der Pferde zurückstehen muß, in die Savanne hinausjagen. Den Schwanz hoch gehoben, den Kopf zurückgeworfen, laufen sie gegen den Wind und halten zuweilen an, wie um den Raum auszukundschaften; sie richten sich dabei weniger nach den Eindrücken des Gesichts als nach denen des Geruchs, und endlich verkündet anhaltendes Wiehern, daß sich in der Richtung ihres Laufs Wasser findet. In den Llanos geborene Pferde, die sich lange in umherschweifenden Rudeln frei ge- tummelt haben, sind in allen diesen Bewegungen rascher und kommen dabei leichter zum Ziele als solche, die von der Küste herkommen und von zahmen Pferden abstammen. Bei den meisten Tieren, wie beim Menschen, vermindert sich die Schärfe der Sinne durch lange Unterwürfigkeit und durch die Gewöh- nungen, wie feste Wohnsitze und die Fortschritte der Kultur sie mit sich bringen.
Wir gingen unseren Maultieren nach, um zu einer der Lachen zu gelangen, aus denen man das trübe Wasser schöpft, das unseren Durst so übel gelöscht hatte. Wir waren mit Staub bedeckt, verbrannt vom Sandwind, der die Haut noch mehr angreift als die Sonnenstrahlen. Wir sehnten uns nach einem Bad, fanden aber nur ein großes Stück stehenden Wassers, mit Palmen umgeben. Das Wasser war trüb, aber zu unserer großen Verwunderung etwas kühler als die Luft. Auf unserer langen Reise gewöhnt, zu baden, so oft sich Ge- legenheit dazu bot, oft mehrmals des Tages, besannen wir uns nicht lange und sprangen in den Teich. Kaum war das behagliche Gefühl der Kühlung über uns gekommen, als ein Geräusch am entgegengesetzten Ufer uns schnell wieder aus dem Wasser trieb. Es war ein Krokodil, das sich in den Schlamm grub. Es wäre unvorsichtig gewesen, zur Nachtzeit an diesem sumpfigen Ort zu verweilen.
Wir waren nur etwas über 1 km vom Hof entfernt, wir gingen aber über eine Stunde und kamen nicht hin. Wir wurden zu spät gewahr, daß wir eine falsche Richtung ein- geschlagen. Wir hatten bei Anbruch der Nacht, noch ehe die Sterne sichtbar wurden, den Hof verlassen und waren aufs Geratewohl in der Ebene fortgegangen. Wir hatten, wie immer, einen Kompaß bei uns; auch konnten wir uns nach der Stellung des Canopus und des südlichen Kreuzes leicht orientieren; aber all dies half uns nichts, weil wir nicht ge- wiß wußten, ob wir vom Hof weg nach Ost oder nach Süd gegangen waren. Wir wollten an unseren Badeplatz zurück
der Pferde zurückſtehen muß, in die Savanne hinausjagen. Den Schwanz hoch gehoben, den Kopf zurückgeworfen, laufen ſie gegen den Wind und halten zuweilen an, wie um den Raum auszukundſchaften; ſie richten ſich dabei weniger nach den Eindrücken des Geſichts als nach denen des Geruchs, und endlich verkündet anhaltendes Wiehern, daß ſich in der Richtung ihres Laufs Waſſer findet. In den Llanos geborene Pferde, die ſich lange in umherſchweifenden Rudeln frei ge- tummelt haben, ſind in allen dieſen Bewegungen raſcher und kommen dabei leichter zum Ziele als ſolche, die von der Küſte herkommen und von zahmen Pferden abſtammen. Bei den meiſten Tieren, wie beim Menſchen, vermindert ſich die Schärfe der Sinne durch lange Unterwürfigkeit und durch die Gewöh- nungen, wie feſte Wohnſitze und die Fortſchritte der Kultur ſie mit ſich bringen.
