11 und 14°, je nachdem die Luft ſtill war oder der Wind
blies. Bekanntlich iſt es ſehr ſchwer, auf Berggipfeln die
Temperatur zu beſtimmen, nach der man die Barometerhöhe
zu berechnen hat. Der Wind kam aus Oſt, und dies ſcheint
zu beweiſen, daß der Seewind oder die Paſſatwinde in dieſer
Breite weit über 2920 m hinaufreichen. Leopold von Buch
hat die Beobachtung gemacht, daß auf dem Pik von Tenerifa,
nahe an der nördlichen Grenze der Paſſatwinde, in 3700 m
Meereshöhe, meiſt ein Gegenwind (vent de remou), der
Weſtwind, herrſcht. Die Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften
hatte die Phyſiker, welche den unglücklichen La Peyrouſe be-
gleiteten, aufgefordert, zur See unter den Tropen mittels
kleiner Luftballons zu beobachten, wie weit die Paſſate hinauf-
reichen. Dergleichen Unterſuchungen ſind ſehr ſchwierig, wenn
der Beobachter an der Erdoberfläche bleibt. Die kleinen
Ballons ſteigen meiſt nicht ſo hoch als die Silla, und das leichte
Gewölk, das ſich zuweilen in 5850 bis 7800 m Höhe zeigt, wie
z. B. die ſogenannten Schäfchen, ſtehen ſtill oder rücken ſo
langſam fort, daß ſich ihre Richtung nicht beſtimmen läßt.

Während der kurzen Zeit, wo der Himmel im Zenith
klar war, fand ich das Blau der Luft um ein Bedeutendes
dunkler als an der Küſte. Es war gleich 26,5° des Sauſſure-
ſchen Kyanometers. In Caracas zeigte dasſelbe Inſtrument
bei hellem, trockenem Wetter meiſt nur 18°. Wahrſcheinlich
iſt in den Monaten Juli und Auguſt der Unterſchied in dieſer
Beziehung zwiſchen der Küſte und dem Gipfel der Silla noch
viel bedeutender. Was aber unter allen meteorologiſchen Er-
ſcheinungen in der Stunde, die wir auf dem Berge zubrach-
ten, Bonpland und mich am meiſten überraſchte, war die an-
ſcheinende Trockenheit der Luft, die mit der Entwickelung des
Nebels noch zuzunehmen ſchien. Als ich den (Delucſchen)
Fiſchbeinhygrometer aus dem Kaſten nahm, um damit zu
experimentieren, zeigte er 52° (87° nach Sauſſure). Der
Himmel war hell; aber Dunſtſtreifen mit deutlichen Umriſſen
zogen von Zeit zu Zeit zwiſchen uns durch am Boden weg. Der
Delucſche Hygrometer ging auf 49° (85° nach Sauſſure) zu-
rück. Eine halbe Stunde ſpäter hüllte eine dicke Wolke uns

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[143/0151] Geſicht und Hände voll dieſer haarigen Bienen ſaßen. Unſere Führer verſicherten, ſie ſetzen ſich nur zur Wehr, wenn man ſie durch Anfaſſen der Füße reize. Ich fühlte mich nicht aufgelegt, den Verſuch an mir ſelbſt zu machen. Die Lufttemperatur auf der Silla ſchwankte zwiſchen 11 und 14°, je nachdem die Luft ſtill war oder der Wind blies. Bekanntlich iſt es ſehr ſchwer, auf Berggipfeln die Temperatur zu beſtimmen, nach der man die Barometerhöhe zu berechnen hat. Der Wind kam aus Oſt, und dies ſcheint zu beweiſen, daß der Seewind oder die Paſſatwinde in dieſer Breite weit über 2920 m hinaufreichen. Leopold von Buch hat die Beobachtung gemacht, daß auf dem Pik von Tenerifa, nahe an der nördlichen Grenze der Paſſatwinde, in 3700 m Meereshöhe, meiſt ein Gegenwind (vent de remou), der Weſtwind, herrſcht. Die Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften hatte die Phyſiker, welche den unglücklichen La Peyrouſe be- gleiteten, aufgefordert, zur See unter den Tropen mittels kleiner Luftballons zu beobachten, wie weit die Paſſate hinauf- reichen. Dergleichen Unterſuchungen ſind ſehr ſchwierig, wenn der Beobachter an der Erdoberfläche bleibt. Die kleinen Ballons ſteigen meiſt nicht ſo hoch als die Silla, und das leichte Gewölk, das ſich zuweilen in 5850 bis 7800 m Höhe zeigt, wie z. B. die ſogenannten Schäfchen, ſtehen ſtill oder rücken ſo langſam fort, daß ſich ihre Richtung nicht beſtimmen läßt. Während der kurzen Zeit, wo der Himmel im Zenith klar war, fand ich das Blau der Luft um ein Bedeutendes dunkler als an der Küſte. Es war gleich 26,5° des Sauſſure- ſchen Kyanometers. In Caracas zeigte dasſelbe Inſtrument bei hellem, trockenem Wetter meiſt nur 18°. Wahrſcheinlich iſt in den Monaten Juli und Auguſt der Unterſchied in dieſer Beziehung zwiſchen der Küſte und dem Gipfel der Silla noch viel bedeutender. Was aber unter allen meteorologiſchen Er- ſcheinungen in der Stunde, die wir auf dem Berge zubrach- ten, Bonpland und mich am meiſten überraſchte, war die an- ſcheinende Trockenheit der Luft, die mit der Entwickelung des Nebels noch zuzunehmen ſchien. Als ich den (Delucſchen) Fiſchbeinhygrometer aus dem Kaſten nahm, um damit zu experimentieren, zeigte er 52° (87° nach Sauſſure). Der Himmel war hell; aber Dunſtſtreifen mit deutlichen Umriſſen zogen von Zeit zu Zeit zwiſchen uns durch am Boden weg. Der Delucſche Hygrometer ging auf 49° (85° nach Sauſſure) zu- rück. Eine halbe Stunde ſpäter hüllte eine dicke Wolke uns

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/151>, abgerufen am 21.11.2024.