verpachtet. Als er vier Jahre darauf wieder nach Amerika kam, fand er daselbst schöne Baumwollenpflanzungen und einen Weiler von 30 bis 40 Häusern, Punta Zamuro genannt, den wir oft mit ihm besucht haben. Die Einwohner des Weilers sind fast durchaus Mulatten, Zambos und freie Neger. Mehrere große Grundbesitzer haben nach diesem Vorgange mit gleichem Erfolg Land verpachtet. Der Pachtschilling beträgt zehn Piaster auf die Vanega und wird in Geld oder in Baumwolle ent- richtet. Die kleinen Pächter sind oft in Bedrängnis und geben ihre Baumwolle zu sehr geringem Preise ab. Ja, sie ver- kaufen sie vor der Ernte, und durch diese Vorschüsse reicher Nachbarn gerät der Schuldner in eine Abhängigkeit, infolge deren er seine Dienste als Tagelöhner öfter anbieten muß. Der Tagelohn ist nicht so hoch als in Frankreich. Man be- zahlt in den Thälern von Aragua und in den Llanos einem freien Tagelöhner 4 bis 5 Piaster monatlich, neben der Kost, die beim Ueberfluß an Fleisch und Gemüse sehr wenig aus- macht. Gern verbreite ich mich hier über den Landbau in den Kolonieen, weil solche Angaben den Europäern darthun, was aufgeklärten Kolonisten längst nicht mehr zweifelhaft ist, daß das Festland des spanischen Amerikas durch freie Hände Zucker, Baumwolle und Indigo erzeugen kann, und daß die unglücklichen Sklaven Bauern, Pächter und Grundbesitzer wer- den können.
verpachtet. Als er vier Jahre darauf wieder nach Amerika kam, fand er daſelbſt ſchöne Baumwollenpflanzungen und einen Weiler von 30 bis 40 Häuſern, Punta Zamuro genannt, den wir oft mit ihm beſucht haben. Die Einwohner des Weilers ſind faſt durchaus Mulatten, Zambos und freie Neger. Mehrere große Grundbeſitzer haben nach dieſem Vorgange mit gleichem Erfolg Land verpachtet. Der Pachtſchilling beträgt zehn Piaſter auf die Vanega und wird in Geld oder in Baumwolle ent- richtet. Die kleinen Pächter ſind oft in Bedrängnis und geben ihre Baumwolle zu ſehr geringem Preiſe ab. Ja, ſie ver- kaufen ſie vor der Ernte, und durch dieſe Vorſchüſſe reicher Nachbarn gerät der Schuldner in eine Abhängigkeit, infolge deren er ſeine Dienſte als Tagelöhner öfter anbieten muß. Der Tagelohn iſt nicht ſo hoch als in Frankreich. Man be- zahlt in den Thälern von Aragua und in den Llanos einem freien Tagelöhner 4 bis 5 Piaſter monatlich, neben der Koſt, die beim Ueberfluß an Fleiſch und Gemüſe ſehr wenig aus- macht. Gern verbreite ich mich hier über den Landbau in den Kolonieen, weil ſolche Angaben den Europäern darthun, was aufgeklärten Koloniſten längſt nicht mehr zweifelhaft iſt, daß das Feſtland des ſpaniſchen Amerikas durch freie Hände Zucker, Baumwolle und Indigo erzeugen kann, und daß die unglücklichen Sklaven Bauern, Pächter und Grundbeſitzer wer- den können.
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verpachtet. Als er vier Jahre darauf wieder nach Amerika
kam, fand er daſelbſt ſchöne Baumwollenpflanzungen und einen
Weiler von 30 bis 40 Häuſern, Punta Zamuro genannt, den
wir oft mit ihm beſucht haben. Die Einwohner des Weilers
ſind faſt durchaus Mulatten, Zambos und freie Neger. Mehrere
große Grundbeſitzer haben nach dieſem Vorgange mit gleichem
Erfolg Land verpachtet. Der Pachtſchilling beträgt zehn Piaſter
auf die Vanega und wird in Geld oder in Baumwolle ent-
richtet. Die kleinen Pächter ſind oft in Bedrängnis und geben
ihre Baumwolle zu ſehr geringem Preiſe ab. Ja, ſie ver-
kaufen ſie vor der Ernte, und durch dieſe Vorſchüſſe reicher
Nachbarn gerät der Schuldner in eine Abhängigkeit, infolge
deren er ſeine Dienſte als Tagelöhner öfter anbieten muß.
Der Tagelohn iſt nicht ſo hoch als in Frankreich. Man be-
zahlt in den Thälern von Aragua und in den Llanos einem
freien Tagelöhner 4 bis 5 Piaſter monatlich, neben der Koſt,
die beim Ueberfluß an Fleiſch und Gemüſe ſehr wenig aus-
macht. Gern verbreite ich mich hier über den Landbau in
den Kolonieen, weil ſolche Angaben den Europäern darthun,
was aufgeklärten Koloniſten längſt nicht mehr zweifelhaft iſt,
daß das Feſtland des ſpaniſchen Amerikas durch freie Hände
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/207>, abgerufen am 24.11.2024.
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