Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

Teilchen mit der Temperatur von + 0,5° sinken aber keines-
wegs unter die Schicht mit 4° Temperatur, sondern finden
das hydrostatische Gleichgewicht nur über derselben. Sie gehen
nur dann weiter hinab, wenn sich ihre Temperatur durch die
Berührung mit weniger kalten Schichten um 3 bis 4° erhöht
hat. Wenn das Wasser beim Erkalten in derselben Proportion
bis zum Nullpunkt immer dichter würde, so fände man in
sehr tiefen Seen und in Wasserbecken, die nicht miteinander
zusammenhängen, welches auch die Breite des Ortes
sein mag
, eine Wasserschicht, deren Temperatur dem Maxi-
mum der Erkaltung über dem Frierpunkt, der jährlich die
umgebenden niederen Luftregionen ausgesetzt sind, beinahe
gleich käme. Nach dieser Betrachtung erscheint es wahrschein-
lich, daß auf den Ebenen der heißen Zone und in nicht hoch-
gelegenen Thälern, deren mittlere Wärme 25,5 bis 27°
beträgt, der Boden der Seen nie weniger als 21 bis 22°
Temperatur haben kann. Wenn in derselben Zone das Meer
in der Tiefe von 1360 bis 1560 m Wasser mit einer Tem-
peratur von nur 7°, das also um 12 bis 13° kälter ist als
das Minimum der Luftwärme über dem Meere, so ist
diese Erscheinung, nach meiner Ansicht, ein direkter Beweis
dafür, daß eine Meeresströmung in der Tiefe die Gewässer
von den Polen zum Aequator führt. Wir lassen hier das
schwierige Problem unerörtert, wie unter den Tropen und in
der gemäßigten Zone, z. B. im Meere der Antillen und in
den Schweizer Seen, diese tiefen, bis auf 4 oder 7° abge-
kühlten Wasserschichten auf die Temperatur der von ihnen
bedeckten Gesteinschichten einwirken, und wie diese Schichten,
deren ursprüngliche Temperatur unter den Tropen 27°, am
Genfer See 10° beträgt, auf das dem Frierpunkt nahe Wasser
auf dem Boden der Seen und des tropischen Ozeans zurück-
wirken? Diese Fragen sind von der höchsten Wichtigkeit sowohl
für die Lebensprozesse der Tiere, die gewöhnlich auf dem Boden
des süßen und des Salzwassers leben, als für die Theorie
von der Verteilung der Wärme in Ländern, die von großen,
tiefen Meeren umgeben sind.

Der See von Valencia ist sehr reich an Inseln, welche
durch die malerische Form der Felsen und den Pflanzenwuchs,
der sie bedeckt, den Reiz der Landschaft erhöhen. Diesen
Vorzug hat dieser tropische See vor den Alpenseen voraus.
Es sind wenigstens fünfzehn Inseln, die in drei Gruppen
zerfallen. Sie sind zum Teil angebaut und infolge der Wasser-

Teilchen mit der Temperatur von + 0,5° ſinken aber keines-
wegs unter die Schicht mit 4° Temperatur, ſondern finden
das hydroſtatiſche Gleichgewicht nur über derſelben. Sie gehen
nur dann weiter hinab, wenn ſich ihre Temperatur durch die
Berührung mit weniger kalten Schichten um 3 bis 4° erhöht
hat. Wenn das Waſſer beim Erkalten in derſelben Proportion
bis zum Nullpunkt immer dichter würde, ſo fände man in
ſehr tiefen Seen und in Waſſerbecken, die nicht miteinander
zuſammenhängen, welches auch die Breite des Ortes
ſein mag
, eine Waſſerſchicht, deren Temperatur dem Maxi-
mum der Erkaltung über dem Frierpunkt, der jährlich die
umgebenden niederen Luftregionen ausgeſetzt ſind, beinahe
gleich käme. Nach dieſer Betrachtung erſcheint es wahrſchein-
lich, daß auf den Ebenen der heißen Zone und in nicht hoch-
gelegenen Thälern, deren mittlere Wärme 25,5 bis 27°
beträgt, der Boden der Seen nie weniger als 21 bis 22°
Temperatur haben kann. Wenn in derſelben Zone das Meer
in der Tiefe von 1360 bis 1560 m Waſſer mit einer Tem-
peratur von nur 7°, das alſo um 12 bis 13° kälter iſt als
das Minimum der Luftwärme über dem Meere, ſo iſt
dieſe Erſcheinung, nach meiner Anſicht, ein direkter Beweis
dafür, daß eine Meeresſtrömung in der Tiefe die Gewäſſer
von den Polen zum Aequator führt. Wir laſſen hier das
ſchwierige Problem unerörtert, wie unter den Tropen und in
der gemäßigten Zone, z. B. im Meere der Antillen und in
den Schweizer Seen, dieſe tiefen, bis auf 4 oder 7° abge-
kühlten Waſſerſchichten auf die Temperatur der von ihnen
bedeckten Geſteinſchichten einwirken, und wie dieſe Schichten,
deren urſprüngliche Temperatur unter den Tropen 27°, am
Genfer See 10° beträgt, auf das dem Frierpunkt nahe Waſſer
auf dem Boden der Seen und des tropiſchen Ozeans zurück-
wirken? Dieſe Fragen ſind von der höchſten Wichtigkeit ſowohl
für die Lebensprozeſſe der Tiere, die gewöhnlich auf dem Boden
des ſüßen und des Salzwaſſers leben, als für die Theorie
von der Verteilung der Wärme in Ländern, die von großen,
tiefen Meeren umgeben ſind.

