Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.hatten. Diese Scheu der Indianer ist um so sonderbarer, als Des langen Wartens müde, und nachdem ein lebender, Der ungewohnte Lärm vom Stampfen der Rosse treibt 1 Wörtlich: mit Pferden die Fische einschläfern und betäuben.
hatten. Dieſe Scheu der Indianer iſt um ſo ſonderbarer, als Des langen Wartens müde, und nachdem ein lebender, Der ungewohnte Lärm vom Stampfen der Roſſe treibt 1 Wörtlich: mit Pferden die Fiſche einſchläfern und betäuben.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0303" n="295"/> hatten. Dieſe Scheu der Indianer iſt um ſo ſonderbarer, als<lb/> ſie von einem nach ihrer Behauptung ganz zuverläſſigen Mittel<lb/> gar keinen Gebrauch machen. Sie verſichern die Weißen, ſo<lb/> oft man ſie über die Schläge der Tembladores befragt, man<lb/> könne ſie ungeſtraft berühren, wenn man dabei Tabak kaue.<lb/> Dieſes Märchen vom Einfluß des Tabakes auf die tieriſche<lb/> Elektrizität iſt auf dem Kontinent von Südamerika ſo weit<lb/> verbreitet, als unter den Matroſen der Glaube, daß Knoblauch<lb/> und Unſchlitt auf die Magnetnadel wirken.</p><lb/> <p>Des langen Wartens müde, und nachdem ein lebender,<lb/> aber ſehr erſchöpfter Gymnotus, den wir bekommen, uns ſehr<lb/> zweifelhafte Reſultate geliefert, gingen wir nach dem Caño<lb/> de Bera, um unſere Verſuche im Freien, unmittelbar am<lb/> Waſſer anzuſtellen. Wir brachen am 19. März in der Frühe<lb/> nach dem kleinen Dorfe Raſtro de Abaxo auf, und von dort<lb/> führten uns Indianer zu einem Bache, der in der dürren<lb/> Jahreszeit ein ſchlammiges Waſſerbecken bildet, um das ſchöne<lb/> Bäume ſtehen, Cluſia, Amyris, Mimoſen mit wohlriechenden<lb/> Blüten. Mit Netzen ſind die Gymnoten ſehr ſchwer zu fangen,<lb/> weil der ausnehmend bewegliche Fiſch ſich gleich den Schlangen<lb/> in den Schlamm eingräbt. Die Wurzeln der <hi rendition="#aq">Piscidia Eri-<lb/> thryna,</hi> der <hi rendition="#aq">Jacquinia armillaris</hi> und einiger Arten von<lb/><hi rendition="#aq">Phyllanthus</hi> haben die Eigenſchaft, daß ſie, in einen Teich<lb/> geworfen, die Tiere darin berauſchen oder betäuben: dieſes<lb/> Mittel, den ſogenannten <hi rendition="#g">Barbasco</hi>, wollten wir nicht an-<lb/> wenden, da die Gymnoten dadurch geſchwächt worden wären.<lb/> Da ſagten die Indianer, ſie wollen <hi rendition="#g">mit Pferden fiſchen</hi>,<lb/><hi rendition="#aq">embarbascar con cavallos.</hi> <note place="foot" n="1">Wörtlich: mit Pferden die Fiſche einſchläfern und betäuben.</note> Wir hatten keinen Begriff von<lb/> einer ſo ſeltſamen Fiſcherei; aber nicht lange, ſo kamen unſere<lb/> Führer aus der Savanne zurück, wo ſie ungezähmte Pferde<lb/> und Maultiere zuſammengetrieben. Sie brachten ihrer etwa<lb/> 30 und jagten ſie ins Waſſer.</p><lb/> <p>Der ungewohnte Lärm vom Stampfen der Roſſe treibt<lb/> die Fiſche aus dem Schlamm hervor und reizt ſie zum An-<lb/> griff. Die ſchwärzlich und gelb gefärbten, großen Waſſer-<lb/> ſchlangen gleichenden Aale ſchwimmen auf der Waſſerfläche<lb/> hin und drängen ſich unter den Bauch der Pferde und Maul-<lb/> tiere. Der Kampf zwiſchen ſo ganz verſchieden organiſierten<lb/> Tieren gibt das maleriſcheſte Bild. Die Indianer mit Har-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [295/0303]
hatten. Dieſe Scheu der Indianer iſt um ſo ſonderbarer, als
ſie von einem nach ihrer Behauptung ganz zuverläſſigen Mittel
gar keinen Gebrauch machen. Sie verſichern die Weißen, ſo
oft man ſie über die Schläge der Tembladores befragt, man
könne ſie ungeſtraft berühren, wenn man dabei Tabak kaue.
Dieſes Märchen vom Einfluß des Tabakes auf die tieriſche
Elektrizität iſt auf dem Kontinent von Südamerika ſo weit
verbreitet, als unter den Matroſen der Glaube, daß Knoblauch
und Unſchlitt auf die Magnetnadel wirken.
Des langen Wartens müde, und nachdem ein lebender,
aber ſehr erſchöpfter Gymnotus, den wir bekommen, uns ſehr
zweifelhafte Reſultate geliefert, gingen wir nach dem Caño
de Bera, um unſere Verſuche im Freien, unmittelbar am
Waſſer anzuſtellen. Wir brachen am 19. März in der Frühe
nach dem kleinen Dorfe Raſtro de Abaxo auf, und von dort
führten uns Indianer zu einem Bache, der in der dürren
Jahreszeit ein ſchlammiges Waſſerbecken bildet, um das ſchöne
Bäume ſtehen, Cluſia, Amyris, Mimoſen mit wohlriechenden
Blüten. Mit Netzen ſind die Gymnoten ſehr ſchwer zu fangen,
weil der ausnehmend bewegliche Fiſch ſich gleich den Schlangen
in den Schlamm eingräbt. Die Wurzeln der Piscidia Eri-
thryna, der Jacquinia armillaris und einiger Arten von
Phyllanthus haben die Eigenſchaft, daß ſie, in einen Teich
geworfen, die Tiere darin berauſchen oder betäuben: dieſes
Mittel, den ſogenannten Barbasco, wollten wir nicht an-
wenden, da die Gymnoten dadurch geſchwächt worden wären.
Da ſagten die Indianer, ſie wollen mit Pferden fiſchen,
embarbascar con cavallos. 1 Wir hatten keinen Begriff von
einer ſo ſeltſamen Fiſcherei; aber nicht lange, ſo kamen unſere
Führer aus der Savanne zurück, wo ſie ungezähmte Pferde
und Maultiere zuſammengetrieben. Sie brachten ihrer etwa
30 und jagten ſie ins Waſſer.
Der ungewohnte Lärm vom Stampfen der Roſſe treibt
die Fiſche aus dem Schlamm hervor und reizt ſie zum An-
griff. Die ſchwärzlich und gelb gefärbten, großen Waſſer-
ſchlangen gleichenden Aale ſchwimmen auf der Waſſerfläche
hin und drängen ſich unter den Bauch der Pferde und Maul-
tiere. Der Kampf zwiſchen ſo ganz verſchieden organiſierten
Tieren gibt das maleriſcheſte Bild. Die Indianer mit Har-
1 Wörtlich: mit Pferden die Fiſche einſchläfern und betäuben.
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