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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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der elektrischen Fische genau beobachten, so muß man diese
berühren, wenn sie sehr erschöpft sind. Die Zitterrochen und
die Zitteraale verursachen dann ein Sehnenhüpfen vom Glied
an, das die elektrischen Organe berührt, bis zum Ellbogen.
Man glaubt bei jedem Schlage innerlich eine Schwingung
zu empfinden, die zwei, drei Sekunden anhält und der eine
schmerzhafte Betäubung folgt. In der ausdrucksvollen Sprache
der Tamanaken heißt daher der Temblador Arimna, das
heißt, "der die Bewegung raubt".

Die Empfindung bei schwachen Schlägen des Gymnotus
schien mir große Aehnlichkeit zu haben mit dem schmerzlichen
Zucken, das ich fühlte, wenn auf den wunden Stellen, die
ich auf meinem Rücken durch spanische Fliegen hervorgebracht,
zwei heterogene Metalle sich berührten. 1 Dieser Unterschied
zwischen der Empfindung, welche der Schlag des elektrischen
Fisches, und der, welche eine Säule oder schwach geladene
Leidner Flasche hervorbringt, ist allen Beobachtern aufgefallen;
derselbe widerspricht indessen keineswegs der Annahme, daß
die Elektrizität und die galvanische Wirkung der Fische dem
Wesen nach eins sind. Die Elektrizität kann beidemal dieselbe
sein, sie mag sich aber verschieden äußern infolge des Baues
der elektrischen Organe, der Intensität des elektrischen Flui-
dums, der Schnelligkeit des Stromes oder einer eigentümlichen
Wirkungsweise. In holländisch Guyana, zum Beispiel zu
Demerary, galten früher die Zitteraale als ein Heilmittel
gegen Lähmungen. Zur Zeit, wo die europäischen Aerzte von
der Anwendung der Elektrizität Großes erwarteten, gab ein
Wundarzt in Essequibo, Namens van der Lott, in Holland
eine Abhandlung über die Heilkräfte des Zitteraales heraus.
Solche "elektrische Kuren" kommen bei den Wilden Amerikas
wie bei den Griechen vor. Scribonius Largus, Galenus und
Dioscorides berichten uns, daß der Zitterrochen Kopfweh,
Migräne und Gicht heile. In den spanischen Kolonieen, die
ich durchreist, habe ich von dieser Heilmethode nichts gehört;
aber so viel ist gewiß, daß Bonpland und ich, nachdem wir
vier Stunden lang an Gymnoten experimentiert, bis zum
anderen Tage Muskelschwäche, Schmerz in den Gelenken, all-
gemeine Ueblichkeit empfanden, eine Folge der heftigen Reizung
des Nervensystems.


1 Humboldts Versuche über die gereizte Muskelfaser.
Bd. I, S. 323--329.

der elektriſchen Fiſche genau beobachten, ſo muß man dieſe
berühren, wenn ſie ſehr erſchöpft ſind. Die Zitterrochen und
die Zitteraale verurſachen dann ein Sehnenhüpfen vom Glied
an, das die elektriſchen Organe berührt, bis zum Ellbogen.
Man glaubt bei jedem Schlage innerlich eine Schwingung
zu empfinden, die zwei, drei Sekunden anhält und der eine
ſchmerzhafte Betäubung folgt. In der ausdrucksvollen Sprache
der Tamanaken heißt daher der Temblador Arimna, das
heißt, „der die Bewegung raubt“.

