Berühmtheit erhalten; alle Parteien stritten sich hitzig um diesen Paß, weil der Weg nach Valencia und in die Llanos hier durchführt. Die Cabrera ist jetzt eine Halbinsel; noch vor weniger als 60 Jahren war es ein Felseneiland im See, dessen Wasserspiegel fortwährend sinkt. Wir brachten auf der Hacienda de Cura sieben Tage äußerst angenehm zu, und zwar in einem kleinen Hause in einem Gebüsch, weil im Hause auf der schönen Zuckerpflanzung die Bubas ausgebrochen waren, eine unter den Sklaven in diesen Thälern häufig vor- kommende Hautkrankheit.
Wir lebten wie die wohlhabenden Leute hierzulande, badeten zweimal, schliefen dreimal und aßen dreimal in 24 Stunden. Das Wasser des Sees ist ziemlich warm, 24 bis 25°; aber es gibt noch ein anderes, sehr kühles, köstliches Bad im Schatten von Ceibabäumen und großen Zamang, in der Toma, einem Bache, der aus den Granitbergen des Rincon del Diablo kommt. Steigt man in dieses Bad, so hat man sich nicht vor Insektenstichen zu fürchten, wohl aber vor den kleinen rötlichen Haaren an den Schoten des Dolichos pruriens, die in der Luft schweben und einem vom Winde zugeführt werden. Wenn diese Haare, die man be- zeichnend Picapica nennt, sich an den Körper hängen, so ver- ursachen sie ein sehr heftiges Jucken; man fühlt Stiche und sieht doch nicht, woher sie rühren.
Bei Cura sahen wir die sämtliche Einwohnerschaft daran, den mit Mimosen, Sterculia und Coccoloba excoriata be- wachsenen Boden umzubrechen, um mehr Areal für den Baum- wollenbau zu gewinnen. Dieser, der zum Teil an die Stelle des Indigobaues getreten ist, gedeiht so gut, daß die Baum- wollenstaude am Ufer des Sees von Valencia wild wächst. Wir fanden 2,5 bis 3 m hohe Sträucher, mit Bignonien und anderen holzigen Schlingpflanzen durchwachsen. Indessen ist die Baumwollenausfuhr aus Caracas noch unbedeutend; sie betrug in Guayra im Durchschnitt jährlich kaum 150000 bis 200000 kg; aber in allen Häusern der Capitania general stieg sie durch den starken Anbau in Cariaco, Nueva Barce- lona und Maracaybo auf mehr als 22000 Zentner. Es ist dies fast die Hälfte dessen, was der ganze Archipel der Antillen erzeugt. Die Baumwolle aus den Thälern von Aragua ist von guter Qualität; sie steht nur der brasilischen nach, denn sie gilt für besser als die von Cartagena, von Do- mingo und den Kleinen Antillen. Die Baumwollenpflanzungen
Berühmtheit erhalten; alle Parteien ſtritten ſich hitzig um dieſen Paß, weil der Weg nach Valencia und in die Llanos hier durchführt. Die Cabrera iſt jetzt eine Halbinſel; noch vor weniger als 60 Jahren war es ein Felſeneiland im See, deſſen Waſſerſpiegel fortwährend ſinkt. Wir brachten auf der Hacienda de Cura ſieben Tage äußerſt angenehm zu, und zwar in einem kleinen Hauſe in einem Gebüſch, weil im Hauſe auf der ſchönen Zuckerpflanzung die Bubas ausgebrochen waren, eine unter den Sklaven in dieſen Thälern häufig vor- kommende Hautkrankheit.
Wir lebten wie die wohlhabenden Leute hierzulande, badeten zweimal, ſchliefen dreimal und aßen dreimal in 24 Stunden. Das Waſſer des Sees iſt ziemlich warm, 24 bis 25°; aber es gibt noch ein anderes, ſehr kühles, köſtliches Bad im Schatten von Ceibabäumen und großen Zamang, in der Toma, einem Bache, der aus den Granitbergen des Rincon del Diablo kommt. Steigt man in dieſes Bad, ſo hat man ſich nicht vor Inſektenſtichen zu fürchten, wohl aber vor den kleinen rötlichen Haaren an den Schoten des Dolichos pruriens, die in der Luft ſchweben und einem vom Winde zugeführt werden. Wenn dieſe Haare, die man be- zeichnend Picapica nennt, ſich an den Körper hängen, ſo ver- urſachen ſie ein ſehr heftiges Jucken; man fühlt Stiche und ſieht doch nicht, woher ſie rühren.
