Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.Ein halbes Jahrhundert lang waren die Ufer dieses großen Die größten Herden in den Llanos besitzen die Hatos Wenn man von der "unzählbaren Menge" von Horn- Wir fanden in Calabozo, mitten in den Llanos, eine Ein halbes Jahrhundert lang waren die Ufer dieſes großen Die größten Herden in den Llanos beſitzen die Hatos Wenn man von der „unzählbaren Menge“ von Horn- Wir fanden in Calabozo, mitten in den Llanos, eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0300" n="292"/> Ein halbes Jahrhundert lang waren die Ufer dieſes großen<lb/> Stromes von der Einmündung des Apure bis Angoſtura nur<lb/> den Miſſionären bekannt. Vieh wurde nur aus den Häfen<lb/> der Nordküſte, aus Cumana, Barcelona, Burburata und Porto<lb/> Cabello ausgeführt. In neueſter Zeit iſt dieſe Abhängigkeit<lb/> von der Küſte weit geringer geworden. Der ſüdliche Strich<lb/> der Ebenen iſt in ſtarken Verkehr mit dem unteren Orinoko<lb/> getreten, und dieſer Handel iſt deſto lebhafter, da ſich die<lb/> Verbote dabei leicht umgehen laſſen.</p><lb/> <p>Die größten Herden in den Llanos beſitzen die Hatos<lb/> Merecure, La Cruz, Belen, Alta Gracia und Pavon. Das<lb/> ſpaniſche Vieh iſt von Coro und Tocuyo in die Ebenen ge-<lb/> kommen. Die Geſchichte bewahrt den Namen des Koloniſten,<lb/> der zuerſt den glücklichen Gedanken hatte, dieſe Grasfluren zu<lb/> bevölkern, auf denen damals nur Damhirſche und eine große<lb/> Aguti-Art, <hi rendition="#aq">Cavia Capybara,</hi> im Lande <hi rendition="#g">Chiguire</hi> genannt,<lb/> weideten. Chriſtoval Rodriguez ſchickte ums Jahr 1548 das<lb/> erſte Hornvieh in die Llanos. Er wohnte in der Stadt Tocuyo<lb/> und hatte lange in Neugranada gelebt.</p><lb/> <p>Wenn man von der „unzählbaren Menge“ von Horn-<lb/> vieh, Pferden und Maultieren auf den amerikaniſchen Ebenen<lb/> ſprechen hört, ſo vergißt man gewöhnlich, daß es im civili-<lb/> ſierten Europa bei ackerbauenden Völkern auf viel kleinerer<lb/> Bodenfläche gleich ungeheure Mengen gibt. Frankreich hat<lb/><hi rendition="#g">nach</hi> Peuchet 6 Millionen Stück Hornvieh, wovon 3500000<lb/> Ochſen zum Ackerbau verwendet werden. In der öſterreichi-<lb/> ſchen Monarchie ſchätzt Lichtenſtern 13400000 Ochſen, Kühe<lb/> und Kälber. Paris allein verzehrt jährlich 155000 Stück<lb/> Rindvieh; nach Deutſchland werden alle Jahre aus Ungarn<lb/> 150000 Ochſen eingeführt. Die Haustiere in nicht ſtarken<lb/> Herden gelten bei ackerbauenden Völkern als ein untergeord-<lb/> neter Gegenſtand des Nationalreichtums. Sie wirken auch<lb/> weit weniger auf die Einbildungskraft als die umherſchwei-<lb/> fenden Rudel von Rindern und Pferden, die einzige Bevöl-<lb/> kerung der neuangebauten Steppen der Neuen Welt. Kultur<lb/> und bürgerliche Ordnung wirken in gleichem Maße auf die<lb/> Vermehrung der menſchlichen Bevölkerung und auf die Ver-<lb/> vielfältigung der dem Menſchen nützlichen Tiere.</p><lb/> <p>Wir fanden in Calabozo, mitten in den Llanos, eine<lb/> Elektriſiermaſchine mit großen Scheiben, Elektrophoren, Bat-<lb/> terieen, Elektrometern, kurz einen Apparat faſt ſo vollſtändig,<lb/> als unſere Phyſiker in Europa ſie beſitzen. Und all dies war<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [292/0300]
Ein halbes Jahrhundert lang waren die Ufer dieſes großen
Stromes von der Einmündung des Apure bis Angoſtura nur
den Miſſionären bekannt. Vieh wurde nur aus den Häfen
der Nordküſte, aus Cumana, Barcelona, Burburata und Porto
Cabello ausgeführt. In neueſter Zeit iſt dieſe Abhängigkeit
von der Küſte weit geringer geworden. Der ſüdliche Strich
der Ebenen iſt in ſtarken Verkehr mit dem unteren Orinoko
getreten, und dieſer Handel iſt deſto lebhafter, da ſich die
Verbote dabei leicht umgehen laſſen.
Die größten Herden in den Llanos beſitzen die Hatos
Merecure, La Cruz, Belen, Alta Gracia und Pavon. Das
ſpaniſche Vieh iſt von Coro und Tocuyo in die Ebenen ge-
kommen. Die Geſchichte bewahrt den Namen des Koloniſten,
der zuerſt den glücklichen Gedanken hatte, dieſe Grasfluren zu
bevölkern, auf denen damals nur Damhirſche und eine große
Aguti-Art, Cavia Capybara, im Lande Chiguire genannt,
weideten. Chriſtoval Rodriguez ſchickte ums Jahr 1548 das
erſte Hornvieh in die Llanos. Er wohnte in der Stadt Tocuyo
und hatte lange in Neugranada gelebt.
Wenn man von der „unzählbaren Menge“ von Horn-
vieh, Pferden und Maultieren auf den amerikaniſchen Ebenen
ſprechen hört, ſo vergißt man gewöhnlich, daß es im civili-
ſierten Europa bei ackerbauenden Völkern auf viel kleinerer
Bodenfläche gleich ungeheure Mengen gibt. Frankreich hat
nach Peuchet 6 Millionen Stück Hornvieh, wovon 3500000
Ochſen zum Ackerbau verwendet werden. In der öſterreichi-
ſchen Monarchie ſchätzt Lichtenſtern 13400000 Ochſen, Kühe
und Kälber. Paris allein verzehrt jährlich 155000 Stück
Rindvieh; nach Deutſchland werden alle Jahre aus Ungarn
150000 Ochſen eingeführt. Die Haustiere in nicht ſtarken
Herden gelten bei ackerbauenden Völkern als ein untergeord-
neter Gegenſtand des Nationalreichtums. Sie wirken auch
weit weniger auf die Einbildungskraft als die umherſchwei-
fenden Rudel von Rindern und Pferden, die einzige Bevöl-
kerung der neuangebauten Steppen der Neuen Welt. Kultur
und bürgerliche Ordnung wirken in gleichem Maße auf die
Vermehrung der menſchlichen Bevölkerung und auf die Ver-
vielfältigung der dem Menſchen nützlichen Tiere.
Wir fanden in Calabozo, mitten in den Llanos, eine
Elektriſiermaſchine mit großen Scheiben, Elektrophoren, Bat-
terieen, Elektrometern, kurz einen Apparat faſt ſo vollſtändig,
als unſere Phyſiker in Europa ſie beſitzen. Und all dies war
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