Seen sind, so daß, obgleich sie in hohen Thälern liegen, ihr Grund fast auf den Spiegel des Mittelmeeres hinabreicht, so wundert man sich, daß der Boden des Sees von Valencia, der doch auch ein Alpsee ist, keine bedeutenderen Tiefen hat. Die tiefsten Stellen sind zwischen der Felseninsel Burro und der Landspitze Canna Fistula, sowie den hohen Bergen von Mariara gegenüber; im ganzen aber ist der südliche Teil des Sees tiefer als der nördliche. Es ist nicht zu vergessen, daß jetzt zwar das ganze Ufer flach ist, der südliche Teil des Beckens aber doch am nächsten bei einer steil abfallenden Gebirgskette liegt. Wir wissen aber, daß auch das Meer bei einer hohen, senkrechten Felsküste meist am tiefsten ist.
Die Temperatur des Sees an der Wasserfläche war während meines Aufenthaltes in den Thälern von Aragua im Februar beständig 23 bis 23,7°, also etwas geringer als die mittlere Lufttemperatur, sei es nun infolge der Verdunstung, die dem Wasser und der Luft Wärme entzieht, oder weil die Schwankungen in der Temperatur der Luft sich einer großen Wassermasse nicht gleich schnell mitteilen, und weil der See Bäche aufnimmt, die aus kalten Quellen in den nahen Ge- birgen entspringen. Zu meinem Bedauern konnte ich trotz der geringen Tiefe die Temperatur des Wassers in 58 bis 78 m unter dem Wasserspiegel nicht beobachten. Ich hatte das Senkblei mit dem Thermometer, das ich auf den Alpen- seen Salzburgs und auf dem Meere der Antillen gebraucht, nicht bei mir. Aus Saussures Versuchen geht hervor, daß zu beiden Seiten der Alpen Seen, die in einer Meereshöhe von 370 bis 530 m liegen, im Hochsommer in 290 bis 195, zuweilen sogar schon in 48 m Tiefe beständig eine Temperatur von 4,3 bis 6° zeigen; aber diese Versuche sind noch niemals auf Seen in der heißen Zone wiederholt worden. In der Schweiz sind die Schichten kalten Wassers ungeheuer mächtig. Im Genfer und im Bieler See fand man sie so nahe an der Oberfläche, daß die Temperatur des Wassers je mit 3 bis 5 m Tiefe um 1° abnahm, also 8mal schneller als im Meere und 48mal schneller als in der Luft. In der gemäßigten Zone, wo die Lufttemperatur auf den Gefrierpunkt und weit darunter sinkt, muß der Boden eines Sees, wäre er auch nicht von Gletschern und mit ewigem Schnee bedeckten Bergen umgeben, Wasserteilchen enthalten, die im Winter an der Oberfläche das Maximum ihrer Dichtigkeit (zwischen 3,4 und 4,4°) erlangt haben und also am tiefsten niedergesunken sind. Andere
Seen ſind, ſo daß, obgleich ſie in hohen Thälern liegen, ihr Grund faſt auf den Spiegel des Mittelmeeres hinabreicht, ſo wundert man ſich, daß der Boden des Sees von Valencia, der doch auch ein Alpſee iſt, keine bedeutenderen Tiefen hat. Die tiefſten Stellen ſind zwiſchen der Felſeninſel Burro und der Landſpitze Caña Fiſtula, ſowie den hohen Bergen von Mariara gegenüber; im ganzen aber iſt der ſüdliche Teil des Sees tiefer als der nördliche. Es iſt nicht zu vergeſſen, daß jetzt zwar das ganze Ufer flach iſt, der ſüdliche Teil des Beckens aber doch am nächſten bei einer ſteil abfallenden Gebirgskette liegt. Wir wiſſen aber, daß auch das Meer bei einer hohen, ſenkrechten Felsküſte meiſt am tiefſten iſt.
