förderlich, wenn sie allmählich zunimmt und lange ohne Unter- brechung anhält. Wenn in der trockenen Jahreszeit die Blätter und die unreife Frucht in einen starken Regenguß kommen, so löst sich die Frucht vom Stiele. Die Gefäße, welche das Wasser einsaugen, scheinen durch Ueberschwellung zu bersten. Ist nun die Kakaoernte äußerst unsicher, weil der Baum gegen schlimme Witterung so empfindlich ist und so viele Würmer, Insekten, Vögel, Säugetiere 1 die Schote fressen, hat dieser Kulturzweig den Nachteil, daß dabei der neue Pflanzer die Früchte seiner Arbeit erst nach 8 bis 10 Jahren genießt und daß das Produkt schwer aufzubewahren ist, so ist dagegen nicht zu übersehen, daß die Kakaopflanzungen weniger Sklaven erfor- dern als die meisten anderen Kulturen. Dieser Umstand ist von großer Bedeutung in einem Zeitpunkte, wo sämtliche Völker Europas den großherzigen Entschluß gefaßt haben, dem Neger- handel ein Ende zu machen. Ein Sklave versieht 1000 Stämme, die im jährlichen Durchschnitt 12 Fanegas Kakao tragen können. Auf Cuba gibt allerdings eine große Zuckerpflanzung mit 300 Schwarzen im Jahre durchschnittlich 40000 Arrobas Zucker, welche, die Kiste 2 zu 40 Piastern, 100000 Piaster wert sind, und in den Provinzen von Venezuela produziert man für 100000 Piaster oder 4000 Fanegas Kakao, die Fanega zu 25 Piastern, auch nur mit 300 bis 350 Sklaven. Die 200000 Kisten Zucker mit 3200000 Arroben, welche Cuba von 1812 bis 1814 jährlich ausgeführt hat, haben einen Wert von 8 Millionen Piastern und könnten mit 24000 Sklaven hergestellt werden, wenn die Insel lauter große Pflan- zungen hätte; aber dieser Annahme widerspricht der Zu- stand der Kolonie und die Natur der Dinge. Die Insel Cuba verwendete im Jahre 1811 nur zur Feldarbeit 143000 Sklaven, während die Capitania general von Caracas, die jährlich 200000 Fanegas Kakao oder für 5 Millionen Piaster pro- duziert, wenn auch nicht ausführt, in Stadt und Land nicht mehr als 60000 Sklaven hat. Es braucht kaum bemerkt zu werden, daß diese Verhältnisse sich mit den Zucker- und Kakao- preisen ändern.
Die schönsten Kakaopflanzungen in der Provinz Caracas sind an der Küste zwischen Caravalleda und der Mündung
1 Papageien, Affen, Aguti, Eichhörner, Hirsche.
2 Eine Kiste (caxa) wiegt 151/2 bis 16 Arroben, die Arroba zu 23 spanischen Pfunden.
förderlich, wenn ſie allmählich zunimmt und lange ohne Unter- brechung anhält. Wenn in der trockenen Jahreszeit die Blätter und die unreife Frucht in einen ſtarken Regenguß kommen, ſo löſt ſich die Frucht vom Stiele. Die Gefäße, welche das Waſſer einſaugen, ſcheinen durch Ueberſchwellung zu berſten. Iſt nun die Kakaoernte äußerſt unſicher, weil der Baum gegen ſchlimme Witterung ſo empfindlich iſt und ſo viele Würmer, Inſekten, Vögel, Säugetiere 1 die Schote freſſen, hat dieſer Kulturzweig den Nachteil, daß dabei der neue Pflanzer die Früchte ſeiner Arbeit erſt nach 8 bis 10 Jahren genießt und daß das Produkt ſchwer aufzubewahren iſt, ſo iſt dagegen nicht zu überſehen, daß die Kakaopflanzungen weniger Sklaven erfor- dern als die meiſten anderen Kulturen. Dieſer Umſtand iſt von großer Bedeutung in einem Zeitpunkte, wo ſämtliche Völker Europas den großherzigen Entſchluß gefaßt haben, dem Neger- handel ein Ende zu machen. Ein Sklave verſieht 1000 Stämme, die im jährlichen Durchſchnitt 12 Fanegas Kakao tragen können. Auf Cuba gibt allerdings eine große Zuckerpflanzung mit 300 Schwarzen im Jahre durchſchnittlich 40000 Arrobas Zucker, welche, die Kiſte 2 zu 40 Piaſtern, 100000 Piaſter wert ſind, und in den Provinzen von Venezuela produziert man für 100000 Piaſter oder 4000 Fanegas Kakao, die Fanega zu 25 Piaſtern, auch nur mit 300 bis 350 Sklaven. Die 200000 Kiſten Zucker mit 3200000 Arroben, welche Cuba von 1812 bis 1814 jährlich ausgeführt hat, haben einen Wert von 8 Millionen Piaſtern und könnten mit 24000 Sklaven hergeſtellt werden, wenn die Inſel lauter große Pflan- zungen hätte; aber dieſer Annahme widerſpricht der Zu- ſtand der Kolonie und die Natur der Dinge. Die Inſel Cuba verwendete im Jahre 1811 nur zur Feldarbeit 143000 Sklaven, während die Capitania general von Caracas, die jährlich 200000 Fanegas Kakao oder für 5 Millionen Piaſter pro- duziert, wenn auch nicht ausführt, in Stadt und Land nicht mehr als 60000 Sklaven hat. Es braucht kaum bemerkt zu werden, daß dieſe Verhältniſſe ſich mit den Zucker- und Kakao- preiſen ändern.