Die Empfindung bei ſchwachen Schlägen des Gymnotus
ſchien mir große Aehnlichkeit zu haben mit dem ſchmerzlichen
Zucken, das ich fühlte, wenn auf den wunden Stellen, die
ich auf meinem Rücken durch ſpaniſche Fliegen hervorgebracht,
zwei heterogene Metalle ſich berührten. 1 Dieſer Unterſchied
zwiſchen der Empfindung, welche der Schlag des elektriſchen
Fiſches, und der, welche eine Säule oder ſchwach geladene
Leidner Flaſche hervorbringt, iſt allen Beobachtern aufgefallen;
derſelbe widerſpricht indeſſen keineswegs der Annahme, daß
die Elektrizität und die galvaniſche Wirkung der Fiſche dem
Weſen nach eins ſind. Die Elektrizität kann beidemal dieſelbe
ſein, ſie mag ſich aber verſchieden äußern infolge des Baues
der elektriſchen Organe, der Intenſität des elektriſchen Flui-
dums, der Schnelligkeit des Stromes oder einer eigentümlichen
Wirkungsweiſe. In holländiſch Guyana, zum Beiſpiel zu
Demerary, galten früher die Zitteraale als ein Heilmittel
gegen Lähmungen. Zur Zeit, wo die europäiſchen Aerzte von
der Anwendung der Elektrizität Großes erwarteten, gab ein
Wundarzt in Eſſequibo, Namens van der Lott, in Holland
eine Abhandlung über die Heilkräfte des Zitteraales heraus.
Solche „elektriſche Kuren“ kommen bei den Wilden Amerikas
wie bei den Griechen vor. Scribonius Largus, Galenus und
Dioscorides berichten uns, daß der Zitterrochen Kopfweh,
Migräne und Gicht heile. In den ſpaniſchen Kolonieen, die
ich durchreiſt, habe ich von dieſer Heilmethode nichts gehört;
aber ſo viel iſt gewiß, daß Bonpland und ich, nachdem wir
vier Stunden lang an Gymnoten experimentiert, bis zum
anderen Tage Muskelſchwäche, Schmerz in den Gelenken, all-
gemeine Ueblichkeit empfanden, eine Folge der heftigen Reizung
des Nervenſyſtems.


1 Humboldts Verſuche über die gereizte Muskelfaſer.
Bd. I, S. 323—329.
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[298/0306] der elektriſchen Fiſche genau beobachten, ſo muß man dieſe berühren, wenn ſie ſehr erſchöpft ſind. Die Zitterrochen und die Zitteraale verurſachen dann ein Sehnenhüpfen vom Glied an, das die elektriſchen Organe berührt, bis zum Ellbogen. Man glaubt bei jedem Schlage innerlich eine Schwingung zu empfinden, die zwei, drei Sekunden anhält und der eine ſchmerzhafte Betäubung folgt. In der ausdrucksvollen Sprache der Tamanaken heißt daher der Temblador Arimna, das heißt, „der die Bewegung raubt“. Die Empfindung bei ſchwachen Schlägen des Gymnotus ſchien mir große Aehnlichkeit zu haben mit dem ſchmerzlichen Zucken, das ich fühlte, wenn auf den wunden Stellen, die ich auf meinem Rücken durch ſpaniſche Fliegen hervorgebracht, zwei heterogene Metalle ſich berührten. 1 Dieſer Unterſchied zwiſchen der Empfindung, welche der Schlag des elektriſchen Fiſches, und der, welche eine Säule oder ſchwach geladene Leidner Flaſche hervorbringt, iſt allen Beobachtern aufgefallen; derſelbe widerſpricht indeſſen keineswegs der Annahme, daß die Elektrizität und die galvaniſche Wirkung der Fiſche dem Weſen nach eins ſind. Die Elektrizität kann beidemal dieſelbe ſein, ſie mag ſich aber verſchieden äußern infolge des Baues der elektriſchen Organe, der Intenſität des elektriſchen Flui- dums, der Schnelligkeit des Stromes oder einer eigentümlichen Wirkungsweiſe. In holländiſch Guyana, zum Beiſpiel zu Demerary, galten früher die Zitteraale als ein Heilmittel gegen Lähmungen. Zur Zeit, wo die europäiſchen Aerzte von der Anwendung der Elektrizität Großes erwarteten, gab ein Wundarzt in Eſſequibo, Namens van der Lott, in Holland eine Abhandlung über die Heilkräfte des Zitteraales heraus. Solche „elektriſche Kuren“ kommen bei den Wilden Amerikas wie bei den Griechen vor. Scribonius Largus, Galenus und Dioscorides berichten uns, daß der Zitterrochen Kopfweh, Migräne und Gicht heile. In den ſpaniſchen Kolonieen, die ich durchreiſt, habe ich von dieſer Heilmethode nichts gehört; aber ſo viel iſt gewiß, daß Bonpland und ich, nachdem wir vier Stunden lang an Gymnoten experimentiert, bis zum anderen Tage Muskelſchwäche, Schmerz in den Gelenken, all- gemeine Ueblichkeit empfanden, eine Folge der heftigen Reizung des Nervenſyſtems. 1 Humboldts Verſuche über die gereizte Muskelfaſer. Bd. I, S. 323—329.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/306>, abgerufen am 21.11.2024.