Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.Hafen des heißen Erdstriches, der bis jetzt bei den Seeleuten Nicht lange, so fordert der Typhus seine Opfer auch Der amerikanische Typhus scheint auf den Küstenstrich Hafen des heißen Erdſtriches, der bis jetzt bei den Seeleuten Nicht lange, ſo fordert der Typhus ſeine Opfer auch Der amerikaniſche Typhus ſcheint auf den Küſtenſtrich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0092" n="84"/> Hafen des heißen Erdſtriches, der bis jetzt bei den Seeleuten<lb/> nicht als beſonders ungeſund verrufen war, viele in kälterem<lb/> Klima geborene Menſchen zugleich ankommen, ſo tritt der<lb/> amerikaniſche Typhus auf. Dieſe Menſchen wurden nicht auf<lb/> der Ueberfahrt vom Typhus befallen, er bricht erſt an Ort<lb/> und Stelle unter ihnen aus. Iſt hier eine Veränderung in<lb/> der Luftkonſtitution eingetreten, oder hat ſich in Individuen<lb/> mit ſehr geſteigerter Reizbarkeit eine neue Krankheitsform ent-<lb/> wickelt?</p><lb/> <p>Nicht lange, ſo fordert der Typhus ſeine Opfer auch<lb/> unter anderen, in ſüdlicheren Ländern geborenen Europäern.<lb/> Teilt er ſich durch Anſteckung mit, ſo iſt es zu verwundern,<lb/> daß er in den Städten des tropiſchen Feſtlandes keineswegs<lb/> ſich an gewiſſe Straßen hält, und daß die unmittelbare Be-<lb/> rührung der Kranken die Gefahr ſo wenig ſteigert, als Ab-<lb/> ſperrung ſie vermindert. Kranke, welche weiter ins Land<lb/> hinein, namentlich an kühlere, höhere Orte geſchafft werden,<lb/> z. B. nach Xalapa, ſtecken die Bewohner dieſer Orte nicht an,<lb/> ſei es nun, weil die Krankheit an ſich nicht anſteckend iſt, ſei<lb/> es, weil die prädisponierenden Urſachen, die ſich an der Küſte<lb/> geltend machen, hier wegfallen. Nimmt die Temperatur be-<lb/> deutend ab, ſo hört die Seuche am Orte, wo ſie ausgebrochen,<lb/> gewöhnlich auf. Mit Eintritt der heißen Jahreszeit, zuweilen<lb/> weit früher, fängt ſie wieder an, obgleich ſeit mehreren<lb/> Monaten im Hafen kein Kranker geweſen und kein Schiff<lb/> eingelaufen iſt.</p><lb/> <p>Der amerikaniſche Typhus ſcheint auf den Küſtenſtrich<lb/> beſchränkt, ſei es nun, weil die, welche ihn einſchleppen, hier<lb/> ans Land kommen und weil hier die Waren aufgehäuft werden,<lb/> an denen, wie man meint, giftige Miasmen haften, oder weil<lb/> ſich am Meeresufer eigentümliche gasförmige Effluvien bilden.<lb/> Das äußere Anſehen der Orte, wo der Typhus wütet, ſcheint<lb/> oft die Annahme eines örtlichen oder endemiſchen Urſprunges<lb/> völlig auszuſchließen. Man hat ihn auf den Kanariſchen<lb/> Inſeln, auf den Bermuden, auf den Kleinen Antillen herrſchen<lb/> ſehen, auf trockenem Boden, in Ländern, deren Klima früher<lb/> für ſehr geſund galt. Die Fälle von Verſchleppung des gelben<lb/> Fiebers ins Binnenland ſind in der heißen Zone ſehr zwei-<lb/> deutig; die Krankheit kann leicht mit den remittierenden Gallen-<lb/> fiebern verwechſelt worden ſein. In der gemäßigten Zone<lb/> dagegen, wo der amerikaniſche Typhus entſchiedener anſteckend<lb/> auftritt, hat ſich die Seuche unzweifelhaft weit vom Uferlande<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [84/0092]
Hafen des heißen Erdſtriches, der bis jetzt bei den Seeleuten
nicht als beſonders ungeſund verrufen war, viele in kälterem
Klima geborene Menſchen zugleich ankommen, ſo tritt der
amerikaniſche Typhus auf. Dieſe Menſchen wurden nicht auf
der Ueberfahrt vom Typhus befallen, er bricht erſt an Ort
und Stelle unter ihnen aus. Iſt hier eine Veränderung in
der Luftkonſtitution eingetreten, oder hat ſich in Individuen
mit ſehr geſteigerter Reizbarkeit eine neue Krankheitsform ent-
wickelt?
Nicht lange, ſo fordert der Typhus ſeine Opfer auch
unter anderen, in ſüdlicheren Ländern geborenen Europäern.
Teilt er ſich durch Anſteckung mit, ſo iſt es zu verwundern,
daß er in den Städten des tropiſchen Feſtlandes keineswegs
ſich an gewiſſe Straßen hält, und daß die unmittelbare Be-
rührung der Kranken die Gefahr ſo wenig ſteigert, als Ab-
ſperrung ſie vermindert. Kranke, welche weiter ins Land
hinein, namentlich an kühlere, höhere Orte geſchafft werden,
z. B. nach Xalapa, ſtecken die Bewohner dieſer Orte nicht an,
ſei es nun, weil die Krankheit an ſich nicht anſteckend iſt, ſei
es, weil die prädisponierenden Urſachen, die ſich an der Küſte
geltend machen, hier wegfallen. Nimmt die Temperatur be-
deutend ab, ſo hört die Seuche am Orte, wo ſie ausgebrochen,
gewöhnlich auf. Mit Eintritt der heißen Jahreszeit, zuweilen
weit früher, fängt ſie wieder an, obgleich ſeit mehreren
Monaten im Hafen kein Kranker geweſen und kein Schiff
eingelaufen iſt.
Der amerikaniſche Typhus ſcheint auf den Küſtenſtrich
beſchränkt, ſei es nun, weil die, welche ihn einſchleppen, hier
ans Land kommen und weil hier die Waren aufgehäuft werden,
an denen, wie man meint, giftige Miasmen haften, oder weil
ſich am Meeresufer eigentümliche gasförmige Effluvien bilden.
Das äußere Anſehen der Orte, wo der Typhus wütet, ſcheint
oft die Annahme eines örtlichen oder endemiſchen Urſprunges
völlig auszuſchließen. Man hat ihn auf den Kanariſchen
Inſeln, auf den Bermuden, auf den Kleinen Antillen herrſchen
ſehen, auf trockenem Boden, in Ländern, deren Klima früher
für ſehr geſund galt. Die Fälle von Verſchleppung des gelben
Fiebers ins Binnenland ſind in der heißen Zone ſehr zwei-
deutig; die Krankheit kann leicht mit den remittierenden Gallen-
fiebern verwechſelt worden ſein. In der gemäßigten Zone
dagegen, wo der amerikaniſche Typhus entſchiedener anſteckend
auftritt, hat ſich die Seuche unzweifelhaft weit vom Uferlande
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