Rechnet man dazu 2 bis 2,5 Millionen von Isle de France und der Insel Bourbon, und 15 Millionen aus Arabien und Java, so ergibt sich, daß der Gesamtverbrauch von Europa im Jahre 1819 auf etwa 70000000 kg gestiegen sein mag. Bei meinen Untersuchungen über die Kolonialwaren im Jahre 1810 1 habe ich eine geringere Zahl angenommen. Bei diesem ungeheuren Kaffeeverbrauche hat der Verbrauch von Thee keineswegs abgenommen, vielmehr ist die Ausfuhr aus China in den letzten fünfzehn Jahren um mehr als ein Vier- teil stärker geworden. Im gebirgigen Teile der Provinzen Caracas und Cumana könnte Thee so gut gebaut werden als Kaffee. Man findet dort alle Klimate wie in Stockwerken übereinander, und dieser neue Kulturzweig würde ebensogut gedeihen, wie in der südlichen Halbkugel, wo in Brasilien unter einer Regierung, die großsinnig die Industrie und die religiöse Duldung in ihren Schutz nimmt, der Thee, die Chinesen und Fos Glaubenssätze zumal eingewandert sind. Noch sind es nicht hundert Jahre her, seit in Surinam und auf den Antillen die ersten Kaffeebäume gepflanzt wurden, und bereits hat der Ertrag der amerikanischen Ernte einen Wert von 15 Millionen Piastern, den Zentner Kaffee nur zu 14 Piastern gerechnet.
Am 8. Februar bei Sonnenaufgang brachen wir auf, um über den Higuerote zu gehen, einen hohen Gebirgszug zwischen den beiden Längenthälern von Caracas und Aragua. Nach- dem wir bei Las Ajuntas, wo die kleinen Flüsse San Pedro und Macarao sich zum Guayre vereinigen, über das Wasser gegangen waren, ging es an steilem Berghange hinauf zur Hochebene von Buenavista, wo ein paar einzelne Häuser stehen. Man sieht hier gegen Nordost bis zur Stadt Caracas, gegen Süd bis zum Dorfe Los Teques. Die Gegend ist wild und waldreich. Die Pflanzen des Thales von Caracas waren nach und nach ausgeblieben. Wir befanden uns in 1627 m Meereshöhe, also fast so hoch als Popayan, aber die mittlere Temperatur ist schwerlich höher als 17 bis 18°. Die Straße über diese Berge ist sehr belebt; jeden Augenblick be- gegnet man langen Zügen von Maultieren und Ochsen; es ist die große Straße von der Hauptstadt nach Victoria und
1 S. Humboldt, Essay politique sur le Mexique. T. II, p. 435.
Rechnet man dazu 2 bis 2,5 Millionen von Isle de France und der Inſel Bourbon, und 15 Millionen aus Arabien und Java, ſo ergibt ſich, daß der Geſamtverbrauch von Europa im Jahre 1819 auf etwa 70000000 kg geſtiegen ſein mag. Bei meinen Unterſuchungen über die Kolonialwaren im Jahre 1810 1 habe ich eine geringere Zahl angenommen. Bei dieſem ungeheuren Kaffeeverbrauche hat der Verbrauch von Thee keineswegs abgenommen, vielmehr iſt die Ausfuhr aus China in den letzten fünfzehn Jahren um mehr als ein Vier- teil ſtärker geworden. Im gebirgigen Teile der Provinzen Caracas und Cumana könnte Thee ſo gut gebaut werden als Kaffee. Man findet dort alle Klimate wie in Stockwerken übereinander, und dieſer neue Kulturzweig würde ebenſogut gedeihen, wie in der ſüdlichen Halbkugel, wo in Braſilien unter einer Regierung, die großſinnig die Induſtrie und die religiöſe Duldung in ihren Schutz nimmt, der Thee, die Chineſen und Fos Glaubensſätze zumal eingewandert ſind. Noch ſind es nicht hundert Jahre her, ſeit in Surinam und auf den Antillen die erſten Kaffeebäume gepflanzt wurden, und bereits hat der Ertrag der amerikaniſchen Ernte einen Wert von 15 Millionen Piaſtern, den Zentner Kaffee nur zu 14 Piaſtern gerechnet.