Die Temperatur des Sees an der Waſſerfläche war während meines Aufenthaltes in den Thälern von Aragua im Februar beſtändig 23 bis 23,7°, alſo etwas geringer als die mittlere Lufttemperatur, ſei es nun infolge der Verdunſtung, die dem Waſſer und der Luft Wärme entzieht, oder weil die Schwankungen in der Temperatur der Luft ſich einer großen Waſſermaſſe nicht gleich ſchnell mitteilen, und weil der See Bäche aufnimmt, die aus kalten Quellen in den nahen Ge- birgen entſpringen. Zu meinem Bedauern konnte ich trotz der geringen Tiefe die Temperatur des Waſſers in 58 bis 78 m unter dem Waſſerſpiegel nicht beobachten. Ich hatte das Senkblei mit dem Thermometer, das ich auf den Alpen- ſeen Salzburgs und auf dem Meere der Antillen gebraucht, nicht bei mir. Aus Sauſſures Verſuchen geht hervor, daß zu beiden Seiten der Alpen Seen, die in einer Meereshöhe von 370 bis 530 m liegen, im Hochſommer in 290 bis 195, zuweilen ſogar ſchon in 48 m Tiefe beſtändig eine Temperatur von 4,3 bis 6° zeigen; aber dieſe Verſuche ſind noch niemals auf Seen in der heißen Zone wiederholt worden. In der Schweiz ſind die Schichten kalten Waſſers ungeheuer mächtig. Im Genfer und im Bieler See fand man ſie ſo nahe an der Oberfläche, daß die Temperatur des Waſſers je mit 3 bis 5 m Tiefe um 1° abnahm, alſo 8mal ſchneller als im Meere und 48mal ſchneller als in der Luft. In der gemäßigten Zone, wo die Lufttemperatur auf den Gefrierpunkt und weit darunter ſinkt, muß der Boden eines Sees, wäre er auch nicht von Gletſchern und mit ewigem Schnee bedeckten Bergen umgeben, Waſſerteilchen enthalten, die im Winter an der Oberfläche das Maximum ihrer Dichtigkeit (zwiſchen 3,4 und 4,4°) erlangt haben und alſo am tiefſten niedergeſunken ſind. Andere
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0221"n="213"/>
Seen ſind, ſo daß, obgleich ſie in hohen Thälern liegen, ihr<lb/>
Grund faſt auf den Spiegel des Mittelmeeres hinabreicht, ſo<lb/>
wundert man ſich, daß der Boden des Sees von Valencia,<lb/>
der doch auch ein Alpſee iſt, keine bedeutenderen Tiefen hat.<lb/>
Die tiefſten Stellen ſind zwiſchen der Felſeninſel Burro und<lb/>
der Landſpitze Caña Fiſtula, ſowie den hohen Bergen von<lb/>
Mariara gegenüber; im ganzen aber iſt der ſüdliche Teil des<lb/>
Sees tiefer als der nördliche. Es iſt nicht zu vergeſſen, daß<lb/>
jetzt zwar das ganze Ufer flach iſt, der ſüdliche Teil des Beckens<lb/>
aber doch am nächſten bei einer ſteil abfallenden Gebirgskette<lb/>
liegt. Wir wiſſen aber, daß auch das Meer bei einer hohen,<lb/>ſenkrechten Felsküſte meiſt am tiefſten iſt.</p><lb/><p>Die Temperatur des Sees an der Waſſerfläche war<lb/>
während meines Aufenthaltes in den Thälern von Aragua<lb/>
im Februar beſtändig 23 bis 23,7°, alſo etwas geringer als<lb/>
die mittlere Lufttemperatur, ſei es nun infolge der Verdunſtung,<lb/>
die dem Waſſer und der Luft Wärme entzieht, oder weil die<lb/>
Schwankungen in der Temperatur der Luft ſich einer großen<lb/>
Waſſermaſſe nicht gleich ſchnell mitteilen, und weil der See<lb/>
Bäche aufnimmt, die aus kalten Quellen in den nahen Ge-<lb/>
birgen entſpringen. Zu meinem Bedauern konnte ich trotz<lb/>
der geringen Tiefe die Temperatur des Waſſers in 58 bis<lb/>
78 <hirendition="#aq">m</hi> unter dem Waſſerſpiegel nicht beobachten. Ich hatte<lb/>
das Senkblei mit dem Thermometer, das ich auf den Alpen-<lb/>ſeen Salzburgs und auf dem Meere der Antillen gebraucht,<lb/>
nicht bei mir. Aus Sauſſures Verſuchen geht hervor, daß<lb/>
zu beiden Seiten der Alpen Seen, die in einer Meereshöhe<lb/>
von 370 bis 530 <hirendition="#aq">m</hi> liegen, im Hochſommer in 290 bis 195,<lb/>
