1,3 bis 1,6 m hohen Kräutern bedeckt sind. Die amerikani- schen Llanos oder Pampas sind wahre Steppen. Sie sind in der Regenzeit schön begrünt, aber in der trockensten Jahres- zeit bekommen sie das Ansehen von Wüsten. Das Kraut zer- fällt zu Staub, der Boden berstet, das Krokodil und die großen Schlangen liegen begraben im ausgedörrten Schlamm, bis die ersten Regengüsse im Frühjahr sie aus der langen Erstarrung wecken. Diese Erscheinungen kommen auf dürren Landstrichen von 1000 bis 1200 qkm überall vor, wo keine Gewässer durch die Savanne strömen; denn am Ufer der Bäche und der kleinen Stücke stehenden Wassers stößt der Reisende von Zeit zu Zeit selbst in der dürrsten Jahreszeit auf Ge- büsche der Mauritia, einer Palmenart, deren fächerförmige Blätter beständig glänzend grün sind.
Die asiatischen Steppen liegen alle außerhalb der Wende- kreise und bilden sehr hohe Plateaus. Auch Amerika hat auf dem Rücken der Gebirge von Mexiko, Peru und Quito Sa- vannen von bedeutender Ausdehnung, aber seine ausgedehn- testen Steppen, die Llanos von Cumana, Caracas und Meta, erheben sich nur sehr wenig über dem Meeresspiegel und fallen alle in die Aequinoktialzone. Diese Umstände erteilen ihnen einen eigentümlichen Charakter. Die Seen ohne Abfluß, die kleinen Flußsysteme, die sich im Sande verlieren oder durch die Gebirgsart durchseigen, wie sie den Steppen im öst- lichen Asien und den persischen Wüsten eigen sind, kommen hier nicht vor. Die amerikanischen Llanos fallen gegen Ost und Süd und ihre strömenden Gewässer laufen in den Orinoko.
Nach dem Laufe dieser Flüsse hatte ich früher geglaubt, daß die Ebenen Plateaus bilden müßten, die mindestens 195 bis 290 m über dem Meere gelegen wären. Ich dachte mir, auch die Wüsten im inneren Afrika müßten beträchtlich hoch liegen und stufenweise von den Küsten bis ins Innere des großen Kontinents übereinander aufsteigen. Bis jetzt ist noch kein Barometer in die Sahara gekommen. Was aber die amerikanischen Llanos betrifft, so zeigen die Barometerhöhen, die ich zu Calabozo, zu Villa del Pao und an der Mündung des Meta beobachtet, daß sie nicht mehr als 78 bis 97 m über dem Meeresspiegel liegen. Die Flüsse haben einen sehr schwachen, oft kaum merklichen Fall. So kommt es, daß beim geringsten Winde, und wenn der Orinoko anschwillt, die Flüsse, die in ihn fallen, rückwärts gedrängt werden. Im Rio Arauca
1,3 bis 1,6 m hohen Kräutern bedeckt ſind. Die amerikani- ſchen Llanos oder Pampas ſind wahre Steppen. Sie ſind in der Regenzeit ſchön begrünt, aber in der trockenſten Jahres- zeit bekommen ſie das Anſehen von Wüſten. Das Kraut zer- fällt zu Staub, der Boden berſtet, das Krokodil und die großen Schlangen liegen begraben im ausgedörrten Schlamm, bis die erſten Regengüſſe im Frühjahr ſie aus der langen Erſtarrung wecken. Dieſe Erſcheinungen kommen auf dürren Landſtrichen von 1000 bis 1200 qkm überall vor, wo keine Gewäſſer durch die Savanne ſtrömen; denn am Ufer der Bäche und der kleinen Stücke ſtehenden Waſſers ſtößt der Reiſende von Zeit zu Zeit ſelbſt in der dürrſten Jahreszeit auf Ge- büſche der Mauritia, einer Palmenart, deren fächerförmige Blätter beſtändig glänzend grün ſind.
Die aſiatiſchen Steppen liegen alle außerhalb der Wende- kreiſe und bilden ſehr hohe Plateaus. Auch Amerika hat auf dem Rücken der Gebirge von Mexiko, Peru und Quito Sa- vannen von bedeutender Ausdehnung, aber ſeine ausgedehn- teſten Steppen, die Llanos von Cumana, Caracas und Meta, erheben ſich nur ſehr wenig über dem Meeresſpiegel und fallen alle in die Aequinoktialzone. Dieſe Umſtände erteilen ihnen einen eigentümlichen Charakter. Die Seen ohne Abfluß, die kleinen Flußſyſteme, die ſich im Sande verlieren oder durch die Gebirgsart durchſeigen, wie ſie den Steppen im öſt- lichen Aſien und den perſiſchen Wüſten eigen ſind, kommen hier nicht vor. Die amerikaniſchen Llanos fallen gegen Oſt und Süd und ihre ſtrömenden Gewäſſer laufen in den Orinoko.
