Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.am Westende des Sees der Cerrito de San Pedro, der Islote Wie wir zu Anfang dieses Abschnittes bemerkt, bildet Einerseits die Verringerung der Masse der Zuflüsse, die am Weſtende des Sees der Cerrito de San Pedro, der Islote Wie wir zu Anfang dieſes Abſchnittes bemerkt, bildet Einerſeits die Verringerung der Maſſe der Zuflüſſe, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0214" n="206"/> am Weſtende des Sees der Cerrito de San Pedro, der Islote<lb/> und der Caratapona. Wir beſuchten zwei noch ganz von<lb/> Waſſer umgebene Inſeln und fanden unter dem Geſträuche<lb/> auf kleinen Ebenen, 8 bis 12, ſogar 15 <hi rendition="#aq">m</hi> über dem jetzigen<lb/> Seeſpiegel, feinen Sand mit Heliciten, den einſt die Wellen<lb/> hier abgeſetzt. Auf allen dieſen Inſeln begegnet man den<lb/> unzweideutigſten Spuren vom allmählichen Fallen des Waſſers.<lb/> Noch mehr, und dieſe Erſcheinung wird von der Bevölkerung<lb/> als ein Wunder angeſehen: im Jahre 1796 erſchienen drei<lb/> neue Inſeln öſtlich von der Inſel Caiguire, in derſelben Rich-<lb/> tung wie die Inſeln Burro, Otama und Zorro. Dieſe neuen<lb/> Inſeln, die beim Volke <hi rendition="#aq">Los nuevos Peñones</hi> oder <hi rendition="#aq">Las Apa-<lb/> recidas</hi> heißen, bilden eine Art Untiefen mit völlig ebener<lb/> Oberfläche. Sie waren im Jahre 1800 bereits über 1 <hi rendition="#aq">m</hi><lb/> höher als der mittlere Waſſerſtand.</p><lb/> <p>Wie wir zu Anfang dieſes Abſchnittes bemerkt, bildet<lb/> der See von Valencia, gleich den Seen im Thale von Mexiko,<lb/> den Mittelpunkt eines kleinen Syſtemes von Flüſſen, von<lb/> denen keiner mit dem Meere in Verbindung ſteht. Die meiſten<lb/> dieſer Gewäſſer können nur Bäche heißen; es ſind ihrer zwölf<lb/> bis vierzehn. Die Einwohner wiſſen wenig davon, was die<lb/> Verdunſtung leiſtet, und glauben daher ſchon lange, der See<lb/> habe einen unterirdiſchen Abzug, durch den ebenſoviel ab-<lb/> fließe, als die Bäche hereinbringen. Die einen laſſen dieſen<lb/> Abzug mit Höhlen, die in großer Tiefe liegen ſollen, in Ver-<lb/> bindung ſtehen; andere nehmen an, das Waſſer fließe durch<lb/> einen ſchiefen Kanal in das Meer. Dergleichen kühne Hypo-<lb/> theſen über den Zuſammenhang zwiſchen zwei benachbarten<lb/> Waſſerbecken hat die Einbildungskraft des Volkes wie die<lb/> der Phyſiker in allen Erdſtrichen ausgeheckt; denn letztere,<lb/> wenn ſie es ſich auch nicht eingeſtehen, ſetzen nicht ſelten nur<lb/> Volksmeinungen in die Sprache der Wiſſenſchaft um. In<lb/> der Neuen Welt wie am Ufer des Kaſpiſchen Meeres hört<lb/> man von unterirdiſchen Schlünden und Kanälen ſprechen, ob-<lb/> gleich der See von Tacarigua 412 <hi rendition="#aq">m</hi> über und die Kaspiſche<lb/> See 105 <hi rendition="#aq">m</hi> unter dem Meeresſpiegel liegt, und ſo gut man<lb/> auch weiß, daß Flüſſigkeiten, die ſeitlich miteinander in Ver-<lb/> bindung ſtehen, ſich in dasſelbe Niveau ſetzen.</p><lb/> <p>Einerſeits die Verringerung der Maſſe der Zuflüſſe, die<lb/> ſeit einem halben Jahrhunderte infolge der Ausrodung der<lb/> Wälder, der Urbarmachung der Ebenen und des Indigobaues<lb/> eingetreten iſt, andererſeits die Verdunſtung des Bodens und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [206/0214]
am Weſtende des Sees der Cerrito de San Pedro, der Islote
und der Caratapona. Wir beſuchten zwei noch ganz von
Waſſer umgebene Inſeln und fanden unter dem Geſträuche
auf kleinen Ebenen, 8 bis 12, ſogar 15 m über dem jetzigen
Seeſpiegel, feinen Sand mit Heliciten, den einſt die Wellen
hier abgeſetzt. Auf allen dieſen Inſeln begegnet man den
unzweideutigſten Spuren vom allmählichen Fallen des Waſſers.
Noch mehr, und dieſe Erſcheinung wird von der Bevölkerung
als ein Wunder angeſehen: im Jahre 1796 erſchienen drei
neue Inſeln öſtlich von der Inſel Caiguire, in derſelben Rich-
tung wie die Inſeln Burro, Otama und Zorro. Dieſe neuen
Inſeln, die beim Volke Los nuevos Peñones oder Las Apa-
recidas heißen, bilden eine Art Untiefen mit völlig ebener
Oberfläche. Sie waren im Jahre 1800 bereits über 1 m
höher als der mittlere Waſſerſtand.
Wie wir zu Anfang dieſes Abſchnittes bemerkt, bildet
der See von Valencia, gleich den Seen im Thale von Mexiko,
den Mittelpunkt eines kleinen Syſtemes von Flüſſen, von
denen keiner mit dem Meere in Verbindung ſteht. Die meiſten
dieſer Gewäſſer können nur Bäche heißen; es ſind ihrer zwölf
bis vierzehn. Die Einwohner wiſſen wenig davon, was die
Verdunſtung leiſtet, und glauben daher ſchon lange, der See
habe einen unterirdiſchen Abzug, durch den ebenſoviel ab-
fließe, als die Bäche hereinbringen. Die einen laſſen dieſen
Abzug mit Höhlen, die in großer Tiefe liegen ſollen, in Ver-
bindung ſtehen; andere nehmen an, das Waſſer fließe durch
einen ſchiefen Kanal in das Meer. Dergleichen kühne Hypo-
theſen über den Zuſammenhang zwiſchen zwei benachbarten
Waſſerbecken hat die Einbildungskraft des Volkes wie die
der Phyſiker in allen Erdſtrichen ausgeheckt; denn letztere,
wenn ſie es ſich auch nicht eingeſtehen, ſetzen nicht ſelten nur
Volksmeinungen in die Sprache der Wiſſenſchaft um. In
der Neuen Welt wie am Ufer des Kaſpiſchen Meeres hört
man von unterirdiſchen Schlünden und Kanälen ſprechen, ob-
gleich der See von Tacarigua 412 m über und die Kaspiſche
See 105 m unter dem Meeresſpiegel liegt, und ſo gut man
auch weiß, daß Flüſſigkeiten, die ſeitlich miteinander in Ver-
bindung ſtehen, ſich in dasſelbe Niveau ſetzen.
Einerſeits die Verringerung der Maſſe der Zuflüſſe, die
ſeit einem halben Jahrhunderte infolge der Ausrodung der
Wälder, der Urbarmachung der Ebenen und des Indigobaues
eingetreten iſt, andererſeits die Verdunſtung des Bodens und
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