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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Bildsäule versteckten Menschen, aber die Beobachtung der
Eingeborenen am Orinoko, von der hier die Rede ist, scheint
ganz natürlich zu erklären, was zu dem Glauben der Aegypter,
ein Stein töne bei Sonnenaufgang, Anlaß gegeben.

Fast zur selben Zeit, da ich diese Vermutungen einigen
Gelehrten in Europa mitteilte, kamen französische Reisende,
die Herren Jomard, Jollois und Devilliers, auf ähnliche
Gedanken. In einem Denkmal aus Granit, mitten in den
Tempelgebäuden von Karnak, hörten sie bei Sonnenaufgang
ein Geräusch wie von einer reißenden Saite. Gerade den-
selben Vergleich brauchen aber die Alten, wenn von der
Stimme Memnons die Rede ist. Die französischen Reisen-
den sind mit mir der Ansicht, das Durchstreichen der Luft
durch die Spalten eines klingenden Steines habe wahrschein-
lich die ägyptischen Priester auf die Gaukeleien im Mem-
nonium gebracht.

Am 12. April. Wir brachen um 4 Uhr morgens auf.
Der Missionär sah voraus, daß wir Not haben würden, über
die Stromschnellen und den Einfluß des Meta wegzukommen.
Die Indianer ruderten zwölfundeinhalb Stunden ohne Unter-
laß. Während dieser Zeit nahmen sie nichts zu sich als Maniok
und Bananen. Bedenkt man, wie schwer es ist, die Gewalt
der Strömung zu überwinden und die Katarakte hinaufzu-
fahren, und weiß man, daß die Indianer am Orinoko und
Amazonenstrom auf zweimonatlichen Flußfahrten in dieser
Weise ihre Muskeln anstrengen, so wundert man sich gleich
sehr über die Körperkraft und über die Mäßigkeit dieser Men-
schen. Stärkemehl- und zuckerhaltige Stoffe, zuweilen Fische
und Schildkröteneierfett ersetzen hier die Nahrung, welche die
zwei ersten Tierklassen, Säugetiere und Vögel, Tiere mit
rotem, warmem Blute, geben.

Wir fanden das Flußbett auf einer Strecke von 1170 m
voll Granitblöcken; dies ist der sogenannte Raudal de Cariven.
Wir liefen durch Kanäle, die nicht 1,6 m breit waren, und
manchmal stak unsere Piroge zwischen zwei Granitblöcken fest.
Man suchte die Durchfahrten zu vermeiden, durch die sich
das Wasser mit furchtbarem Getöse stürzt. Es ist keine ernst-
liche Gefahr vorhanden, wenn man einen guten indianischen
Steuermann hat. Ist die Strömung nicht zu überwinden,
so springen die Ruderer ins Wasser, binden ein Seil an die
Felsspitzen und ziehen die Piroge herauf. Dies geht sehr
langsam vor sich, und wir benutzten zuweilen die Gelegenheit

Bildſäule verſteckten Menſchen, aber die Beobachtung der
Eingeborenen am Orinoko, von der hier die Rede iſt, ſcheint
ganz natürlich zu erklären, was zu dem Glauben der Aegypter,
ein Stein töne bei Sonnenaufgang, Anlaß gegeben.

Faſt zur ſelben Zeit, da ich dieſe Vermutungen einigen
Gelehrten in Europa mitteilte, kamen franzöſiſche Reiſende,
die Herren Jomard, Jollois und Devilliers, auf ähnliche
Gedanken. In einem Denkmal aus Granit, mitten in den
Tempelgebäuden von Karnak, hörten ſie bei Sonnenaufgang
ein Geräuſch wie von einer reißenden Saite. Gerade den-
ſelben Vergleich brauchen aber die Alten, wenn von der
Stimme Memnons die Rede iſt. Die franzöſiſchen Reiſen-
den ſind mit mir der Anſicht, das Durchſtreichen der Luft
durch die Spalten eines klingenden Steines habe wahrſchein-
lich die ägyptiſchen Prieſter auf die Gaukeleien im Mem-
nonium gebracht.