zuweilen ſogar ſchon in 48 <hirendition="#aq">m</hi> Tiefe beſtändig eine Temperatur<lb/>
von 4,3 bis 6° zeigen; aber dieſe Verſuche ſind noch niemals<lb/>
auf Seen in der heißen Zone wiederholt worden. In der<lb/>
Schweiz ſind die Schichten kalten Waſſers ungeheuer mächtig.<lb/>
Im Genfer und im Bieler See fand man ſie ſo nahe an der<lb/>
Oberfläche, daß die Temperatur des Waſſers je mit 3 bis 5 <hirendition="#aq">m</hi><lb/>
Tiefe um 1° abnahm, alſo 8mal ſchneller als im Meere und<lb/>
48mal ſchneller als in der Luft. In der gemäßigten Zone,<lb/>
wo die Lufttemperatur auf den Gefrierpunkt und weit darunter<lb/>ſinkt, muß der Boden eines Sees, wäre er auch nicht von<lb/>
Gletſchern und mit ewigem Schnee bedeckten Bergen umgeben,<lb/>
Waſſerteilchen enthalten, die im Winter an der Oberfläche das<lb/>
Maximum ihrer Dichtigkeit (zwiſchen 3,4 und 4,4°) erlangt<lb/>
haben und alſo am tiefſten niedergeſunken ſind. Andere<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[213/0221]
Seen ſind, ſo daß, obgleich ſie in hohen Thälern liegen, ihr
Grund faſt auf den Spiegel des Mittelmeeres hinabreicht, ſo
wundert man ſich, daß der Boden des Sees von Valencia,
der doch auch ein Alpſee iſt, keine bedeutenderen Tiefen hat.
Die tiefſten Stellen ſind zwiſchen der Felſeninſel Burro und
der Landſpitze Caña Fiſtula, ſowie den hohen Bergen von
Mariara gegenüber; im ganzen aber iſt der ſüdliche Teil des
Sees tiefer als der nördliche. Es iſt nicht zu vergeſſen, daß
jetzt zwar das ganze Ufer flach iſt, der ſüdliche Teil des Beckens
aber doch am nächſten bei einer ſteil abfallenden Gebirgskette
liegt. Wir wiſſen aber, daß auch das Meer bei einer hohen,
ſenkrechten Felsküſte meiſt am tiefſten iſt.
Die Temperatur des Sees an der Waſſerfläche war
während meines Aufenthaltes in den Thälern von Aragua
im Februar beſtändig 23 bis 23,7°, alſo etwas geringer als
die mittlere Lufttemperatur, ſei es nun infolge der Verdunſtung,
die dem Waſſer und der Luft Wärme entzieht, oder weil die
Schwankungen in der Temperatur der Luft ſich einer großen
Waſſermaſſe nicht gleich ſchnell mitteilen, und weil der See
Bäche aufnimmt, die aus kalten Quellen in den nahen Ge-
birgen entſpringen. Zu meinem Bedauern konnte ich trotz
der geringen Tiefe die Temperatur des Waſſers in 58 bis
78 m unter dem Waſſerſpiegel nicht beobachten. Ich hatte
das Senkblei mit dem Thermometer, das ich auf den Alpen-
ſeen Salzburgs und auf dem Meere der Antillen gebraucht,
nicht bei mir. Aus Sauſſures Verſuchen geht hervor, daß
zu beiden Seiten der Alpen Seen, die in einer Meereshöhe
von 370 bis 530 m liegen, im Hochſommer in 290 bis 195,
zuweilen ſogar ſchon in 48 m Tiefe beſtändig eine Temperatur
von 4,3 bis 6° zeigen; aber dieſe Verſuche ſind noch niemals
auf Seen in der heißen Zone wiederholt worden. In der
Schweiz ſind die Schichten kalten Waſſers ungeheuer mächtig.
Im Genfer und im Bieler See fand man ſie ſo nahe an der
Oberfläche, daß die Temperatur des Waſſers je mit 3 bis 5 m
Tiefe um 1° abnahm, alſo 8mal ſchneller als im Meere und
48mal ſchneller als in der Luft. In der gemäßigten Zone,
wo die Lufttemperatur auf den Gefrierpunkt und weit darunter
ſinkt, muß der Boden eines Sees, wäre er auch nicht von
Gletſchern und mit ewigem Schnee bedeckten Bergen umgeben,
Waſſerteilchen enthalten, die im Winter an der Oberfläche das
Maximum ihrer Dichtigkeit (zwiſchen 3,4 und 4,4°) erlangt
haben und alſo am tiefſten niedergeſunken ſind. Andere
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/221>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.