bemerkt man häufig die Strömung nach oben. Die In- dianer glauben einen ganzen Tag lang abwärts zu schiffen, während sie von der Mündung gegen die Quellen fahren. Zwischen den abwärtsströmenden und den aufwärtsströmenden Gewässern bleibt eine bedeutende Wassermasse stillstehen, in der sich durch Gleichgewichtsstörung Wirbel bilden, die den Fahrzeugen gefährlich werden.
Der eigentümlichste Zug der Savannen oder Steppen Südamerikas ist die völlige Abwesenheit aller Erhöhungen, die vollkommen wagerechte Lage des ganzen Bodens. Die spanischen Eroberer, die zuerst von Coro her an die Ufer des Apure vordrangen, haben sie daher auch weder Wüsten, noch Savannen, noch Prärien genannt, sondern Ebenen, los Llanos. Auf 600 qkm zeigt der Boden oft keine fußhohe Unebenheit. Diese Aehnlichkeit mit der Meeresfläche drängt sich der Ein- bildungskraft besonders da auf, wo die Ebenen gar keine Palmen tragen, und wo man von den Bergen an der Küste und vom Orinoko so weit weg ist, daß man dieselben nicht sieht, wie in der Mesa de Pavones. Dort könnte man sich versucht fühlen, mit einem Reflexionsinstrument Sonnenhöhen aufzunehmen, wenn nicht der Landhorizont infolge des wechselnden Spieles der Refraktionen, beständig in Nebel ge- hüllt wäre. Diese Ebenheit des Bodens ist noch vollständiger unter dem Meridian von Calabozo als gegen Ost zwischen Cari, Villa del Pao und Nueva Barcelona; aber sie herrscht ohne Unterbrechung von den Mündungen des Orinoko bis zur Villa de Araure und Ospinos, auf einer Parallele von 810 km, und von San Carlos bis zu den Savannen am Caqueta auf einem Meridian von 900 km. Sie vor allem ist charakteristisch für den neuen Kontinent, sowie für die asia- tischen Steppen zwischen dem Dnjepr und der Wolga, zwi- schen dem Irtysch und dem Ob. Dagegen zeigen die Wüsten im inneren Afrika, in Arabien, Syrien und Persien, die Gobi und die Gasna viele Bodenunebenheiten, Hügelreihen, wasser- lose Schluchten und festes Gestein, das aus dem Sande her- vorragt.
Trotz der scheinbaren Gleichförmigkeit ihrer Fläche finden sich indessen in den Llanos zweierlei Unebenheiten, die dem aufmerksamen Beobachter nicht entgehen. Die erste Art nennt man Bancos; es sind wahre Bänke, Untiefen im Steppen- becken, zerbrochene Schichten von festem Sandstein oder Kalk- stein, die 1,3 bis 1,6 m höher liegen als die übrige Ebene.
bemerkt man häufig die Strömung nach oben. Die In- dianer glauben einen ganzen Tag lang abwärts zu ſchiffen, während ſie von der Mündung gegen die Quellen fahren. Zwiſchen den abwärtsſtrömenden und den aufwärtsſtrömenden Gewäſſern bleibt eine bedeutende Waſſermaſſe ſtillſtehen, in der ſich durch Gleichgewichtsſtörung Wirbel bilden, die den Fahrzeugen gefährlich werden.
Der eigentümlichſte Zug der Savannen oder Steppen Südamerikas iſt die völlige Abweſenheit aller Erhöhungen, die vollkommen wagerechte Lage des ganzen Bodens. Die ſpaniſchen Eroberer, die zuerſt von Coro her an die Ufer des Apure vordrangen, haben ſie daher auch weder Wüſten, noch Savannen, noch Prärien genannt, ſondern Ebenen, los Llanos. Auf 600 qkm zeigt der Boden oft keine fußhohe Unebenheit. Dieſe Aehnlichkeit mit der Meeresfläche drängt ſich der Ein- bildungskraft beſonders da auf, wo die Ebenen gar keine Palmen tragen, und wo man von den Bergen an der Küſte und vom Orinoko ſo weit weg iſt, daß man dieſelben nicht ſieht, wie in der Meſa de Pavones. Dort könnte man ſich verſucht fühlen, mit einem Reflexionsinſtrument Sonnenhöhen aufzunehmen, wenn nicht der Landhorizont infolge des wechſelnden Spieles der Refraktionen, beſtändig in Nebel ge- hüllt wäre. Dieſe Ebenheit des Bodens iſt noch vollſtändiger unter dem Meridian von Calabozo als gegen Oſt zwiſchen Cari, Villa del Pao und Nueva Barcelona; aber ſie herrſcht ohne Unterbrechung von den Mündungen des Orinoko bis zur Villa de Araure und Oſpinos, auf einer Parallele von 810 km, und von San Carlos bis zu den Savannen am Caqueta auf einem Meridian von 900 km. Sie vor allem iſt charakteriſtiſch für den neuen Kontinent, ſowie für die aſia- tiſchen Steppen zwiſchen dem Dnjepr und der Wolga, zwi- ſchen dem Irtyſch und dem Ob. Dagegen zeigen die Wüſten im inneren Afrika, in Arabien, Syrien und Perſien, die Gobi und die Gasna viele Bodenunebenheiten, Hügelreihen, waſſer- loſe Schluchten und feſtes Geſtein, das aus dem Sande her- vorragt.
