Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.Pflanzung des Grafen Tovar, wo wir erst am 14. Februar San Mateo, Turmero und Maracay sind reizende Dörfer, 1 Amyris elata. 2 Die mittlere Sommertemperatur ist in Schottland (bei
Edinburg unter dem 56. Grad der Breite) dieselbe wie auf den Hochebenen von Neugranada, wo in 2725 m Meereshöhe und unter dem 4. Grad der Breite so viel Getreide gebaut wird. Auf der Pflanzung des Grafen Tovar, wo wir erſt am 14. Februar San Mateo, Turmero und Maracay ſind reizende Dörfer, 1 Amyris elata. 2 Die mittlere Sommertemperatur iſt in Schottland (bei
Edinburg unter dem 56. Grad der Breite) dieſelbe wie auf den Hochebenen von Neugranada, wo in 2725 m Meereshöhe und unter dem 4. Grad der Breite ſo viel Getreide gebaut wird. Auf der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0198" n="190"/> Pflanzung des Grafen Tovar, wo wir erſt am 14. Februar<lb/> abends ankamen. Das Thal wird allmählich weiter; zu beiden<lb/> Seiten desſelben ſtehen Hügel von Kalktuff, den man hierzu-<lb/> lande <hi rendition="#aq">tierra blanca</hi> nennt. Die Gelehrten im Lande haben<lb/> verſchiedene Verſuche gemacht, dieſe Erde zu brennen; ſie ver-<lb/> wechſelten dieſelbe mit Porzellanerde, die ſich aus Schichten<lb/> verwitterten Feldſpats bildet. Wir verweilten ein paar Stunden<lb/> bei einer achtungswürdigen und gebildeten Familie, den Uſtariz<lb/> in <hi rendition="#g">Conceſion</hi>. Das Haus mit einer auserleſenen Bücher-<lb/> ſammlung ſteht auf einer Anhöhe und iſt mit Kaffee- und<lb/> Zuckerpflanzungen umgeben. Ein Gebüſch von Balſambäumen<lb/> (<hi rendition="#aq">balsamo</hi>)<note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Amyris elata.</hi></note> gibt Kühlung und Schatten. Mit reger Teil-<lb/> nahme ſahen wir die vielen im Thale zerſtreuten Häuſer, die<lb/> von Freigelaſſenen bewohnt ſind. Geſetze, Einrichtungen,<lb/> Sitten begünſtigen in den ſpaniſchen Kolonieen die Frei-<lb/> heit der Neger ungleich mehr als bei den übrigen europäiſchen<lb/> Nationen.</p><lb/> <p>San Mateo, Turmero und Maracay ſind reizende Dörfer,<lb/> wo alles den größten Wohlſtand verrät. Man glaubt ſich in<lb/> den gewerbſamſten Teil von Katalonien verſetzt. Bei San<lb/> Mateo ſahen wir die letzten Weizenfelder und die letzten<lb/> Mühlen mit wagerechten Waſſerrädern. Man rechnete bei<lb/> der bevorſtehenden Ernte auf die zwanzigfache Ausſaat, und<lb/> als wäre dies noch ein mäßiger Ertrag, fragte man mich, ob<lb/> man in Preußen und Polen mehr ernte. Unter den Tropen<lb/> iſt der Irrtum ziemlich verbreitet, das Getreide arte gegen<lb/> den Aequator zu aus und die Ernten ſeien im Norden reicher.<lb/> Seit man den Ertrag des Ackerbaues in verſchiedenen Erd-<lb/> ſtrichen und die Temperaturen, bei denen das Getreide ge-<lb/> deiht, berechnen kann, weiß man, daß nirgends jenſeits des<lb/> 45. Breitengrades der Weizen ſo reiche Ernten gibt als auf den<lb/> Nordküſten von Afrika und auf den Hochebenen von Neu-<lb/> granada, Peru und Mexiko. Vergleicht man nicht die mitt-<lb/> lere Temperatur des ganzen Jahres, ſondern nur die mittleren<lb/> Temperaturen der Jahreszeit, in welche der „Vegetations-<lb/> cyklus“ des Getreides fällt, ſo findet<note xml:id="note-0198" next="#note-0199" place="foot" n="2">Die mittlere Sommertemperatur iſt in Schottland (bei<lb/> Edinburg unter dem 56. Grad der Breite) dieſelbe wie auf den<lb/> Hochebenen von Neugranada, wo in 2725 <hi rendition="#aq">m</hi> Meereshöhe und unter<lb/> dem 4. Grad der Breite ſo viel Getreide gebaut wird. Auf der</note> man für drei Sommer-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [190/0198]
Pflanzung des Grafen Tovar, wo wir erſt am 14. Februar
abends ankamen. Das Thal wird allmählich weiter; zu beiden
Seiten desſelben ſtehen Hügel von Kalktuff, den man hierzu-
lande tierra blanca nennt. Die Gelehrten im Lande haben
verſchiedene Verſuche gemacht, dieſe Erde zu brennen; ſie ver-
wechſelten dieſelbe mit Porzellanerde, die ſich aus Schichten
verwitterten Feldſpats bildet. Wir verweilten ein paar Stunden
bei einer achtungswürdigen und gebildeten Familie, den Uſtariz
in Conceſion. Das Haus mit einer auserleſenen Bücher-
ſammlung ſteht auf einer Anhöhe und iſt mit Kaffee- und
Zuckerpflanzungen umgeben. Ein Gebüſch von Balſambäumen
(balsamo) 1 gibt Kühlung und Schatten. Mit reger Teil-
nahme ſahen wir die vielen im Thale zerſtreuten Häuſer, die
von Freigelaſſenen bewohnt ſind. Geſetze, Einrichtungen,
Sitten begünſtigen in den ſpaniſchen Kolonieen die Frei-
heit der Neger ungleich mehr als bei den übrigen europäiſchen
Nationen.
San Mateo, Turmero und Maracay ſind reizende Dörfer,
wo alles den größten Wohlſtand verrät. Man glaubt ſich in
den gewerbſamſten Teil von Katalonien verſetzt. Bei San
Mateo ſahen wir die letzten Weizenfelder und die letzten
Mühlen mit wagerechten Waſſerrädern. Man rechnete bei
der bevorſtehenden Ernte auf die zwanzigfache Ausſaat, und
als wäre dies noch ein mäßiger Ertrag, fragte man mich, ob
man in Preußen und Polen mehr ernte. Unter den Tropen
iſt der Irrtum ziemlich verbreitet, das Getreide arte gegen
den Aequator zu aus und die Ernten ſeien im Norden reicher.
Seit man den Ertrag des Ackerbaues in verſchiedenen Erd-
ſtrichen und die Temperaturen, bei denen das Getreide ge-
deiht, berechnen kann, weiß man, daß nirgends jenſeits des
45. Breitengrades der Weizen ſo reiche Ernten gibt als auf den
Nordküſten von Afrika und auf den Hochebenen von Neu-
granada, Peru und Mexiko. Vergleicht man nicht die mitt-
lere Temperatur des ganzen Jahres, ſondern nur die mittleren
Temperaturen der Jahreszeit, in welche der „Vegetations-
cyklus“ des Getreides fällt, ſo findet 2 man für drei Sommer-
1 Amyris elata.
2 Die mittlere Sommertemperatur iſt in Schottland (bei
Edinburg unter dem 56. Grad der Breite) dieſelbe wie auf den
Hochebenen von Neugranada, wo in 2725 m Meereshöhe und unter
dem 4. Grad der Breite ſo viel Getreide gebaut wird. Auf der
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