Am 8. Februar bei Sonnenaufgang brachen wir auf, um über den Higuerote zu gehen, einen hohen Gebirgszug zwiſchen den beiden Längenthälern von Caracas und Aragua. Nach- dem wir bei Las Ajuntas, wo die kleinen Flüſſe San Pedro und Macarao ſich zum Guayre vereinigen, über das Waſſer gegangen waren, ging es an ſteilem Berghange hinauf zur Hochebene von Buenaviſta, wo ein paar einzelne Häuſer ſtehen. Man ſieht hier gegen Nordoſt bis zur Stadt Caracas, gegen Süd bis zum Dorfe Los Teques. Die Gegend iſt wild und waldreich. Die Pflanzen des Thales von Caracas waren nach und nach ausgeblieben. Wir befanden uns in 1627 m Meereshöhe, alſo faſt ſo hoch als Popayan, aber die mittlere Temperatur iſt ſchwerlich höher als 17 bis 18°. Die Straße über dieſe Berge iſt ſehr belebt; jeden Augenblick be- gegnet man langen Zügen von Maultieren und Ochſen; es iſt die große Straße von der Hauptſtadt nach Victoria und
1 S. Humboldt, Essay politique sur le Mexique. T. II, p. 435.
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[174/0182]
Rechnet man dazu 2 bis 2,5 Millionen von Isle de France
und der Inſel Bourbon, und 15 Millionen aus Arabien und
Java, ſo ergibt ſich, daß der Geſamtverbrauch von Europa
im Jahre 1819 auf etwa 70000000 kg geſtiegen ſein
mag. Bei meinen Unterſuchungen über die Kolonialwaren im
Jahre 1810 1 habe ich eine geringere Zahl angenommen. Bei
dieſem ungeheuren Kaffeeverbrauche hat der Verbrauch von
Thee keineswegs abgenommen, vielmehr iſt die Ausfuhr aus
China in den letzten fünfzehn Jahren um mehr als ein Vier-
teil ſtärker geworden. Im gebirgigen Teile der Provinzen
Caracas und Cumana könnte Thee ſo gut gebaut werden als
Kaffee. Man findet dort alle Klimate wie in Stockwerken
übereinander, und dieſer neue Kulturzweig würde ebenſogut
gedeihen, wie in der ſüdlichen Halbkugel, wo in Braſilien
unter einer Regierung, die großſinnig die Induſtrie und die
religiöſe Duldung in ihren Schutz nimmt, der Thee, die
Chineſen und Fos Glaubensſätze zumal eingewandert ſind.
Noch ſind es nicht hundert Jahre her, ſeit in Surinam und
auf den Antillen die erſten Kaffeebäume gepflanzt wurden,
und bereits hat der Ertrag der amerikaniſchen Ernte einen
Wert von 15 Millionen Piaſtern, den Zentner Kaffee nur
zu 14 Piaſtern gerechnet.
Am 8. Februar bei Sonnenaufgang brachen wir auf, um
über den Higuerote zu gehen, einen hohen Gebirgszug zwiſchen
den beiden Längenthälern von Caracas und Aragua. Nach-
dem wir bei Las Ajuntas, wo die kleinen Flüſſe San Pedro
und Macarao ſich zum Guayre vereinigen, über das Waſſer
gegangen waren, ging es an ſteilem Berghange hinauf zur
Hochebene von Buenaviſta, wo ein paar einzelne Häuſer
ſtehen. Man ſieht hier gegen Nordoſt bis zur Stadt Caracas,
gegen Süd bis zum Dorfe Los Teques. Die Gegend iſt
wild und waldreich. Die Pflanzen des Thales von Caracas
waren nach und nach ausgeblieben. Wir befanden uns in
1627 m Meereshöhe, alſo faſt ſo hoch als Popayan, aber die
mittlere Temperatur iſt ſchwerlich höher als 17 bis 18°. Die
Straße über dieſe Berge iſt ſehr belebt; jeden Augenblick be-
gegnet man langen Zügen von Maultieren und Ochſen; es
iſt die große Straße von der Hauptſtadt nach Victoria und
1 S. Humboldt, Essay politique sur le Mexique. T. II,
p. 435.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/182>, abgerufen am 16.07.2024.
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