Der See von Valencia iſt ſehr reich an Inſeln, welche
durch die maleriſche Form der Felſen und den Pflanzenwuchs,
der ſie bedeckt, den Reiz der Landſchaft erhöhen. Dieſen
Vorzug hat dieſer tropiſche See vor den Alpenſeen voraus.
Es ſind wenigſtens fünfzehn Inſeln, die in drei Gruppen
zerfallen. Sie ſind zum Teil angebaut und infolge der Waſſer-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0222" n="214"/>
Teilchen mit der Temperatur von + 0,5° &#x017F;inken aber keines-<lb/>
wegs unter die Schicht mit 4° Temperatur, &#x017F;ondern finden<lb/>
das hydro&#x017F;tati&#x017F;che Gleichgewicht nur über der&#x017F;elben. Sie gehen<lb/>
nur dann weiter hinab, wenn &#x017F;ich ihre Temperatur durch die<lb/>
Berührung mit weniger kalten Schichten um 3 bis 4° erhöht<lb/>
hat. Wenn das Wa&#x017F;&#x017F;er beim Erkalten in der&#x017F;elben Proportion<lb/>
bis zum Nullpunkt immer dichter würde, &#x017F;o fände man in<lb/>
&#x017F;ehr tiefen Seen und in Wa&#x017F;&#x017F;erbecken, die nicht miteinander<lb/>
zu&#x017F;ammenhängen, <hi rendition="#g">welches auch die Breite des Ortes<lb/>
&#x017F;ein mag</hi>, eine Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;chicht, deren Temperatur dem Maxi-<lb/>
mum der Erkaltung über dem Frierpunkt, der jährlich die<lb/>
umgebenden niederen Luftregionen ausge&#x017F;etzt &#x017F;ind, beinahe<lb/>
gleich käme. Nach die&#x017F;er Betrachtung er&#x017F;cheint es wahr&#x017F;chein-<lb/>
lich, daß auf den Ebenen der heißen Zone und in nicht hoch-<lb/>
gelegenen Thälern, deren mittlere Wärme 25,5 bis 27°<lb/>
beträgt, der Boden der Seen nie weniger als 21 bis 22°<lb/>
Temperatur haben kann. Wenn in der&#x017F;elben Zone das Meer<lb/>
in der Tiefe von 1360 bis 1560 <hi rendition="#aq">m</hi> Wa&#x017F;&#x017F;er mit einer Tem-<lb/>
peratur von nur 7°, das al&#x017F;o um 12 bis 13° kälter i&#x017F;t als<lb/>
das Minimum der Luftwärme <hi rendition="#g">über dem Meere</hi>, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;e Er&#x017F;cheinung, nach meiner An&#x017F;icht, ein direkter Beweis<lb/>
dafür, daß eine Meeres&#x017F;trömung in der Tiefe die Gewä&#x017F;&#x017F;er<lb/>
von den Polen zum Aequator führt. Wir la&#x017F;&#x017F;en hier das<lb/>
&#x017F;chwierige Problem unerörtert, wie unter den Tropen und in<lb/>
der gemäßigten Zone, z. B. im Meere der Antillen und in<lb/>
den Schweizer Seen, die&#x017F;e tiefen, bis auf 4 oder 7° abge-<lb/>
kühlten Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;chichten auf die Temperatur der von ihnen<lb/>
bedeckten Ge&#x017F;tein&#x017F;chichten einwirken, und wie die&#x017F;e Schichten,<lb/>
deren ur&#x017F;prüngliche Temperatur unter den Tropen 27°, am<lb/>
Genfer See 10° beträgt, auf das dem Frierpunkt nahe Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
auf dem Boden der Seen und des tropi&#x017F;chen Ozeans zurück-<lb/>
wirken? Die&#x017F;e Fragen &#x017F;ind von der höch&#x017F;ten Wichtigkeit &#x017F;owohl<lb/>
für die Lebensproze&#x017F;&#x017F;e der Tiere, die gewöhnlich auf dem Boden<lb/>
des &#x017F;üßen und des Salzwa&#x017F;&#x017F;ers leben, als für die Theorie<lb/>
von der Verteilung der Wärme in Ländern, die von großen,<lb/>
