Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.durch einen furchtbar heißen Tag dazu, um in einem kleinen, Mit Sonnenaufgang am 21. November befanden wir durch einen furchtbar heißen Tag dazu, um in einem kleinen, Mit Sonnenaufgang am 21. November befanden wir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0083" n="75"/> durch einen furchtbar heißen Tag dazu, um in einem kleinen,<lb/> dicht am Wind ſegelnden Fahrzeuge ſchlafen zu können. Die<lb/> See ging um ſo höher, als der Wind bis nach Mitternacht<lb/> der Strömung entgegenblies. Der zwiſchen den Wendekreiſen<lb/> überall bemerkliche Zug des Waſſers gegen Weſten iſt an<lb/> dieſen Küſten nur während zwei Dritteilen des Jahres deutlich<lb/> zu ſpüren; in den Monaten September, Oktober und No-<lb/> vember kommt es oft vor, daß die Strömung vierzehn Tage,<lb/> drei Wochen lang nach Oſten geht. Schon öfter konnten<lb/> Schiffe auf der Fahrt nach Guayra oder Porto Cabello die<lb/> Strömung, die von Weſt nach Oſt ging, nicht bewältigen,<lb/> obgleich ſie den Wind von hinten hatten. Die Urſache dieſer<lb/> Unregelmäßigkeiten iſt bis jetzt nicht bekannt; die Schiffer<lb/> ſchreiben ſie Stürmen aus Nordweſt im Golf von Mexiko<lb/> zu, aber dieſe Stürme ſind im Frühjahr weit ſtärker als im<lb/> Herbſt. Bemerkenswert iſt dabei auch, daß die Strömung<lb/> nach Oſten geht, bevor der Seewind ſich ändert; ſie tritt bei<lb/> Windſtille ein und erſt nach einigen Tagen geht auch der<lb/> Wind der Strömung nach und bläſt beſtändig aus Weſt.<lb/> Während dieſer Vorgänge bleiben die kleinen Schwankungen<lb/> des Barometers auf und ab in ihrer Regelmäßigkeit durch-<lb/> aus ungeſtört.</p><lb/> <p>Mit Sonnenaufgang am 21. November befanden wir<lb/> uns weſtwärts vom Kap Codera dem Curuao gegenüber. Der<lb/> indianiſche Steuermann erſchrak nicht wenig, als ſich nord-<lb/> wärts in der Entfernung von kaum 2 <hi rendition="#aq">km</hi> eine engliſche Fre-<lb/> gatte blicken ließ. Sie hielt uns wahrſcheinlich für eines der<lb/> Fahrzeuge, die mit den Antillen Schleichhandel trieben und<lb/> — denn alles organiſiert ſich mit der Zeit — vom Gou-<lb/> verneur von Trinidad unterzeichnete Lizenzſcheine führten.<lb/> Sie ließ uns durch das Boot, das auf uns zuzukommen<lb/> ſchien, nicht einmal anrufen. Vom Kap Codera an iſt die<lb/> Küſte felſig und ſehr hoch, und die Anſichten, die ſie bietet,<lb/> ſind zugleich wild und maleriſch. Wir waren ſo nahe am<lb/> Lande, daß wir die zerſtreuten, von Kokospalmen umgebenen<lb/> Hütten unterſchieden und die Maſſen von Grün ſich vom<lb/> braunen Grunde des Geſteines abheben ſahen. Ueberall fallen<lb/> die Berge, 970 bis 1300 <hi rendition="#aq">m</hi> hoch, ſteil ab; ihre Flanken werfen<lb/> breite Schlagſchatten über das feuchte Land, das ſich bis zur<lb/> See ausbreitet und geſchmückt mit friſchem Grün daliegt.<lb/> Auf dieſem Uferſtriche wachſen großenteils die tropiſchen<lb/> Früchte, die man auf den Märkten von Caracas in ſo großer<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0083]
durch einen furchtbar heißen Tag dazu, um in einem kleinen,
dicht am Wind ſegelnden Fahrzeuge ſchlafen zu können. Die
See ging um ſo höher, als der Wind bis nach Mitternacht
der Strömung entgegenblies. Der zwiſchen den Wendekreiſen
überall bemerkliche Zug des Waſſers gegen Weſten iſt an
dieſen Küſten nur während zwei Dritteilen des Jahres deutlich
zu ſpüren; in den Monaten September, Oktober und No-
vember kommt es oft vor, daß die Strömung vierzehn Tage,
drei Wochen lang nach Oſten geht. Schon öfter konnten
Schiffe auf der Fahrt nach Guayra oder Porto Cabello die
Strömung, die von Weſt nach Oſt ging, nicht bewältigen,
obgleich ſie den Wind von hinten hatten. Die Urſache dieſer
Unregelmäßigkeiten iſt bis jetzt nicht bekannt; die Schiffer
ſchreiben ſie Stürmen aus Nordweſt im Golf von Mexiko
zu, aber dieſe Stürme ſind im Frühjahr weit ſtärker als im
Herbſt. Bemerkenswert iſt dabei auch, daß die Strömung
nach Oſten geht, bevor der Seewind ſich ändert; ſie tritt bei
Windſtille ein und erſt nach einigen Tagen geht auch der
Wind der Strömung nach und bläſt beſtändig aus Weſt.
Während dieſer Vorgänge bleiben die kleinen Schwankungen
des Barometers auf und ab in ihrer Regelmäßigkeit durch-
aus ungeſtört.
Mit Sonnenaufgang am 21. November befanden wir
uns weſtwärts vom Kap Codera dem Curuao gegenüber. Der
indianiſche Steuermann erſchrak nicht wenig, als ſich nord-
wärts in der Entfernung von kaum 2 km eine engliſche Fre-
gatte blicken ließ. Sie hielt uns wahrſcheinlich für eines der
Fahrzeuge, die mit den Antillen Schleichhandel trieben und
— denn alles organiſiert ſich mit der Zeit — vom Gou-
verneur von Trinidad unterzeichnete Lizenzſcheine führten.
Sie ließ uns durch das Boot, das auf uns zuzukommen
ſchien, nicht einmal anrufen. Vom Kap Codera an iſt die
Küſte felſig und ſehr hoch, und die Anſichten, die ſie bietet,
ſind zugleich wild und maleriſch. Wir waren ſo nahe am
Lande, daß wir die zerſtreuten, von Kokospalmen umgebenen
Hütten unterſchieden und die Maſſen von Grün ſich vom
braunen Grunde des Geſteines abheben ſahen. Ueberall fallen
die Berge, 970 bis 1300 m hoch, ſteil ab; ihre Flanken werfen
breite Schlagſchatten über das feuchte Land, das ſich bis zur
See ausbreitet und geſchmückt mit friſchem Grün daliegt.
Auf dieſem Uferſtriche wachſen großenteils die tropiſchen
Früchte, die man auf den Märkten von Caracas in ſo großer
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