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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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aicabutke, ein kleines Weib; 1 maypuritaje, ein böser May-
pure-Indianer; aicataje, ein böses Weib.

Baskisch: maitetutendot, ich liebe ihn, wörtlich: ich
liebend ihn bin; beguia, Auge, und beguitsa, sehen; aita-
gana,
zum Vater; durch den Zusatz von tu entsteht das Wort
aitaganatu, zum Vater gehen; ume-tasuna, sanftes, kindlich
offenes Benehmen; ume-queria, widriges kindisches Benehmen. 2

Diesen Beispielen mögen einige beschreibende Komposita
folgen, die an die Kindheit des Menschengeschlechtes mahnen
und in den amerikanischen Sprachen wie im Baskischen durch
eine gewisse Naivität des Ausdruckes überraschen. Tamanacu:
Wespe, uane-imu, wörtlich: Vater (im-de) des Honigs (uane);
die Zehen, ptari-mucuru, wörtlich: die Söhne des Fußes; die
Finger, amgna-mucuru, die Söhne der Hand; die Schwämme,
jeje-panari, wörtlich: die Ohren des Baumes; die Adern der
Hand, amgna-mitti, wörtlich: verästete Wurzeln; die Blätter,
prutpe-jareri, wörtlich: die Haare des Baumwipfels; puirene-
veju,
wörtlich: gerade oder senkrechte Sonne; Blitz, kinemeru-
uaptori,
wörtlich: das Feuer des Donners oder des Ge-
witters. Baskisch: becoquia, Stirne, wörtlich: was zum
Auge gehört; odotsa, das Getöse der Wolke, der Donner;
arribicia, das Echo, wörtlich: der lebendige Stein.

Im Chaymas und Tamanacu haben die Zeitwörter eine
Unzahl Tempora, ein doppeltes Präsens, vier Präterita, drei
Futura. Diese Häufung ist selbst den rohesten amerikanischen
Sprachen eigen. In der Grammatik des Baskischen zählt
Astarloa gleichfalls zweihundertsechs Formen des Zeitwortes
auf. Die Sprachen, welche vorherrschende Neigung zur Flexion
haben, reizen die gemeine Neugier weniger als solche, die
durch bloße Nebeneinanderstellung von Elementen gebildet
erscheinen. In den ersteren sind die Elemente, aus denen
die Worte zusammengesetzt sind und die meist aus wenigen
Buchstaben bestehen, nicht mehr kenntlich. Für sich geben diese
Bestandteile keinen Sinn; alles ist verschlungen und ver-
schmolzen. Die amerikanischen Sprachen dagegen gleichen einem
verwickelten Mechanismus mit offen zu Tage liegendem Räder-

1 Das Diminutiv von Frau oder von Maypure-Indianer wird
dadurch gebildet, daß man butke, das Ende des Wortes cujuputke,
klein, beisetzt. Taje entspricht dem italienischen accio.
2 Die Endung tasuna bedeutet eine gute Eigenschaft, queria
eine schlimme und kommt her von eria, Krankheit.

aicabutkè, ein kleines Weib; 1 maypuritaje, ein böſer May-
pure-Indianer; aicataje, ein böſes Weib.

Baskiſch: maitetutendot, ich liebe ihn, wörtlich: ich
liebend ihn bin; beguia, Auge, und beguitsa, ſehen; aita-
gana,
zum Vater; durch den Zuſatz von tu entſteht das Wort
aitaganatu, zum Vater gehen; ume-tasuna, ſanftes, kindlich
offenes Benehmen; ume-queria, widriges kindiſches Benehmen. 2

Dieſen Beiſpielen mögen einige beſchreibende Kompoſita
folgen, die an die Kindheit des Menſchengeſchlechtes mahnen
und in den amerikaniſchen Sprachen wie im Baskiſchen durch
eine gewiſſe Naivität des Ausdruckes überraſchen. Tamanacu:
Weſpe, uane-imu, wörtlich: Vater (im-de) des Honigs (uane);
die Zehen, ptari-mucuru, wörtlich: die Söhne des Fußes; die
Finger, amgna-mucuru, die Söhne der Hand; die Schwämme,
jeje-panari, wörtlich: die Ohren des Baumes; die Adern der
Hand, amgna-mitti, wörtlich: veräſtete Wurzeln; die Blätter,
prutpe-jareri, wörtlich: die Haare des Baumwipfels; puirene-
veju,
wörtlich: gerade oder ſenkrechte Sonne; Blitz, kinemeru-
uaptori,
wörtlich: das Feuer des Donners oder des Ge-
witters. Baskiſch: becoquia, Stirne, wörtlich: was zum
Auge gehört; odotsa, das Getöſe der Wolke, der Donner;
arribicia, das Echo, wörtlich: der lebendige Stein.

