übrigen Völkerschaften sind die Chaymas in den Bergen von Caripe, die Kariben auf den südlichen Savannen von Neu- barcelona und die Cumanagoten in den Missionen von Piritu die zahlreichsten. Einige Familien Guaraunen sind auf dem linken Ufer des Orinoko, da wo das Delta beginnt, der Missionszucht unterworfen worden. Die Sprachen der Gua- raunen, Kariben, Cumanagoten und Chaymas sind die ver- breitetsten. Wir werden bald sehen, daß sie demselben Sprach- stamme anzugehören scheinen und in ihren grammatischen For- men so nahe verwandt sind, wie, um bekanntere Sprachen zur Vergleichung herbeizuziehen, das Griechische, Deutsche, Persische und Sanskrit.
Trotz dieser Verwandtschaft sind die Chaymas, Guarau- nen, Kariben, Quaqua, Aruaken und Cumanagoten als verschiedene Völker zu betrachten. Von den Guaikeri, Paria- goten, Piritu, Tomuzen und Chacopoten wage ich nicht das Gleiche zu behaupten. Die Guaikeri geben selbst zu, daß ihre Sprache und die der Guaraunen einander nahe stehen. Beide sind Küstenvölker, wie die Malaien in der Alten Welt. Was die Stämme betrifft, die gegenwärtig die Mundarten der Cumanagoten, Kariben und Chaymas haben, so läßt sich über ihre ursprüngliche Abstammung und ihr Verhältnis zu anderen, ehemals mächtigeren Völkern schwer etwas aussagen. Der Geschichtschreiber der Eroberung, wie die Geistlichen, welche die Entwickelung der Missionen be- schrieben haben, verwechseln, nach der Weise der Alten, immer geographische Bezeichnungen mit Stammnamen. Sie sprechen von Indianern von Cumana und von der Küste von Paria, als ob die Nachbarschaft der Wohnsitze gleiche Abstammung bewiese. Meist benennen sie sogar die Stämme nach ihren Häuptlingen, nach dem Berg oder dem Thale, die sie bewohnen. Dadurch häuft sich die Zahl der Völkerschaften ins Unend- liche und werden alle Angaben der Missionäre über die un- gleichartigen Elemente in der Bevölkerung ihrer Missionen in hohem Grade schwankend. Wie will man jetzt ausmachen, ob der Tomuze und der Piritu verschiedener Abstammung sind, da beide cumanagotisch sprechen, was im westlichen Teile des Govierno de Cumana die herrschende Sprache ist, wie die der Kariben und der Chaymas im südlichen und östlichen? Durch die große Uebereinstimmung in der Körperbildung werden Untersuchungen derart sehr schwierig. Die beiden Kontinente verhalten sich in dieser Beziehung völlig verschie-
übrigen Völkerſchaften ſind die Chaymas in den Bergen von Caripe, die Kariben auf den ſüdlichen Savannen von Neu- barcelona und die Cumanagoten in den Miſſionen von Piritu die zahlreichſten. Einige Familien Guaraunen ſind auf dem linken Ufer des Orinoko, da wo das Delta beginnt, der Miſſionszucht unterworfen worden. Die Sprachen der Gua- raunen, Kariben, Cumanagoten und Chaymas ſind die ver- breitetſten. Wir werden bald ſehen, daß ſie demſelben Sprach- ſtamme anzugehören ſcheinen und in ihren grammatiſchen For- men ſo nahe verwandt ſind, wie, um bekanntere Sprachen zur Vergleichung herbeizuziehen, das Griechiſche, Deutſche, Perſiſche und Sanskrit.
