weg, sogar an sehr hochgelegene, frischen, trockenen Winden ausgesetzte Orte verbreitet, so in Spanien nach Medina Si- donia, nach Carlotta und in die Stadt Murcia. Diese Viel- gestaltigkeit derselben Seuche nach den verschiedenen Klimaten, nach der Gesamtheit der prädisponierenden Ursachen, nach der längeren oder kürzeren Dauer, nach den Graden der Bösartig- keit muß uns sehr vorsichtig machen, wenn es sich davon handelt, den geheimen Ursachen des amerikanischen Typhus nachzugehen. Ein einsichtsvoller Beobachter, der in den schreck- lichen Epidemieen der Jahre 1802 und 1803 Oberarzt in der Kolonie San Domingo war und die Krankheit auf Cuba, in den Vereinigten Staaten und in Spanien kennen gelernt hat, ist mit mir der Ansicht, daß der Typhus sehr oft ansteckend ist, aber nicht immer.
Seit das gelbe Fieber in Guayra so furchtbare Ver- heerungen angerichtet, hat man nicht verfehlt, die Unreinlich- keit des kleinen Ortes zu übertreiben, wie man mit Vera- cruz und den Quais oder Warfs von Philadelphia gethan. An einem Orte, der auf sehr trockenem Boden liegt, fast keinen Pflanzenwuchs hat, und wo in 7 bis 8 Monaten kaum ein paar Tropfen Regen fallen, können der Ursachen der so- genannten schädlichen Miasmen nicht eben sehr viele sein. Die Straßen von Guayra schienen mir im allgemeinen ziem- lich reinlich, ausgenommen den Stadtteil, wo die Schlacht- bänke sind. Auf der Reede ist nirgends eine Strandstrecke, wo sich zersetzte Tange und Weichtiere anhäufen, aber die benachbarte Küste nach Osten, dem Kap Codera zu, also unter dem Winde von Guayra, ist äußerst ungesund. Wechselfieber, Faul- und Gallenfieber kommen in Macuto und Caravalleda häufig vor, und wenn von Zeit zu Zeit der Seewind dem Westwinde Platz macht, so kommt aus der kleinen Bucht Catia, deren wir in der Folge oft zu gedenken haben werden, trotz der Schutzwehr des Cabo Blanco, eine mit faulen Dünsten geschwängerte Luft auf die Küste von Guayra.
Da die Reizbarkeit der Organe bei den nördlichen Völkern so viel stärker ist als bei den südlichen, so ist nicht zu be- zweifeln, daß bei größerer Handelsfreiheit und stärkerem und innigerem Verkehr zwischen Ländern mit verschiedenen Kli- maten das gelbe Fieber sich über die Neue Welt verbreiten wird. Da hier so viele erregende Ursachen zusammenwirken und Individuen von so verschiedener Organisation denselben ausgesetzt werden, können möglicherweise sogar neue Krank-
weg, ſogar an ſehr hochgelegene, friſchen, trockenen Winden ausgeſetzte Orte verbreitet, ſo in Spanien nach Medina Si- donia, nach Carlotta und in die Stadt Murcia. Dieſe Viel- geſtaltigkeit derſelben Seuche nach den verſchiedenen Klimaten, nach der Geſamtheit der prädisponierenden Urſachen, nach der längeren oder kürzeren Dauer, nach den Graden der Bösartig- keit muß uns ſehr vorſichtig machen, wenn es ſich davon handelt, den geheimen Urſachen des amerikaniſchen Typhus nachzugehen. Ein einſichtsvoller Beobachter, der in den ſchreck- lichen Epidemieen der Jahre 1802 und 1803 Oberarzt in der Kolonie San Domingo war und die Krankheit auf Cuba, in den Vereinigten Staaten und in Spanien kennen gelernt hat, iſt mit mir der Anſicht, daß der Typhus ſehr oft anſteckend iſt, aber nicht immer.
