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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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wie, den Panditen zufolge, die drei heiligen Worte der eleu-
sinischen Mysterien (konx om pax) noch heutzutage in Indien
ertönen. Ich will nicht glauben, daß die Völker des latei-
nischen Europas alles hebräisch oder baskisch nennen, was ein
fremdartiges Aussehen hat, wie man lange alles, was nicht
im griechischen oder römischen Stil gehalten war, ägyptische
Denkmäler nannte. Ich glaube vielmehr, daß das gram-
matische System der amerikanischen Sprachen die Missio-
näre des 16. Jahrhunderts in ihrer Annahme von der
asiatischen Herkunft der Völker der Neuen Welt bestärkt hat.
Einen Beweis hierfür liefert die langweilige Kompilation des
Paters Garcia: "Tratad del origen de los Indios". Daß
die possessiven und persönlichen Fürwörter hinter Substantiven
und Zeitwörtern stehen, und daß letztere so viele Tempora
haben, das sind Eigentümlichkeiten des Hebräischen und der
anderen semitischen Sprachen. Manche Missionäre fanden es
nun sehr merkwürdig, daß die amerikanischen Sprachen die-
selben Formen aufzuweisen haben. Sie wußten nicht, daß
die Uebereinstimmung in verschiedenen einzelnen Zügen für
die gemeinsame Abstammung der Sprachen nichts beweist.

Weniger zu verwundern ist, wenn Leute, die nur zwei
voneinander sehr verschiedene Sprachen, Spanisch und Baskisch,
verstehen, an letzterer eine Familienähnlichkeit mit den ameri-
kanischen Sprachen fanden. Die Wortbildung, die Leichtigkeit,
mit der sich die einzelnen Elemente auffinden lassen, die Formen
des Zeitwortes und die mannigfaltigen Gestalten, die es je
nach dem Wesen des regierten Wortes annimmt, alles dies
konnte die Täuschung erzeugen und unterhalten. Aber, wir
wiederholen es, mit der gleichen Neigung zur Aggregation
und Inkorporation ist noch keineswegs gleiche Abstammung
gegeben. Ich gebe einige Beispiele dieser physiognomischen Ver-
wandtschaft zwischen den amerikanischen Sprachen und dem Bas-
kischen, die in den Wurzeln durchgängig voneinander abweichen.

Chaymas: quenpotupra quoguaz, ich kenne nicht,
wörtlich: wissend nicht ich bin. Tamanacu: jarer-uacure,
tragend bin ich, ich trage; anarepna aichi, er wird nicht
tragen, wörtlich: tragend nicht wird sein; patcurbe, gut,
patcutari, sich gut machen; Tamanacu, ein Tamanake; Ta-
manacutari,
sich zum Tamanaken machen; Pongheme, Spanier;
ponghemtari, sich hispanisieren; tenectschi, ich werde sehen;
teneicre, ich werde wiedersehen; tecscha, ich gehe; tecschare,
ich kehre zurück; Maypur butke, ein kleiner Maypure-Indianer;

A. v. Humboldt, Reise. II. 3

wie, den Panditen zufolge, die drei heiligen Worte der eleu-
ſiniſchen Myſterien (konx om pax) noch heutzutage in Indien
ertönen. Ich will nicht glauben, daß die Völker des latei-
niſchen Europas alles hebräiſch oder baskiſch nennen, was ein
fremdartiges Ausſehen hat, wie man lange alles, was nicht
im griechiſchen oder römiſchen Stil gehalten war, ägyptiſche
Denkmäler nannte. Ich glaube vielmehr, daß das gram-
matiſche Syſtem der amerikaniſchen Sprachen die Miſſio-
näre des 16. Jahrhunderts in ihrer Annahme von der
aſiatiſchen Herkunft der Völker der Neuen Welt beſtärkt hat.
Einen Beweis hierfür liefert die langweilige Kompilation des
Paters Garcia: „Tratad del origen de los Indios“. Daß
die poſſeſſiven und perſönlichen Fürwörter hinter Subſtantiven
und Zeitwörtern ſtehen, und daß letztere ſo viele Tempora
haben, das ſind Eigentümlichkeiten des Hebräiſchen und der
anderen ſemitiſchen Sprachen. Manche Miſſionäre fanden es
nun ſehr merkwürdig, daß die amerikaniſchen Sprachen die-
ſelben Formen aufzuweiſen haben. Sie wußten nicht, daß
die Uebereinſtimmung in verſchiedenen einzelnen Zügen für
die gemeinſame Abſtammung der Sprachen nichts beweiſt.