Die ſchönſten Kakaopflanzungen in der Provinz Caracas ſind an der Küſte zwiſchen Caravalleda und der Mündung
1 Papageien, Affen, Aguti, Eichhörner, Hirſche.
2 Eine Kiſte (caxa) wiegt 15½ bis 16 Arroben, die Arroba zu 23 ſpaniſchen Pfunden.
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brechung anhält. Wenn in der trockenen Jahreszeit die Blätter
und die unreife Frucht in einen ſtarken Regenguß kommen,
ſo löſt ſich die Frucht vom Stiele. Die Gefäße, welche das
Waſſer einſaugen, ſcheinen durch Ueberſchwellung zu berſten.
Iſt nun die Kakaoernte äußerſt unſicher, weil der Baum gegen
ſchlimme Witterung ſo empfindlich iſt und ſo viele Würmer,
Inſekten, Vögel, Säugetiere 1 die Schote freſſen, hat dieſer
Kulturzweig den Nachteil, daß dabei der neue Pflanzer die
Früchte ſeiner Arbeit erſt nach 8 bis 10 Jahren genießt und
daß das Produkt ſchwer aufzubewahren iſt, ſo iſt dagegen nicht
zu überſehen, daß die Kakaopflanzungen weniger Sklaven erfor-
dern als die meiſten anderen Kulturen. Dieſer Umſtand iſt
von großer Bedeutung in einem Zeitpunkte, wo ſämtliche Völker
Europas den großherzigen Entſchluß gefaßt haben, dem Neger-
handel ein Ende zu machen. Ein Sklave verſieht 1000 Stämme,
die im jährlichen Durchſchnitt 12 Fanegas Kakao tragen können.
Auf Cuba gibt allerdings eine große Zuckerpflanzung mit
300 Schwarzen im Jahre durchſchnittlich 40000 Arrobas Zucker,
welche, die Kiſte 2 zu 40 Piaſtern, 100000 Piaſter wert ſind,
und in den Provinzen von Venezuela produziert man für
100000 Piaſter oder 4000 Fanegas Kakao, die Fanega zu
25 Piaſtern, auch nur mit 300 bis 350 Sklaven. Die
200000 Kiſten Zucker mit 3200000 Arroben, welche Cuba
von 1812 bis 1814 jährlich ausgeführt hat, haben einen Wert
von 8 Millionen Piaſtern und könnten mit 24000 Sklaven
hergeſtellt werden, wenn die Inſel lauter große Pflan-
zungen hätte; aber dieſer Annahme widerſpricht der Zu-
ſtand der Kolonie und die Natur der Dinge. Die Inſel Cuba
verwendete im Jahre 1811 nur zur Feldarbeit 143000 Sklaven,
während die Capitania general von Caracas, die jährlich
200000 Fanegas Kakao oder für 5 Millionen Piaſter pro-
duziert, wenn auch nicht ausführt, in Stadt und Land nicht
mehr als 60000 Sklaven hat. Es braucht kaum bemerkt zu
werden, daß dieſe Verhältniſſe ſich mit den Zucker- und Kakao-
preiſen ändern.
Die ſchönſten Kakaopflanzungen in der Provinz Caracas
ſind an der Küſte zwiſchen Caravalleda und der Mündung
1 Papageien, Affen, Aguti, Eichhörner, Hirſche.
2 Eine Kiſte (caxa) wiegt 15½ bis 16 Arroben, die Arroba
zu 23 ſpaniſchen Pfunden.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/260>, abgerufen am 16.06.2024.
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