Im Chaymas und Tamanacu haben die Zeitwörter eine
Unzahl Tempora, ein doppeltes Präſens, vier Präterita, drei
Futura. Dieſe Häufung iſt ſelbſt den roheſten amerikaniſchen
Sprachen eigen. In der Grammatik des Baskiſchen zählt
Aſtarloa gleichfalls zweihundertſechs Formen des Zeitwortes
auf. Die Sprachen, welche vorherrſchende Neigung zur Flexion
haben, reizen die gemeine Neugier weniger als ſolche, die
durch bloße Nebeneinanderſtellung von Elementen gebildet
erſcheinen. In den erſteren ſind die Elemente, aus denen
die Worte zuſammengeſetzt ſind und die meiſt aus wenigen
Buchſtaben beſtehen, nicht mehr kenntlich. Für ſich geben dieſe
Beſtandteile keinen Sinn; alles iſt verſchlungen und ver-
ſchmolzen. Die amerikaniſchen Sprachen dagegen gleichen einem
verwickelten Mechanismus mit offen zu Tage liegendem Räder-

1 Das Diminutiv von Frau oder von Maypure-Indianer wird
dadurch gebildet, daß man butkè, das Ende des Wortes cujuputkè,
klein, beiſetzt. Taje entſpricht dem italieniſchen accio.
2 Die Endung tasuna bedeutet eine gute Eigenſchaft, queria
eine ſchlimme und kommt her von eria, Krankheit.
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[34/0042] aicabutkè, ein kleines Weib; 1 maypuritaje, ein böſer May- pure-Indianer; aicataje, ein böſes Weib. Baskiſch: maitetutendot, ich liebe ihn, wörtlich: ich liebend ihn bin; beguia, Auge, und beguitsa, ſehen; aita- gana, zum Vater; durch den Zuſatz von tu entſteht das Wort aitaganatu, zum Vater gehen; ume-tasuna, ſanftes, kindlich offenes Benehmen; ume-queria, widriges kindiſches Benehmen. 2 Dieſen Beiſpielen mögen einige beſchreibende Kompoſita folgen, die an die Kindheit des Menſchengeſchlechtes mahnen und in den amerikaniſchen Sprachen wie im Baskiſchen durch eine gewiſſe Naivität des Ausdruckes überraſchen. Tamanacu: Weſpe, uane-imu, wörtlich: Vater (im-de) des Honigs (uane); die Zehen, ptari-mucuru, wörtlich: die Söhne des Fußes; die Finger, amgna-mucuru, die Söhne der Hand; die Schwämme, jeje-panari, wörtlich: die Ohren des Baumes; die Adern der Hand, amgna-mitti, wörtlich: veräſtete Wurzeln; die Blätter, prutpe-jareri, wörtlich: die Haare des Baumwipfels; puirene- veju, wörtlich: gerade oder ſenkrechte Sonne; Blitz, kinemeru- uaptori, wörtlich: das Feuer des Donners oder des Ge- witters. Baskiſch: becoquia, Stirne, wörtlich: was zum Auge gehört; odotsa, das Getöſe der Wolke, der Donner; arribicia, das Echo, wörtlich: der lebendige Stein. Im Chaymas und Tamanacu haben die Zeitwörter eine Unzahl Tempora, ein doppeltes Präſens, vier Präterita, drei Futura. Dieſe Häufung iſt ſelbſt den roheſten amerikaniſchen Sprachen eigen. In der Grammatik des Baskiſchen zählt Aſtarloa gleichfalls zweihundertſechs Formen des Zeitwortes auf. Die Sprachen, welche vorherrſchende Neigung zur Flexion haben, reizen die gemeine Neugier weniger als ſolche, die durch bloße Nebeneinanderſtellung von Elementen gebildet erſcheinen. In den erſteren ſind die Elemente, aus denen die Worte zuſammengeſetzt ſind und die meiſt aus wenigen Buchſtaben beſtehen, nicht mehr kenntlich. Für ſich geben dieſe Beſtandteile keinen Sinn; alles iſt verſchlungen und ver- ſchmolzen. Die amerikaniſchen Sprachen dagegen gleichen einem verwickelten Mechanismus mit offen zu Tage liegendem Räder- 1 Das Diminutiv von Frau oder von Maypure-Indianer wird dadurch gebildet, daß man butkè, das Ende des Wortes cujuputkè, klein, beiſetzt. Taje entſpricht dem italieniſchen accio. 2 Die Endung tasuna bedeutet eine gute Eigenſchaft, queria eine ſchlimme und kommt her von eria, Krankheit.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/42>, abgerufen am 21.11.2024.