Wir gingen unſeren Maultieren nach, um zu einer der Lachen zu gelangen, aus denen man das trübe Waſſer ſchöpft, das unſeren Durſt ſo übel gelöſcht hatte. Wir waren mit Staub bedeckt, verbrannt vom Sandwind, der die Haut noch mehr angreift als die Sonnenſtrahlen. Wir ſehnten uns nach einem Bad, fanden aber nur ein großes Stück ſtehenden Waſſers, mit Palmen umgeben. Das Waſſer war trüb, aber zu unſerer großen Verwunderung etwas kühler als die Luft. Auf unſerer langen Reiſe gewöhnt, zu baden, ſo oft ſich Ge- legenheit dazu bot, oft mehrmals des Tages, beſannen wir uns nicht lange und ſprangen in den Teich. Kaum war das behagliche Gefühl der Kühlung über uns gekommen, als ein Geräuſch am entgegengeſetzten Ufer uns ſchnell wieder aus dem Waſſer trieb. Es war ein Krokodil, das ſich in den Schlamm grub. Es wäre unvorſichtig geweſen, zur Nachtzeit an dieſem ſumpfigen Ort zu verweilen.
Wir waren nur etwas über 1 km vom Hof entfernt, wir gingen aber über eine Stunde und kamen nicht hin. Wir wurden zu ſpät gewahr, daß wir eine falſche Richtung ein- geſchlagen. Wir hatten bei Anbruch der Nacht, noch ehe die Sterne ſichtbar wurden, den Hof verlaſſen und waren aufs Geratewohl in der Ebene fortgegangen. Wir hatten, wie immer, einen Kompaß bei uns; auch konnten wir uns nach der Stellung des Canopus und des ſüdlichen Kreuzes leicht orientieren; aber all dies half uns nichts, weil wir nicht ge- wiß wußten, ob wir vom Hof weg nach Oſt oder nach Süd gegangen waren. Wir wollten an unſeren Badeplatz zurück
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0290"n="282"/>
der Pferde zurückſtehen muß, in die Savanne hinausjagen.<lb/>
Den Schwanz hoch gehoben, den Kopf zurückgeworfen, laufen<lb/>ſie gegen den Wind und halten zuweilen an, wie um den<lb/>
Raum auszukundſchaften; ſie richten ſich dabei weniger nach<lb/>
den Eindrücken des Geſichts als nach denen des Geruchs,<lb/>
und endlich verkündet anhaltendes Wiehern, daß ſich in der<lb/>
Richtung ihres Laufs Waſſer findet. In den Llanos geborene<lb/>
Pferde, die ſich lange in umherſchweifenden Rudeln frei ge-<lb/>
tummelt haben, ſind in allen dieſen Bewegungen raſcher und<lb/>
kommen dabei leichter zum Ziele als ſolche, die von der Küſte<lb/>
herkommen und von zahmen Pferden abſtammen. Bei den<lb/>
meiſten Tieren, wie beim Menſchen, vermindert ſich die Schärfe<lb/>
der Sinne durch lange Unterwürfigkeit und durch die Gewöh-<lb/>
nungen, wie feſte Wohnſitze und die Fortſchritte der Kultur<lb/>ſie mit ſich bringen.</p><lb/><p>Wir gingen unſeren Maultieren nach, um zu einer der<lb/>
Lachen zu gelangen, aus denen man das trübe Waſſer ſchöpft,<lb/>
das unſeren Durſt ſo übel gelöſcht hatte. Wir waren mit<lb/>
Staub bedeckt, verbrannt vom Sandwind, der die Haut noch<lb/>
mehr angreift als die Sonnenſtrahlen. Wir ſehnten uns nach<lb/>
einem Bad, fanden aber nur ein großes Stück ſtehenden<lb/>
Waſſers, mit Palmen umgeben. Das Waſſer war trüb, aber<lb/>
zu unſerer großen Verwunderung etwas kühler als die Luft.<lb/>
Auf unſerer langen Reiſe gewöhnt, zu baden, ſo oft ſich Ge-<lb/>
legenheit dazu bot, oft mehrmals des Tages, beſannen wir<lb/>
uns nicht lange und ſprangen in den Teich. Kaum war das<lb/>
behagliche Gefühl der Kühlung über uns gekommen, als ein<lb/>
Geräuſch am entgegengeſetzten Ufer uns ſchnell wieder aus<lb/>
dem Waſſer trieb. Es war ein Krokodil, das ſich in den<lb/>
Schlamm grub. Es wäre unvorſichtig geweſen, zur Nachtzeit<lb/>
an dieſem ſumpfigen Ort zu verweilen.</p><lb/><p>Wir waren nur etwas über 1 <hirendition="#aq">km</hi> vom Hof entfernt, wir<lb/>
gingen aber über eine Stunde und kamen nicht hin. Wir<lb/>
wurden zu ſpät gewahr, daß wir eine falſche Richtung ein-<lb/>
geſchlagen. Wir hatten bei Anbruch der Nacht, noch ehe die<lb/>
Sterne ſichtbar wurden, den Hof verlaſſen und waren aufs<lb/>
Geratewohl in der Ebene fortgegangen. Wir hatten, wie<lb/>
immer, einen Kompaß bei uns; auch konnten wir uns nach<lb/>
der Stellung des Canopus und des ſüdlichen Kreuzes leicht<lb/>
orientieren; aber all dies half uns nichts, weil wir nicht ge-<lb/>
wiß wußten, ob wir vom Hof weg nach Oſt oder nach Süd<lb/>
gegangen waren. Wir wollten an unſeren Badeplatz zurück<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[282/0290]
der Pferde zurückſtehen muß, in die Savanne hinausjagen.