Trotz der ſcheinbaren Gleichförmigkeit ihrer Fläche finden ſich indeſſen in den Llanos zweierlei Unebenheiten, die dem aufmerkſamen Beobachter nicht entgehen. Die erſte Art nennt man Bancos; es ſind wahre Bänke, Untiefen im Steppen- becken, zerbrochene Schichten von feſtem Sandſtein oder Kalk- ſtein, die 1,3 bis 1,6 m höher liegen als die übrige Ebene.
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dianer glauben einen ganzen Tag lang abwärts zu ſchiffen,
während ſie von der Mündung gegen die Quellen fahren.
Zwiſchen den abwärtsſtrömenden und den aufwärtsſtrömenden
Gewäſſern bleibt eine bedeutende Waſſermaſſe ſtillſtehen, in
der ſich durch Gleichgewichtsſtörung Wirbel bilden, die den
Fahrzeugen gefährlich werden.
Der eigentümlichſte Zug der Savannen oder Steppen
Südamerikas iſt die völlige Abweſenheit aller Erhöhungen,
die vollkommen wagerechte Lage des ganzen Bodens. Die
ſpaniſchen Eroberer, die zuerſt von Coro her an die Ufer des
Apure vordrangen, haben ſie daher auch weder Wüſten, noch
Savannen, noch Prärien genannt, ſondern Ebenen, los Llanos.
Auf 600 qkm zeigt der Boden oft keine fußhohe Unebenheit.
Dieſe Aehnlichkeit mit der Meeresfläche drängt ſich der Ein-
bildungskraft beſonders da auf, wo die Ebenen gar keine
Palmen tragen, und wo man von den Bergen an der Küſte
und vom Orinoko ſo weit weg iſt, daß man dieſelben nicht
ſieht, wie in der Meſa de Pavones. Dort könnte man ſich
verſucht fühlen, mit einem Reflexionsinſtrument Sonnenhöhen
aufzunehmen, wenn nicht der Landhorizont infolge des
wechſelnden Spieles der Refraktionen, beſtändig in Nebel ge-
hüllt wäre. Dieſe Ebenheit des Bodens iſt noch vollſtändiger
unter dem Meridian von Calabozo als gegen Oſt zwiſchen
Cari, Villa del Pao und Nueva Barcelona; aber ſie herrſcht
ohne Unterbrechung von den Mündungen des Orinoko bis zur
Villa de Araure und Oſpinos, auf einer Parallele von
810 km, und von San Carlos bis zu den Savannen am
Caqueta auf einem Meridian von 900 km. Sie vor allem
iſt charakteriſtiſch für den neuen Kontinent, ſowie für die aſia-
tiſchen Steppen zwiſchen dem Dnjepr und der Wolga, zwi-
ſchen dem Irtyſch und dem Ob. Dagegen zeigen die Wüſten
im inneren Afrika, in Arabien, Syrien und Perſien, die Gobi
und die Gasna viele Bodenunebenheiten, Hügelreihen, waſſer-
loſe Schluchten und feſtes Geſtein, das aus dem Sande her-
vorragt.
Trotz der ſcheinbaren Gleichförmigkeit ihrer Fläche finden
ſich indeſſen in den Llanos zweierlei Unebenheiten, die dem
aufmerkſamen Beobachter nicht entgehen. Die erſte Art nennt
man Bancos; es ſind wahre Bänke, Untiefen im Steppen-
becken, zerbrochene Schichten von feſtem Sandſtein oder Kalk-
ſtein, die 1,3 bis 1,6 m höher liegen als die übrige Ebene.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/279>, abgerufen am 20.06.2024.
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