Bei Cura ſahen wir die ſämtliche Einwohnerſchaft daran, den mit Mimoſen, Sterculia und Coccoloba excoriata be- wachſenen Boden umzubrechen, um mehr Areal für den Baum- wollenbau zu gewinnen. Dieſer, der zum Teil an die Stelle des Indigobaues getreten iſt, gedeiht ſo gut, daß die Baum- wollenſtaude am Ufer des Sees von Valencia wild wächſt. Wir fanden 2,5 bis 3 m hohe Sträucher, mit Bignonien und anderen holzigen Schlingpflanzen durchwachſen. Indeſſen iſt die Baumwollenausfuhr aus Caracas noch unbedeutend; ſie betrug in Guayra im Durchſchnitt jährlich kaum 150000 bis 200000 kg; aber in allen Häuſern der Capitania general ſtieg ſie durch den ſtarken Anbau in Cariaco, Nueva Barce- lona und Maracaybo auf mehr als 22000 Zentner. Es iſt dies faſt die Hälfte deſſen, was der ganze Archipel der Antillen erzeugt. Die Baumwolle aus den Thälern von Aragua iſt von guter Qualität; ſie ſteht nur der braſiliſchen nach, denn ſie gilt für beſſer als die von Cartagena, von Do- mingo und den Kleinen Antillen. Die Baumwollenpflanzungen
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Berühmtheit erhalten; alle Parteien ſtritten ſich hitzig um
dieſen Paß, weil der Weg nach Valencia und in die Llanos
hier durchführt. Die Cabrera iſt jetzt eine Halbinſel; noch
vor weniger als 60 Jahren war es ein Felſeneiland im See,
deſſen Waſſerſpiegel fortwährend ſinkt. Wir brachten auf der
Hacienda de Cura ſieben Tage äußerſt angenehm zu, und
zwar in einem kleinen Hauſe in einem Gebüſch, weil im Hauſe
auf der ſchönen Zuckerpflanzung die Bubas ausgebrochen
waren, eine unter den Sklaven in dieſen Thälern häufig vor-
kommende Hautkrankheit.
Wir lebten wie die wohlhabenden Leute hierzulande,
badeten zweimal, ſchliefen dreimal und aßen dreimal in
24 Stunden. Das Waſſer des Sees iſt ziemlich warm, 24
bis 25°; aber es gibt noch ein anderes, ſehr kühles, köſtliches
Bad im Schatten von Ceibabäumen und großen Zamang,
in der Toma, einem Bache, der aus den Granitbergen des
Rincon del Diablo kommt. Steigt man in dieſes Bad,
ſo hat man ſich nicht vor Inſektenſtichen zu fürchten, wohl
aber vor den kleinen rötlichen Haaren an den Schoten des
Dolichos pruriens, die in der Luft ſchweben und einem vom
Winde zugeführt werden. Wenn dieſe Haare, die man be-
zeichnend Picapica nennt, ſich an den Körper hängen, ſo ver-
urſachen ſie ein ſehr heftiges Jucken; man fühlt Stiche und
ſieht doch nicht, woher ſie rühren.
Bei Cura ſahen wir die ſämtliche Einwohnerſchaft daran,
den mit Mimoſen, Sterculia und Coccoloba excoriata be-
wachſenen Boden umzubrechen, um mehr Areal für den Baum-
wollenbau zu gewinnen. Dieſer, der zum Teil an die Stelle
des Indigobaues getreten iſt, gedeiht ſo gut, daß die Baum-
wollenſtaude am Ufer des Sees von Valencia wild wächſt.
Wir fanden 2,5 bis 3 m hohe Sträucher, mit Bignonien und
anderen holzigen Schlingpflanzen durchwachſen. Indeſſen iſt
die Baumwollenausfuhr aus Caracas noch unbedeutend; ſie
betrug in Guayra im Durchſchnitt jährlich kaum 150000 bis
200000 kg; aber in allen Häuſern der Capitania general
ſtieg ſie durch den ſtarken Anbau in Cariaco, Nueva Barce-
lona und Maracaybo auf mehr als 22000 Zentner. Es iſt
dies faſt die Hälfte deſſen, was der ganze Archipel der
Antillen erzeugt. Die Baumwolle aus den Thälern von Aragua
iſt von guter Qualität; ſie ſteht nur der braſiliſchen nach,
denn ſie gilt für beſſer als die von Cartagena, von Do-
mingo und den Kleinen Antillen. Die Baumwollenpflanzungen
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/205>, abgerufen am 16.07.2024.
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