der Morgen in der Regel 1500 bis 1600 kg Weizen, also, wie in Buenos Ayres, zwei bis dreimal mehr als in den nördlichen Ländern. Man erntet etwa das 16. Korn, während der Boden von Frankreich, nach Lavoisiers Untersuchungen, im Durchschnitt nur das 5. bis 6., 500 bis 600 kg auf den Morgen trägt. Trotz dieser Fruchtbarkeit des Bodens und des günstigen Klimas ist der Zuckerbau in den Thälern von Aragua einträglicher als der Getreidebau.
Durch Victoria läuft der kleine Rio Calanchas, der sich nicht in den Tuy, sondern in den Rio Aragua ergießt, wor- aus hervorgeht, daß dieses schöne Land, wo Zuckerrohr und Weizen nebeneinander wachsen, bereits zum Becken des Sees von Valencia gehört, zu einem System von Binnenflüssen, die mit der See nicht in Verbindung stehen. Der Stadtteil westlich vom Rio Calanchas heißt La otra banda und ist der gewerbsamste. Ueberall sieht man Waren ausgestellt, und die Straßen bestehen aus Budenreihen. Zwei Handelsstraßen laufen durch Victoria, die von Valencia oder Porto Cabello und die von Villa de Cura oder den Ebenen her, Camino de los Llanos genannt. Es sind im Verhältnis mehr Weiße hier als in Caracas. Wir besuchten bei Sonnenuntergang den Kalvarienberg, wo man eine weite, sehr schöne Aussicht hat. Man sieht gegen West die lachenden Thäler von Aragua, ein weites, mit Gärten, Bauland, Stücken Wald, Höfen und Weilern bedecktes Gelände. Gegen Süd und Südost ziehen sich, so weit das Auge reicht, die hohen Gebirge von Palma, Guayraima, Tiara und Guiripa hin, hinter denen die unge- heuren Ebenen oder Steppen von Calabozo liegen. Diese innere Bergkette streicht nach West längs des Sees von Va- lencia fort bis Villa de Cura, Cuesta de Yusma und zu den gezackten Bergen von Guigue. Sie ist steil und fortwährend in den leichten Dunst gehüllt, der in heißen Ländern ferne Gegenstände stark blau färbt und die Umrisse keineswegs ver- wischt, sondern sie nur stärker hervortreten läßt. In dieser inneren Kette sollen die Berge von Guayraima bis 2340 m hoch sein. In der Nacht des 11. Februar fand ich die Breite von Victoria 10° 13' 35", die Inklination der Magnetnadel 40,80°, die Intensität der magnetischen Kraft gleich 236 Schwingungen in 10 Zeitminuten und die Abweichung der Nadel 4,40° nach Nordost.
Wir zogen langsam weiter über die Dörfer San Mateo, Turmero und Maracay auf die Hacienda de Cura, eine schöne
der Morgen in der Regel 1500 bis 1600 kg Weizen, alſo, wie in Buenos Ayres, zwei bis dreimal mehr als in den nördlichen Ländern. Man erntet etwa das 16. Korn, während der Boden von Frankreich, nach Lavoiſiers Unterſuchungen, im Durchſchnitt nur das 5. bis 6., 500 bis 600 kg auf den Morgen trägt. Trotz dieſer Fruchtbarkeit des Bodens und des günſtigen Klimas iſt der Zuckerbau in den Thälern von Aragua einträglicher als der Getreidebau.