Seit das gelbe Fieber in Guayra ſo furchtbare Ver- heerungen angerichtet, hat man nicht verfehlt, die Unreinlich- keit des kleinen Ortes zu übertreiben, wie man mit Vera- cruz und den Quais oder Warfs von Philadelphia gethan. An einem Orte, der auf ſehr trockenem Boden liegt, faſt keinen Pflanzenwuchs hat, und wo in 7 bis 8 Monaten kaum ein paar Tropfen Regen fallen, können der Urſachen der ſo- genannten ſchädlichen Miasmen nicht eben ſehr viele ſein. Die Straßen von Guayra ſchienen mir im allgemeinen ziem- lich reinlich, ausgenommen den Stadtteil, wo die Schlacht- bänke ſind. Auf der Reede iſt nirgends eine Strandſtrecke, wo ſich zerſetzte Tange und Weichtiere anhäufen, aber die benachbarte Küſte nach Oſten, dem Kap Codera zu, alſo unter dem Winde von Guayra, iſt äußerſt ungeſund. Wechſelfieber, Faul- und Gallenfieber kommen in Macuto und Caravalleda häufig vor, und wenn von Zeit zu Zeit der Seewind dem Weſtwinde Platz macht, ſo kommt aus der kleinen Bucht Catia, deren wir in der Folge oft zu gedenken haben werden, trotz der Schutzwehr des Cabo Blanco, eine mit faulen Dünſten geſchwängerte Luft auf die Küſte von Guayra.
Da die Reizbarkeit der Organe bei den nördlichen Völkern ſo viel ſtärker iſt als bei den ſüdlichen, ſo iſt nicht zu be- zweifeln, daß bei größerer Handelsfreiheit und ſtärkerem und innigerem Verkehr zwiſchen Ländern mit verſchiedenen Kli- maten das gelbe Fieber ſich über die Neue Welt verbreiten wird. Da hier ſo viele erregende Urſachen zuſammenwirken und Individuen von ſo verſchiedener Organiſation denſelben ausgeſetzt werden, können möglicherweiſe ſogar neue Krank-
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[85/0093]
weg, ſogar an ſehr hochgelegene, friſchen, trockenen Winden
ausgeſetzte Orte verbreitet, ſo in Spanien nach Medina Si-
donia, nach Carlotta und in die Stadt Murcia. Dieſe Viel-
geſtaltigkeit derſelben Seuche nach den verſchiedenen Klimaten,
nach der Geſamtheit der prädisponierenden Urſachen, nach der
längeren oder kürzeren Dauer, nach den Graden der Bösartig-
keit muß uns ſehr vorſichtig machen, wenn es ſich davon
handelt, den geheimen Urſachen des amerikaniſchen Typhus
nachzugehen. Ein einſichtsvoller Beobachter, der in den ſchreck-
lichen Epidemieen der Jahre 1802 und 1803 Oberarzt in der
Kolonie San Domingo war und die Krankheit auf Cuba, in
den Vereinigten Staaten und in Spanien kennen gelernt hat,
iſt mit mir der Anſicht, daß der Typhus ſehr oft anſteckend
iſt, aber nicht immer.
Seit das gelbe Fieber in Guayra ſo furchtbare Ver-
heerungen angerichtet, hat man nicht verfehlt, die Unreinlich-
keit des kleinen Ortes zu übertreiben, wie man mit Vera-
cruz und den Quais oder Warfs von Philadelphia gethan.
An einem Orte, der auf ſehr trockenem Boden liegt, faſt keinen
Pflanzenwuchs hat, und wo in 7 bis 8 Monaten kaum ein
paar Tropfen Regen fallen, können der Urſachen der ſo-
genannten ſchädlichen Miasmen nicht eben ſehr viele ſein.
Die Straßen von Guayra ſchienen mir im allgemeinen ziem-
lich reinlich, ausgenommen den Stadtteil, wo die Schlacht-
bänke ſind. Auf der Reede iſt nirgends eine Strandſtrecke,
wo ſich zerſetzte Tange und Weichtiere anhäufen, aber die
benachbarte Küſte nach Oſten, dem Kap Codera zu, alſo unter
dem Winde von Guayra, iſt äußerſt ungeſund. Wechſelfieber,
Faul- und Gallenfieber kommen in Macuto und Caravalleda
häufig vor, und wenn von Zeit zu Zeit der Seewind dem
Weſtwinde Platz macht, ſo kommt aus der kleinen Bucht Catia,
deren wir in der Folge oft zu gedenken haben werden, trotz
der Schutzwehr des Cabo Blanco, eine mit faulen Dünſten
geſchwängerte Luft auf die Küſte von Guayra.
Da die Reizbarkeit der Organe bei den nördlichen Völkern
ſo viel ſtärker iſt als bei den ſüdlichen, ſo iſt nicht zu be-
zweifeln, daß bei größerer Handelsfreiheit und ſtärkerem und
innigerem Verkehr zwiſchen Ländern mit verſchiedenen Kli-
maten das gelbe Fieber ſich über die Neue Welt verbreiten
wird. Da hier ſo viele erregende Urſachen zuſammenwirken
und Individuen von ſo verſchiedener Organiſation denſelben
ausgeſetzt werden, können möglicherweiſe ſogar neue Krank-
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/93>, abgerufen am 16.02.2025.
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