Nach dem Laufe dieſer Flüſſe hatte ich früher geglaubt, daß die Ebenen Plateaus bilden müßten, die mindeſtens 195 bis 290 m über dem Meere gelegen wären. Ich dachte mir, auch die Wüſten im inneren Afrika müßten beträchtlich hoch liegen und ſtufenweiſe von den Küſten bis ins Innere des großen Kontinents übereinander aufſteigen. Bis jetzt iſt noch kein Barometer in die Sahara gekommen. Was aber die amerikaniſchen Llanos betrifft, ſo zeigen die Barometerhöhen, die ich zu Calabozo, zu Villa del Pao und an der Mündung des Meta beobachtet, daß ſie nicht mehr als 78 bis 97 m über dem Meeresſpiegel liegen. Die Flüſſe haben einen ſehr ſchwachen, oft kaum merklichen Fall. So kommt es, daß beim geringſten Winde, und wenn der Orinoko anſchwillt, die Flüſſe, die in ihn fallen, rückwärts gedrängt werden. Im Rio Arauca
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1,3 bis 1,6 m hohen Kräutern bedeckt ſind. Die amerikani-
ſchen Llanos oder Pampas ſind wahre Steppen. Sie ſind
in der Regenzeit ſchön begrünt, aber in der trockenſten Jahres-
zeit bekommen ſie das Anſehen von Wüſten. Das Kraut zer-
fällt zu Staub, der Boden berſtet, das Krokodil und die
großen Schlangen liegen begraben im ausgedörrten Schlamm,
bis die erſten Regengüſſe im Frühjahr ſie aus der langen
Erſtarrung wecken. Dieſe Erſcheinungen kommen auf dürren
Landſtrichen von 1000 bis 1200 qkm überall vor, wo keine
Gewäſſer durch die Savanne ſtrömen; denn am Ufer der Bäche
und der kleinen Stücke ſtehenden Waſſers ſtößt der Reiſende
von Zeit zu Zeit ſelbſt in der dürrſten Jahreszeit auf Ge-
büſche der Mauritia, einer Palmenart, deren fächerförmige
Blätter beſtändig glänzend grün ſind.
Die aſiatiſchen Steppen liegen alle außerhalb der Wende-
kreiſe und bilden ſehr hohe Plateaus. Auch Amerika hat auf
dem Rücken der Gebirge von Mexiko, Peru und Quito Sa-
vannen von bedeutender Ausdehnung, aber ſeine ausgedehn-
teſten Steppen, die Llanos von Cumana, Caracas und Meta,
erheben ſich nur ſehr wenig über dem Meeresſpiegel und fallen
alle in die Aequinoktialzone. Dieſe Umſtände erteilen ihnen
einen eigentümlichen Charakter. Die Seen ohne Abfluß, die
kleinen Flußſyſteme, die ſich im Sande verlieren oder durch
die Gebirgsart durchſeigen, wie ſie den Steppen im öſt-
lichen Aſien und den perſiſchen Wüſten eigen ſind, kommen
hier nicht vor. Die amerikaniſchen Llanos fallen gegen
Oſt und Süd und ihre ſtrömenden Gewäſſer laufen in den
Orinoko.
Nach dem Laufe dieſer Flüſſe hatte ich früher geglaubt,
daß die Ebenen Plateaus bilden müßten, die mindeſtens 195
bis 290 m über dem Meere gelegen wären. Ich dachte mir,
auch die Wüſten im inneren Afrika müßten beträchtlich hoch
liegen und ſtufenweiſe von den Küſten bis ins Innere des
großen Kontinents übereinander aufſteigen. Bis jetzt iſt noch
kein Barometer in die Sahara gekommen. Was aber die
amerikaniſchen Llanos betrifft, ſo zeigen die Barometerhöhen,
die ich zu Calabozo, zu Villa del Pao und an der Mündung
des Meta beobachtet, daß ſie nicht mehr als 78 bis 97 m
über dem Meeresſpiegel liegen. Die Flüſſe haben einen ſehr
ſchwachen, oft kaum merklichen Fall. So kommt es, daß beim
geringſten Winde, und wenn der Orinoko anſchwillt, die Flüſſe,
die in ihn fallen, rückwärts gedrängt werden. Im Rio Arauca
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/278>, abgerufen am 20.06.2024.
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