Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.grammatischen Bau die überraschendsten Aehnlichkeiten. Idiome, Hätte man das System der Jesuiten befolgt, so wären Wie mag man sich auch wundern, daß die Chaymas, die grammatiſchen Bau die überraſchendſten Aehnlichkeiten. Idiome, Hätte man das Syſtem der Jeſuiten befolgt, ſo wären Wie mag man ſich auch wundern, daß die Chaymas, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0032" n="24"/> grammatiſchen Bau die überraſchendſten Aehnlichkeiten. Idiome,<lb/> deren Wurzeln einander um nichts ähnlicher ſind als die<lb/> Wurzeln des Slawiſchen und des Baskiſchen, gleichen einander<lb/> im inneren Mechanismus wie Sanskrit, Perſiſch, Griechiſch<lb/> und die germaniſchen Sprachen. So findet man faſt überall<lb/> in der Neuen Welt, daß die Zeitwörter eine ganze Menge<lb/> Formen und Tempora haben, ein künſtliches, ſehr verwickeltes<lb/> Verfahren, um entweder durch Flexion der perſönlichen Für-<lb/> wörter, welche die Wortendungen bilden, oder durch Ein-<lb/> ſchieben eines Suffixes zum voraus Weſen und Verhältniſſe<lb/> des Subjektes zu bezeichnen, um anzugeben, ob dasſelbe lebendig<lb/> iſt oder leblos, männlichen oder weiblichen Geſchlechtes, einfach<lb/> oder in vielfacher Zahl. Eben wegen dieſer allgemeinen Aehn-<lb/> lichkeit im Bau, und weil amerikaniſche Sprachen, die auch<lb/> nicht ein Wort miteinander gemein haben (z. B. das Mexi-<lb/> kaniſche und das Qquichua), in ihrer inneren Gliederung<lb/> übereinkommen und von den Töchterſprachen des Lateiniſchen<lb/> durchaus abweichen, lernt der Indianer in den Miſſionen<lb/> viel leichter eine amerikaniſche Sprache als die des europäi-<lb/> ſchen Mutterlandes. In den Wäldern am Orinoko habe ich<lb/> die roheſten Indianer zwei, drei Sprachen ſprechen hören.<lb/> Häufig verkehren Wilde verſchiedener Nationen in einem<lb/> anderen als ihrem eigenen Idiom miteinander.</p><lb/> <p>Hätte man das Syſtem der Jeſuiten befolgt, ſo wären<lb/> bereits weit verbreitete Sprachen faſt allgemein geworden.<lb/> Auf Terra Firma und am Orinoko ſpräche man jetzt nur<lb/> karibiſch oder tamanakiſch, im Süden und Südweſten Qqui-<lb/> chua, Guarani, Omagua und araukaniſch. Die Miſſionäre<lb/> könnten ſich dieſe Sprachen zu eigen machen, denen gramma-<lb/> tiſche Formen höchſt regelmäßig und faſt ſo feſt ſind wie im<lb/> Griechiſchen und Sanskrit, und würden ſo den Eingeborenen,<lb/> über die ſie herrſchen, weit näher kommen. Die zahlloſen<lb/> Schwierigkeiten in der Verwaltung von Miſſionen, die aus<lb/> einem Dutzend Völkerſchaften beſtehen, verſchwänden mit der<lb/> Sprachverwirrung. Die wenig verbreiteten Mundarten würden<lb/> tote Sprachen; aber der Indianer behielte mit einer ameri-<lb/> kaniſchen Sprache auch ſeine Individualität und ſeine natio-<lb/> nale Phyſiognomie. Man erreichte ſo auf friedlichem Wege,<lb/> was die allzuſehr geprieſenen Inka, die den Fanatismus<lb/> in die Neue Welt eingeführt, mit Waffengewalt durchzuführen<lb/> begonnen.</p><lb/> <p>Wie mag man ſich auch wundern, daß die Chaymas, die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [24/0032]
grammatiſchen Bau die überraſchendſten Aehnlichkeiten. Idiome,
deren Wurzeln einander um nichts ähnlicher ſind als die
Wurzeln des Slawiſchen und des Baskiſchen, gleichen einander
im inneren Mechanismus wie Sanskrit, Perſiſch, Griechiſch
und die germaniſchen Sprachen. So findet man faſt überall
in der Neuen Welt, daß die Zeitwörter eine ganze Menge
Formen und Tempora haben, ein künſtliches, ſehr verwickeltes
Verfahren, um entweder durch Flexion der perſönlichen Für-
wörter, welche die Wortendungen bilden, oder durch Ein-
ſchieben eines Suffixes zum voraus Weſen und Verhältniſſe
des Subjektes zu bezeichnen, um anzugeben, ob dasſelbe lebendig
iſt oder leblos, männlichen oder weiblichen Geſchlechtes, einfach
oder in vielfacher Zahl. Eben wegen dieſer allgemeinen Aehn-
lichkeit im Bau, und weil amerikaniſche Sprachen, die auch
nicht ein Wort miteinander gemein haben (z. B. das Mexi-
kaniſche und das Qquichua), in ihrer inneren Gliederung
übereinkommen und von den Töchterſprachen des Lateiniſchen
durchaus abweichen, lernt der Indianer in den Miſſionen
viel leichter eine amerikaniſche Sprache als die des europäi-
ſchen Mutterlandes. In den Wäldern am Orinoko habe ich
die roheſten Indianer zwei, drei Sprachen ſprechen hören.
Häufig verkehren Wilde verſchiedener Nationen in einem
anderen als ihrem eigenen Idiom miteinander.
Hätte man das Syſtem der Jeſuiten befolgt, ſo wären
bereits weit verbreitete Sprachen faſt allgemein geworden.
Auf Terra Firma und am Orinoko ſpräche man jetzt nur
karibiſch oder tamanakiſch, im Süden und Südweſten Qqui-
chua, Guarani, Omagua und araukaniſch. Die Miſſionäre
könnten ſich dieſe Sprachen zu eigen machen, denen gramma-
tiſche Formen höchſt regelmäßig und faſt ſo feſt ſind wie im
Griechiſchen und Sanskrit, und würden ſo den Eingeborenen,
über die ſie herrſchen, weit näher kommen. Die zahlloſen
Schwierigkeiten in der Verwaltung von Miſſionen, die aus
einem Dutzend Völkerſchaften beſtehen, verſchwänden mit der
Sprachverwirrung. Die wenig verbreiteten Mundarten würden
tote Sprachen; aber der Indianer behielte mit einer ameri-
kaniſchen Sprache auch ſeine Individualität und ſeine natio-
nale Phyſiognomie. Man erreichte ſo auf friedlichem Wege,
was die allzuſehr geprieſenen Inka, die den Fanatismus
in die Neue Welt eingeführt, mit Waffengewalt durchzuführen
begonnen.
Wie mag man ſich auch wundern, daß die Chaymas, die
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