Durch Victoria läuft der kleine Rio Calanchas, der ſich nicht in den Tuy, ſondern in den Rio Aragua ergießt, wor- aus hervorgeht, daß dieſes ſchöne Land, wo Zuckerrohr und Weizen nebeneinander wachſen, bereits zum Becken des Sees von Valencia gehört, zu einem Syſtem von Binnenflüſſen, die mit der See nicht in Verbindung ſtehen. Der Stadtteil weſtlich vom Rio Calanchas heißt La otra banda und iſt der gewerbſamſte. Ueberall ſieht man Waren ausgeſtellt, und die Straßen beſtehen aus Budenreihen. Zwei Handelsſtraßen laufen durch Victoria, die von Valencia oder Porto Cabello und die von Villa de Cura oder den Ebenen her, Camino de los Llanos genannt. Es ſind im Verhältnis mehr Weiße hier als in Caracas. Wir beſuchten bei Sonnenuntergang den Kalvarienberg, wo man eine weite, ſehr ſchöne Ausſicht hat. Man ſieht gegen Weſt die lachenden Thäler von Aragua, ein weites, mit Gärten, Bauland, Stücken Wald, Höfen und Weilern bedecktes Gelände. Gegen Süd und Südoſt ziehen ſich, ſo weit das Auge reicht, die hohen Gebirge von Palma, Guayraima, Tiara und Guiripa hin, hinter denen die unge- heuren Ebenen oder Steppen von Calabozo liegen. Dieſe innere Bergkette ſtreicht nach Weſt längs des Sees von Va- lencia fort bis Villa de Cura, Cueſta de Yusma und zu den gezackten Bergen von Guigue. Sie iſt ſteil und fortwährend in den leichten Dunſt gehüllt, der in heißen Ländern ferne Gegenſtände ſtark blau färbt und die Umriſſe keineswegs ver- wiſcht, ſondern ſie nur ſtärker hervortreten läßt. In dieſer inneren Kette ſollen die Berge von Guayraima bis 2340 m hoch ſein. In der Nacht des 11. Februar fand ich die Breite von Victoria 10° 13′ 35″, die Inklination der Magnetnadel 40,80°, die Intenſität der magnetiſchen Kraft gleich 236 Schwingungen in 10 Zeitminuten und die Abweichung der Nadel 4,40° nach Nordoſt.
Wir zogen langſam weiter über die Dörfer San Mateo, Turmero und Maracay auf die Hacienda de Cura, eine ſchöne
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der Morgen in der Regel 1500 bis 1600 kg Weizen, alſo,
wie in Buenos Ayres, zwei bis dreimal mehr als in den
nördlichen Ländern. Man erntet etwa das 16. Korn, während
der Boden von Frankreich, nach Lavoiſiers Unterſuchungen,
im Durchſchnitt nur das 5. bis 6., 500 bis 600 kg auf den
Morgen trägt. Trotz dieſer Fruchtbarkeit des Bodens und
des günſtigen Klimas iſt der Zuckerbau in den Thälern von
Aragua einträglicher als der Getreidebau.
Durch Victoria läuft der kleine Rio Calanchas, der ſich
nicht in den Tuy, ſondern in den Rio Aragua ergießt, wor-
aus hervorgeht, daß dieſes ſchöne Land, wo Zuckerrohr und
Weizen nebeneinander wachſen, bereits zum Becken des Sees
von Valencia gehört, zu einem Syſtem von Binnenflüſſen,
die mit der See nicht in Verbindung ſtehen. Der Stadtteil
weſtlich vom Rio Calanchas heißt La otra banda und iſt der
gewerbſamſte. Ueberall ſieht man Waren ausgeſtellt, und die
Straßen beſtehen aus Budenreihen. Zwei Handelsſtraßen
laufen durch Victoria, die von Valencia oder Porto Cabello
und die von Villa de Cura oder den Ebenen her, Camino de
los Llanos genannt. Es ſind im Verhältnis mehr Weiße
hier als in Caracas. Wir beſuchten bei Sonnenuntergang
den Kalvarienberg, wo man eine weite, ſehr ſchöne Ausſicht
hat. Man ſieht gegen Weſt die lachenden Thäler von Aragua,
ein weites, mit Gärten, Bauland, Stücken Wald, Höfen und
Weilern bedecktes Gelände. Gegen Süd und Südoſt ziehen
ſich, ſo weit das Auge reicht, die hohen Gebirge von Palma,
Guayraima, Tiara und Guiripa hin, hinter denen die unge-
heuren Ebenen oder Steppen von Calabozo liegen. Dieſe
innere Bergkette ſtreicht nach Weſt längs des Sees von Va-
lencia fort bis Villa de Cura, Cueſta de Yusma und zu den
gezackten Bergen von Guigue. Sie iſt ſteil und fortwährend
in den leichten Dunſt gehüllt, der in heißen Ländern ferne
Gegenſtände ſtark blau färbt und die Umriſſe keineswegs ver-
wiſcht, ſondern ſie nur ſtärker hervortreten läßt. In dieſer
inneren Kette ſollen die Berge von Guayraima bis 2340 m
hoch ſein. In der Nacht des 11. Februar fand ich die Breite
von Victoria 10° 13′ 35″, die Inklination der Magnetnadel
40,80°, die Intenſität der magnetiſchen Kraft gleich 236
Schwingungen in 10 Zeitminuten und die Abweichung der
Nadel 4,40° nach Nordoſt.
Wir zogen langſam weiter über die Dörfer San Mateo,
Turmero und Maracay auf die Hacienda de Cura, eine ſchöne
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/197>, abgerufen am 16.02.2025.
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