Trotz dieſer Verwandtſchaft ſind die Chaymas, Guarau- nen, Kariben, Quaqua, Aruaken und Cumanagoten als verſchiedene Völker zu betrachten. Von den Guaikeri, Paria- goten, Piritu, Tomuzen und Chacopoten wage ich nicht das Gleiche zu behaupten. Die Guaikeri geben ſelbſt zu, daß ihre Sprache und die der Guaraunen einander nahe ſtehen. Beide ſind Küſtenvölker, wie die Malaien in der Alten Welt. Was die Stämme betrifft, die gegenwärtig die Mundarten der Cumanagoten, Kariben und Chaymas haben, ſo läßt ſich über ihre urſprüngliche Abſtammung und ihr Verhältnis zu anderen, ehemals mächtigeren Völkern ſchwer etwas ausſagen. Der Geſchichtſchreiber der Eroberung, wie die Geiſtlichen, welche die Entwickelung der Miſſionen be- ſchrieben haben, verwechſeln, nach der Weiſe der Alten, immer geographiſche Bezeichnungen mit Stammnamen. Sie ſprechen von Indianern von Cumana und von der Küſte von Paria, als ob die Nachbarſchaft der Wohnſitze gleiche Abſtammung bewieſe. Meiſt benennen ſie ſogar die Stämme nach ihren Häuptlingen, nach dem Berg oder dem Thale, die ſie bewohnen. Dadurch häuft ſich die Zahl der Völkerſchaften ins Unend- liche und werden alle Angaben der Miſſionäre über die un- gleichartigen Elemente in der Bevölkerung ihrer Miſſionen in hohem Grade ſchwankend. Wie will man jetzt ausmachen, ob der Tomuze und der Piritu verſchiedener Abſtammung ſind, da beide cumanagotiſch ſprechen, was im weſtlichen Teile des Govierno de Cumana die herrſchende Sprache iſt, wie die der Kariben und der Chaymas im ſüdlichen und öſtlichen? Durch die große Uebereinſtimmung in der Körperbildung werden Unterſuchungen derart ſehr ſchwierig. Die beiden Kontinente verhalten ſich in dieſer Beziehung völlig verſchie-
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[8/0016]
übrigen Völkerſchaften ſind die Chaymas in den Bergen von
Caripe, die Kariben auf den ſüdlichen Savannen von Neu-
barcelona und die Cumanagoten in den Miſſionen von Piritu
die zahlreichſten. Einige Familien Guaraunen ſind auf dem
linken Ufer des Orinoko, da wo das Delta beginnt, der
Miſſionszucht unterworfen worden. Die Sprachen der Gua-
raunen, Kariben, Cumanagoten und Chaymas ſind die ver-
breitetſten. Wir werden bald ſehen, daß ſie demſelben Sprach-
ſtamme anzugehören ſcheinen und in ihren grammatiſchen For-
men ſo nahe verwandt ſind, wie, um bekanntere Sprachen
zur Vergleichung herbeizuziehen, das Griechiſche, Deutſche,
Perſiſche und Sanskrit.
Trotz dieſer Verwandtſchaft ſind die Chaymas, Guarau-
nen, Kariben, Quaqua, Aruaken und Cumanagoten als
verſchiedene Völker zu betrachten. Von den Guaikeri, Paria-
goten, Piritu, Tomuzen und Chacopoten wage ich nicht
das Gleiche zu behaupten. Die Guaikeri geben ſelbſt zu,
daß ihre Sprache und die der Guaraunen einander nahe
ſtehen. Beide ſind Küſtenvölker, wie die Malaien in der
Alten Welt. Was die Stämme betrifft, die gegenwärtig die
Mundarten der Cumanagoten, Kariben und Chaymas haben,
ſo läßt ſich über ihre urſprüngliche Abſtammung und ihr
Verhältnis zu anderen, ehemals mächtigeren Völkern ſchwer
etwas ausſagen. Der Geſchichtſchreiber der Eroberung, wie
die Geiſtlichen, welche die Entwickelung der Miſſionen be-
ſchrieben haben, verwechſeln, nach der Weiſe der Alten, immer
geographiſche Bezeichnungen mit Stammnamen. Sie ſprechen
von Indianern von Cumana und von der Küſte von Paria,
als ob die Nachbarſchaft der Wohnſitze gleiche Abſtammung
bewieſe. Meiſt benennen ſie ſogar die Stämme nach ihren
Häuptlingen, nach dem Berg oder dem Thale, die ſie bewohnen.
Dadurch häuft ſich die Zahl der Völkerſchaften ins Unend-
liche und werden alle Angaben der Miſſionäre über die un-
gleichartigen Elemente in der Bevölkerung ihrer Miſſionen
in hohem Grade ſchwankend. Wie will man jetzt ausmachen,
ob der Tomuze und der Piritu verſchiedener Abſtammung
ſind, da beide cumanagotiſch ſprechen, was im weſtlichen Teile
des Govierno de Cumana die herrſchende Sprache iſt, wie
die der Kariben und der Chaymas im ſüdlichen und öſtlichen?
Durch die große Uebereinſtimmung in der Körperbildung
werden Unterſuchungen derart ſehr ſchwierig. Die beiden
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/16>, abgerufen am 16.07.2024.
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