Weniger zu verwundern iſt, wenn Leute, die nur zwei
voneinander ſehr verſchiedene Sprachen, Spaniſch und Baskiſch,
verſtehen, an letzterer eine Familienähnlichkeit mit den ameri-
kaniſchen Sprachen fanden. Die Wortbildung, die Leichtigkeit,
mit der ſich die einzelnen Elemente auffinden laſſen, die Formen
des Zeitwortes und die mannigfaltigen Geſtalten, die es je
nach dem Weſen des regierten Wortes annimmt, alles dies
konnte die Täuſchung erzeugen und unterhalten. Aber, wir
wiederholen es, mit der gleichen Neigung zur Aggregation
und Inkorporation iſt noch keineswegs gleiche Abſtammung
gegeben. Ich gebe einige Beiſpiele dieſer phyſiognomiſchen Ver-
wandtſchaft zwiſchen den amerikaniſchen Sprachen und dem Bas-
kiſchen, die in den Wurzeln durchgängig voneinander abweichen.

Chaymas: quenpotupra quoguaz, ich kenne nicht,
wörtlich: wiſſend nicht ich bin. Tamanacu: jarer-uacure,
tragend bin ich, ich trage; anarepna aichi, er wird nicht
tragen, wörtlich: tragend nicht wird ſein; patcurbe, gut,
patcutari, ſich gut machen; Tamanacu, ein Tamanake; Ta-
manacutari,
ſich zum Tamanaken machen; Pongheme, Spanier;
ponghemtari, ſich hiſpaniſieren; tenectschi, ich werde ſehen;
teneicre, ich werde wiederſehen; tecscha, ich gehe; tecschare,
ich kehre zurück; Maypur butkè, ein kleiner Maypure-Indianer;

A. v. Humboldt, Reiſe. II. 3
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[33/0041] wie, den Panditen zufolge, die drei heiligen Worte der eleu- ſiniſchen Myſterien (konx om pax) noch heutzutage in Indien ertönen. Ich will nicht glauben, daß die Völker des latei- niſchen Europas alles hebräiſch oder baskiſch nennen, was ein fremdartiges Ausſehen hat, wie man lange alles, was nicht im griechiſchen oder römiſchen Stil gehalten war, ägyptiſche Denkmäler nannte. Ich glaube vielmehr, daß das gram- matiſche Syſtem der amerikaniſchen Sprachen die Miſſio- näre des 16. Jahrhunderts in ihrer Annahme von der aſiatiſchen Herkunft der Völker der Neuen Welt beſtärkt hat. Einen Beweis hierfür liefert die langweilige Kompilation des Paters Garcia: „Tratad del origen de los Indios“. Daß die poſſeſſiven und perſönlichen Fürwörter hinter Subſtantiven und Zeitwörtern ſtehen, und daß letztere ſo viele Tempora haben, das ſind Eigentümlichkeiten des Hebräiſchen und der anderen ſemitiſchen Sprachen. Manche Miſſionäre fanden es nun ſehr merkwürdig, daß die amerikaniſchen Sprachen die- ſelben Formen aufzuweiſen haben. Sie wußten nicht, daß die Uebereinſtimmung in verſchiedenen einzelnen Zügen für die gemeinſame Abſtammung der Sprachen nichts beweiſt. Weniger zu verwundern iſt, wenn Leute, die nur zwei voneinander ſehr verſchiedene Sprachen, Spaniſch und Baskiſch, verſtehen, an letzterer eine Familienähnlichkeit mit den ameri- kaniſchen Sprachen fanden. Die Wortbildung, die Leichtigkeit, mit der ſich die einzelnen Elemente auffinden laſſen, die Formen des Zeitwortes und die mannigfaltigen Geſtalten, die es je nach dem Weſen des regierten Wortes annimmt, alles dies konnte die Täuſchung erzeugen und unterhalten. Aber, wir wiederholen es, mit der gleichen Neigung zur Aggregation und Inkorporation iſt noch keineswegs gleiche Abſtammung gegeben. Ich gebe einige Beiſpiele dieſer phyſiognomiſchen Ver- wandtſchaft zwiſchen den amerikaniſchen Sprachen und dem Bas- kiſchen, die in den Wurzeln durchgängig voneinander abweichen. Chaymas: quenpotupra quoguaz, ich kenne nicht, wörtlich: wiſſend nicht ich bin. Tamanacu: jarer-uacure, tragend bin ich, ich trage; anarepna aichi, er wird nicht tragen, wörtlich: tragend nicht wird ſein; patcurbe, gut, patcutari, ſich gut machen; Tamanacu, ein Tamanake; Ta- manacutari, ſich zum Tamanaken machen; Pongheme, Spanier; ponghemtari, ſich hiſpaniſieren; tenectschi, ich werde ſehen; teneicre, ich werde wiederſehen; tecscha, ich gehe; tecschare, ich kehre zurück; Maypur butkè, ein kleiner Maypure-Indianer; A. v. Humboldt, Reiſe. II. 3

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/41>, abgerufen am 23.11.2024.