Den Schwanz hoch gehoben, den Kopf zurückgeworfen, laufen
ſie gegen den Wind und halten zuweilen an, wie um den
Raum auszukundſchaften; ſie richten ſich dabei weniger nach
den Eindrücken des Geſichts als nach denen des Geruchs,
und endlich verkündet anhaltendes Wiehern, daß ſich in der
Richtung ihres Laufs Waſſer findet. In den Llanos geborene
Pferde, die ſich lange in umherſchweifenden Rudeln frei ge-
tummelt haben, ſind in allen dieſen Bewegungen raſcher und
kommen dabei leichter zum Ziele als ſolche, die von der Küſte
herkommen und von zahmen Pferden abſtammen. Bei den
meiſten Tieren, wie beim Menſchen, vermindert ſich die Schärfe
der Sinne durch lange Unterwürfigkeit und durch die Gewöh-
nungen, wie feſte Wohnſitze und die Fortſchritte der Kultur
ſie mit ſich bringen.
Wir gingen unſeren Maultieren nach, um zu einer der
Lachen zu gelangen, aus denen man das trübe Waſſer ſchöpft,
das unſeren Durſt ſo übel gelöſcht hatte. Wir waren mit
Staub bedeckt, verbrannt vom Sandwind, der die Haut noch
mehr angreift als die Sonnenſtrahlen. Wir ſehnten uns nach
einem Bad, fanden aber nur ein großes Stück ſtehenden
Waſſers, mit Palmen umgeben. Das Waſſer war trüb, aber
zu unſerer großen Verwunderung etwas kühler als die Luft.
Auf unſerer langen Reiſe gewöhnt, zu baden, ſo oft ſich Ge-
legenheit dazu bot, oft mehrmals des Tages, beſannen wir
uns nicht lange und ſprangen in den Teich. Kaum war das
behagliche Gefühl der Kühlung über uns gekommen, als ein
Geräuſch am entgegengeſetzten Ufer uns ſchnell wieder aus
dem Waſſer trieb. Es war ein Krokodil, das ſich in den
Schlamm grub. Es wäre unvorſichtig geweſen, zur Nachtzeit
an dieſem ſumpfigen Ort zu verweilen.
Wir waren nur etwas über 1 km vom Hof entfernt, wir
gingen aber über eine Stunde und kamen nicht hin. Wir
wurden zu ſpät gewahr, daß wir eine falſche Richtung ein-
geſchlagen. Wir hatten bei Anbruch der Nacht, noch ehe die
Sterne ſichtbar wurden, den Hof verlaſſen und waren aufs
Geratewohl in der Ebene fortgegangen. Wir hatten, wie
immer, einen Kompaß bei uns; auch konnten wir uns nach
der Stellung des Canopus und des ſüdlichen Kreuzes leicht
orientieren; aber all dies half uns nichts, weil wir nicht ge-
wiß wußten, ob wir vom Hof weg nach Oſt oder nach Süd
gegangen waren. Wir wollten an unſeren Badeplatz zurück
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/290>, abgerufen am 21.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.