Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.Während die Gymnoten für die europäischen Naturforscher Am 24. März verließen wir die Stadt Calabozo, sehr Auf dem Wege durch den südlichen Strich der Llanos Während die Gymnoten für die europäiſchen Naturforſcher Am 24. März verließen wir die Stadt Calabozo, ſehr Auf dem Wege durch den ſüdlichen Strich der Llanos <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0307" n="299"/> <p>Während die Gymnoten für die europäiſchen Naturforſcher<lb/> Gegenſtände der Vorliebe und des lebhafteſten Intereſſes ſind,<lb/> werden ſie von den Eingeborenen gefürchtet und gehaßt. Ihr<lb/> Muskelfleiſch ſchmeckt allerdings nicht übel, aber der Körper<lb/> beſteht zum größten Teil aus dem elektriſchen Organ, und<lb/> dieſes iſt ſchmierig und von unangenehmem Geſchmack; man<lb/> ſondert es daher auch ſorgfältig vom übrigen ab. Zudem<lb/> ſchreibt man es vorzüglich den Gymnoten zu, daß die Fiſche<lb/> in den Sümpfen und Teichen der Llanos ſo ſelten ſind. Sie<lb/> töten ihrer viel mehr, als ſie verzehren, und die Indianer<lb/> erzählten uns, wenn man in ſehr ſtarken Netzen junge Kro-<lb/> kodile und Zitteraale zugleich fange, ſo ſei an letzteren nie<lb/> eine Verletzung zu bemerken, weil ſie die jungen Krokodile<lb/> lähmen, bevor dieſe ihnen etwas anhaben können. Alle Be-<lb/> wohner des Waſſers fliehen die Gemeinſchaft der Zitteraale.<lb/> Eidechſen, Schildkröten und Fröſche ſuchen Sümpfe auf, wo<lb/> ſie vor jenen ſicher ſind. Bei Uritucu mußte man einer<lb/> Straße eine andere Richtung geben, weil die Zitteraale ſich<lb/> in einem Fluſſe ſo vermehrt hatten, daß ſie alle Jahre eine<lb/> Menge Maultiere, die belaſtet durch den Fluß wateten, um-<lb/> brachten.</p><lb/> <p>Am 24. März verließen wir die Stadt Calabozo, ſehr<lb/> befriedigt von unſerem Aufenthalt und unſeren Verſuchen über<lb/> einen ſo wichtigen phyſiologiſchen Gegenſtand. Ich hatte über-<lb/> dies gute Sternbeobachtungen machen können und zu meiner<lb/> Ueberraſchung gefunden, daß die Angaben der Karten auch<lb/> hier um einen Viertelsgrad in der Breite unrichtig ſind. Vor<lb/> mir hatte niemand an dieſem Orte beobachtet, und wie denn<lb/> die Geographen gewöhnlich die Diſtanzen von der Küſte dem<lb/> Binnenlande zu zu groß annehmen, ſo hatten ſie auch hier<lb/> alle Punkte zu weit nach Süden gerückt.</p><lb/> <p>Auf dem Wege durch den ſüdlichen Strich der Llanos<lb/> fanden wir den Boden ſtaubiger, pflanzenloſer, durch die lange<lb/> Dürre zerriſſener. Die Palmen verſchwanden nach und nach<lb/> ganz. Der Thermometer ſtand von 11 Uhr bis zu Sonnen-<lb/> untergang auf 34 bis 35°. Je ruhiger die Luft in 2,6 bis<lb/> 2,9 <hi rendition="#aq">m</hi> Höhe ſchien, deſto dichter wurden wir von den Staub-<lb/> wirbeln eingehüllt, welche von den kleinen, am Boden hin-<lb/> ſtreichenden Luftſtrömungen erzeugt werden. Gegen 4 Uhr<lb/> abends fanden wir in der Savanne ein junges indianiſches<lb/> Mädchen. Sie lag auf dem Rücken, war ganz nackt und<lb/> ſchien nicht über 12 bis 13 Jahre alt. Sie war von<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [299/0307]
Während die Gymnoten für die europäiſchen Naturforſcher
Gegenſtände der Vorliebe und des lebhafteſten Intereſſes ſind,
werden ſie von den Eingeborenen gefürchtet und gehaßt. Ihr
Muskelfleiſch ſchmeckt allerdings nicht übel, aber der Körper
beſteht zum größten Teil aus dem elektriſchen Organ, und
dieſes iſt ſchmierig und von unangenehmem Geſchmack; man
ſondert es daher auch ſorgfältig vom übrigen ab. Zudem
ſchreibt man es vorzüglich den Gymnoten zu, daß die Fiſche
in den Sümpfen und Teichen der Llanos ſo ſelten ſind. Sie
töten ihrer viel mehr, als ſie verzehren, und die Indianer
erzählten uns, wenn man in ſehr ſtarken Netzen junge Kro-
kodile und Zitteraale zugleich fange, ſo ſei an letzteren nie
eine Verletzung zu bemerken, weil ſie die jungen Krokodile
lähmen, bevor dieſe ihnen etwas anhaben können. Alle Be-
wohner des Waſſers fliehen die Gemeinſchaft der Zitteraale.
Eidechſen, Schildkröten und Fröſche ſuchen Sümpfe auf, wo
ſie vor jenen ſicher ſind. Bei Uritucu mußte man einer
Straße eine andere Richtung geben, weil die Zitteraale ſich
in einem Fluſſe ſo vermehrt hatten, daß ſie alle Jahre eine
Menge Maultiere, die belaſtet durch den Fluß wateten, um-
brachten.
Am 24. März verließen wir die Stadt Calabozo, ſehr
befriedigt von unſerem Aufenthalt und unſeren Verſuchen über
einen ſo wichtigen phyſiologiſchen Gegenſtand. Ich hatte über-
dies gute Sternbeobachtungen machen können und zu meiner
Ueberraſchung gefunden, daß die Angaben der Karten auch
hier um einen Viertelsgrad in der Breite unrichtig ſind. Vor
mir hatte niemand an dieſem Orte beobachtet, und wie denn
die Geographen gewöhnlich die Diſtanzen von der Küſte dem
Binnenlande zu zu groß annehmen, ſo hatten ſie auch hier
alle Punkte zu weit nach Süden gerückt.
Auf dem Wege durch den ſüdlichen Strich der Llanos
fanden wir den Boden ſtaubiger, pflanzenloſer, durch die lange
Dürre zerriſſener. Die Palmen verſchwanden nach und nach
ganz. Der Thermometer ſtand von 11 Uhr bis zu Sonnen-
untergang auf 34 bis 35°. Je ruhiger die Luft in 2,6 bis
2,9 m Höhe ſchien, deſto dichter wurden wir von den Staub-
wirbeln eingehüllt, welche von den kleinen, am Boden hin-
ſtreichenden Luftſtrömungen erzeugt werden. Gegen 4 Uhr
abends fanden wir in der Savanne ein junges indianiſches
Mädchen. Sie lag auf dem Rücken, war ganz nackt und
ſchien nicht über 12 bis 13 Jahre alt. Sie war von
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