Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.den; auf dem neuen findet man eine erstaunliche Mannig- Die Indianer in den Missionen treiben sämtlich Acker- Es gibt in den Missionen nur wenige Dörfer, wo die den; auf dem neuen findet man eine erſtaunliche Mannig- Die Indianer in den Miſſionen treiben ſämtlich Acker- Es gibt in den Miſſionen nur wenige Dörfer, wo die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0017" n="9"/> den; auf dem neuen findet man eine erſtaunliche Mannig-<lb/> faltigkeit von Sprachen bei Völkern desſelben Urſprungs, die<lb/> der Reiſende nach ihrer Körperlichkeit kaum zu unterſcheiden<lb/> vermag; in der Alten Welt dagegen ſprechen körperlich un-<lb/> gemein verſchiedene Völker, Lappen, Finnen und Eſthen, die<lb/> germaniſchen Völker und die Hindu, die Perſer und die Kurden<lb/> Sprachen, die im Bau und in den Wurzeln die größte Aehn-<lb/> lichkeit miteinander haben.</p><lb/> <p>Die Indianer in den Miſſionen treiben ſämtlich Acker-<lb/> bau, und mit Ausnahme derer, die in den hohen Gebirgen<lb/> leben, bauen alle dieſelben Gewächſe; ihre Hütten ſtehen am<lb/> einen Orte in Reihen wie am anderen; die Einteilung ihres<lb/> Tagewerkes, ihre Arbeit im Gemeindeconuco, ihr Verhältnis<lb/> zu den Miſſionären und den aus ihrer Mitte gewählten Be-<lb/> amten, alles iſt nach Vorſchriften geordnet, die überall gelten.<lb/> Und dennoch — und dies iſt eine höchſt merkwürdige Beobach-<lb/> tung in der Geſchichte der Völker — war dieſe große Gleich-<lb/> förmigkeit der Lebensweiſe nicht imſtande die individuellen<lb/> Züge, die Schattierungen, durch welche ſich die amerikaniſchen<lb/> Völkerſchaften unterſcheiden, zu verwiſchen. Der Menſch mit<lb/> kupferfarbiger Haut zeigt eine geiſtige Starrheit, ein zähes<lb/> Feſthalten an den bei jedem Stamme wieder anders gefärbten<lb/> Sitten und Gebräuchen, das der ganzen Raſſe recht eigentlich<lb/> den Stempel aufdrückt. Dieſen Charakterzügen begegnet man<lb/> unter allen Himmelsſtrichen vom Aequator bis zur Hudſons-<lb/> bai und bis zur Magelhaensſchen Meerenge; ſie ſind bedingt<lb/> durch die phyſiſche Organiſation der Eingeborenen, aber die<lb/> mönchiſche Zucht leiſtet ihnen weſentlich Vorſchub.</p><lb/> <p>Es gibt in den Miſſionen nur wenige Dörfer, wo die<lb/> Familien verſchiedenen Völkerſchaften angehören und nicht<lb/> dieſelbe Sprache reden. Aus ſo verſchiedenartigen Elementen<lb/> beſtehende Gemeinheiten ſind ſchwer zu regieren. Meiſt haben<lb/> die Mönche ganze Nationen oder doch bedeutende Stücke<lb/> derſelben Nation in nahe bei einander gelegenen Dörfern<lb/> untergebracht. Die Eingeborenen ſehen nur Leute ihres eigenen<lb/> Stammes; denn Hemmung des Verkehres, Vereinzelung, das<lb/> iſt ein Hauptartikel in der Staatskunſt der Miſſionäre. Bei<lb/> den unterworfenen Chaymas, Kariben, Tamanacas erhalten<lb/> ſich die nationalen Eigentümlichkeiten um ſo mehr, da ſie auch<lb/> noch ihre Sprachen beſitzen. Wenn ſich die Individualität<lb/> des Menſchen in den Mundarten gleichſam abſpiegelt, ſo<lb/> wirken dieſe wieder auf Gedanken und Empfindung zurück.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0017]
den; auf dem neuen findet man eine erſtaunliche Mannig-
faltigkeit von Sprachen bei Völkern desſelben Urſprungs, die
der Reiſende nach ihrer Körperlichkeit kaum zu unterſcheiden
vermag; in der Alten Welt dagegen ſprechen körperlich un-
gemein verſchiedene Völker, Lappen, Finnen und Eſthen, die
germaniſchen Völker und die Hindu, die Perſer und die Kurden
Sprachen, die im Bau und in den Wurzeln die größte Aehn-
lichkeit miteinander haben.
Die Indianer in den Miſſionen treiben ſämtlich Acker-
bau, und mit Ausnahme derer, die in den hohen Gebirgen
leben, bauen alle dieſelben Gewächſe; ihre Hütten ſtehen am
einen Orte in Reihen wie am anderen; die Einteilung ihres
Tagewerkes, ihre Arbeit im Gemeindeconuco, ihr Verhältnis
zu den Miſſionären und den aus ihrer Mitte gewählten Be-
amten, alles iſt nach Vorſchriften geordnet, die überall gelten.
Und dennoch — und dies iſt eine höchſt merkwürdige Beobach-
tung in der Geſchichte der Völker — war dieſe große Gleich-
förmigkeit der Lebensweiſe nicht imſtande die individuellen
Züge, die Schattierungen, durch welche ſich die amerikaniſchen
Völkerſchaften unterſcheiden, zu verwiſchen. Der Menſch mit
kupferfarbiger Haut zeigt eine geiſtige Starrheit, ein zähes
Feſthalten an den bei jedem Stamme wieder anders gefärbten
Sitten und Gebräuchen, das der ganzen Raſſe recht eigentlich
den Stempel aufdrückt. Dieſen Charakterzügen begegnet man
unter allen Himmelsſtrichen vom Aequator bis zur Hudſons-
bai und bis zur Magelhaensſchen Meerenge; ſie ſind bedingt
durch die phyſiſche Organiſation der Eingeborenen, aber die
mönchiſche Zucht leiſtet ihnen weſentlich Vorſchub.
Es gibt in den Miſſionen nur wenige Dörfer, wo die
Familien verſchiedenen Völkerſchaften angehören und nicht
dieſelbe Sprache reden. Aus ſo verſchiedenartigen Elementen
beſtehende Gemeinheiten ſind ſchwer zu regieren. Meiſt haben
die Mönche ganze Nationen oder doch bedeutende Stücke
derſelben Nation in nahe bei einander gelegenen Dörfern
untergebracht. Die Eingeborenen ſehen nur Leute ihres eigenen
Stammes; denn Hemmung des Verkehres, Vereinzelung, das
iſt ein Hauptartikel in der Staatskunſt der Miſſionäre. Bei
den unterworfenen Chaymas, Kariben, Tamanacas erhalten
ſich die nationalen Eigentümlichkeiten um ſo mehr, da ſie auch
noch ihre Sprachen beſitzen. Wenn ſich die Individualität
des Menſchen in den Mundarten gleichſam abſpiegelt, ſo
wirken dieſe wieder auf Gedanken und Empfindung zurück.
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