tiefen Meeren umgeben &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Der See von Valencia i&#x017F;t &#x017F;ehr reich an In&#x017F;eln, welche<lb/>
durch die maleri&#x017F;che Form der Fel&#x017F;en und den Pflanzenwuchs,<lb/>
der &#x017F;ie bedeckt, den Reiz der Land&#x017F;chaft erhöhen. Die&#x017F;en<lb/>
Vorzug hat die&#x017F;er tropi&#x017F;che See vor den Alpen&#x017F;een voraus.<lb/>
Es &#x017F;ind wenig&#x017F;tens fünfzehn In&#x017F;eln, die in drei Gruppen<lb/>
zerfallen. Sie &#x017F;ind zum Teil angebaut und infolge der Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0222] Teilchen mit der Temperatur von + 0,5° ſinken aber keines- wegs unter die Schicht mit 4° Temperatur, ſondern finden das hydroſtatiſche Gleichgewicht nur über derſelben. Sie gehen nur dann weiter hinab, wenn ſich ihre Temperatur durch die Berührung mit weniger kalten Schichten um 3 bis 4° erhöht hat. Wenn das Waſſer beim Erkalten in derſelben Proportion bis zum Nullpunkt immer dichter würde, ſo fände man in ſehr tiefen Seen und in Waſſerbecken, die nicht miteinander zuſammenhängen, welches auch die Breite des Ortes ſein mag, eine Waſſerſchicht, deren Temperatur dem Maxi- mum der Erkaltung über dem Frierpunkt, der jährlich die umgebenden niederen Luftregionen ausgeſetzt ſind, beinahe gleich käme. Nach dieſer Betrachtung erſcheint es wahrſchein- lich, daß auf den Ebenen der heißen Zone und in nicht hoch- gelegenen Thälern, deren mittlere Wärme 25,5 bis 27° beträgt, der Boden der Seen nie weniger als 21 bis 22° Temperatur haben kann. Wenn in derſelben Zone das Meer in der Tiefe von 1360 bis 1560 m Waſſer mit einer Tem- peratur von nur 7°, das alſo um 12 bis 13° kälter iſt als das Minimum der Luftwärme über dem Meere, ſo iſt dieſe Erſcheinung, nach meiner Anſicht, ein direkter Beweis dafür, daß eine Meeresſtrömung in der Tiefe die Gewäſſer von den Polen zum Aequator führt. Wir laſſen hier das ſchwierige Problem unerörtert, wie unter den Tropen und in der gemäßigten Zone, z. B. im Meere der Antillen und in den Schweizer Seen, dieſe tiefen, bis auf 4 oder 7° abge- kühlten Waſſerſchichten auf die Temperatur der von ihnen bedeckten Geſteinſchichten einwirken, und wie dieſe Schichten, deren urſprüngliche Temperatur unter den Tropen 27°, am Genfer See 10° beträgt, auf das dem Frierpunkt nahe Waſſer auf dem Boden der Seen und des tropiſchen Ozeans zurück- wirken? Dieſe Fragen ſind von der höchſten Wichtigkeit ſowohl für die Lebensprozeſſe der Tiere, die gewöhnlich auf dem Boden des ſüßen und des Salzwaſſers leben, als für die Theorie von der Verteilung der Wärme in Ländern, die von großen, tiefen Meeren umgeben ſind. Der See von Valencia iſt ſehr reich an Inſeln, welche durch die maleriſche Form der Felſen und den Pflanzenwuchs, der ſie bedeckt, den Reiz der Landſchaft erhöhen. Dieſen Vorzug hat dieſer tropiſche See vor den Alpenſeen voraus. Es ſind wenigſtens fünfzehn Inſeln, die in drei Gruppen zerfallen. Sie ſind zum Teil angebaut und infolge der Waſſer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/222
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/222>, abgerufen am 21.11.2024.