Am 12. April. Wir brachen um 4 Uhr morgens auf.
Der Miſſionär ſah voraus, daß wir Not haben würden, über
die Stromſchnellen und den Einfluß des Meta wegzukommen.
Die Indianer ruderten zwölfundeinhalb Stunden ohne Unter-
laß. Während dieſer Zeit nahmen ſie nichts zu ſich als Maniok
und Bananen. Bedenkt man, wie ſchwer es iſt, die Gewalt
der Strömung zu überwinden und die Katarakte hinaufzu-
fahren, und weiß man, daß die Indianer am Orinoko und
Amazonenſtrom auf zweimonatlichen Flußfahrten in dieſer
Weiſe ihre Muskeln anſtrengen, ſo wundert man ſich gleich
ſehr über die Körperkraft und über die Mäßigkeit dieſer Men-
ſchen. Stärkemehl- und zuckerhaltige Stoffe, zuweilen Fiſche
und Schildkröteneierfett erſetzen hier die Nahrung, welche die
zwei erſten Tierklaſſen, Säugetiere und Vögel, Tiere mit
rotem, warmem Blute, geben.

Wir fanden das Flußbett auf einer Strecke von 1170 m
voll Granitblöcken; dies iſt der ſogenannte Raudal de Cariven.
Wir liefen durch Kanäle, die nicht 1,6 m breit waren, und
manchmal ſtak unſere Piroge zwiſchen zwei Granitblöcken feſt.
Man ſuchte die Durchfahrten zu vermeiden, durch die ſich
das Waſſer mit furchtbarem Getöſe ſtürzt. Es iſt keine ernſt-
liche Gefahr vorhanden, wenn man einen guten indianiſchen
Steuermann hat. Iſt die Strömung nicht zu überwinden,
ſo ſpringen die Ruderer ins Waſſer, binden ein Seil an die
Felsſpitzen und ziehen die Piroge herauf. Dies geht ſehr
langſam vor ſich, und wir benutzten zuweilen die Gelegenheit

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[92/0100] Bildſäule verſteckten Menſchen, aber die Beobachtung der Eingeborenen am Orinoko, von der hier die Rede iſt, ſcheint ganz natürlich zu erklären, was zu dem Glauben der Aegypter, ein Stein töne bei Sonnenaufgang, Anlaß gegeben. Faſt zur ſelben Zeit, da ich dieſe Vermutungen einigen Gelehrten in Europa mitteilte, kamen franzöſiſche Reiſende, die Herren Jomard, Jollois und Devilliers, auf ähnliche Gedanken. In einem Denkmal aus Granit, mitten in den Tempelgebäuden von Karnak, hörten ſie bei Sonnenaufgang ein Geräuſch wie von einer reißenden Saite. Gerade den- ſelben Vergleich brauchen aber die Alten, wenn von der Stimme Memnons die Rede iſt. Die franzöſiſchen Reiſen- den ſind mit mir der Anſicht, das Durchſtreichen der Luft durch die Spalten eines klingenden Steines habe wahrſchein- lich die ägyptiſchen Prieſter auf die Gaukeleien im Mem- nonium gebracht. Am 12. April. Wir brachen um 4 Uhr morgens auf. Der Miſſionär ſah voraus, daß wir Not haben würden, über die Stromſchnellen und den Einfluß des Meta wegzukommen. Die Indianer ruderten zwölfundeinhalb Stunden ohne Unter- laß. Während dieſer Zeit nahmen ſie nichts zu ſich als Maniok und Bananen. Bedenkt man, wie ſchwer es iſt, die Gewalt der Strömung zu überwinden und die Katarakte hinaufzu- fahren, und weiß man, daß die Indianer am Orinoko und Amazonenſtrom auf zweimonatlichen Flußfahrten in dieſer Weiſe ihre Muskeln anſtrengen, ſo wundert man ſich gleich ſehr über die Körperkraft und über die Mäßigkeit dieſer Men- ſchen. Stärkemehl- und zuckerhaltige Stoffe, zuweilen Fiſche und Schildkröteneierfett erſetzen hier die Nahrung, welche die zwei erſten Tierklaſſen, Säugetiere und Vögel, Tiere mit rotem, warmem Blute, geben. Wir fanden das Flußbett auf einer Strecke von 1170 m voll Granitblöcken; dies iſt der ſogenannte Raudal de Cariven. Wir liefen durch Kanäle, die nicht 1,6 m breit waren, und manchmal ſtak unſere Piroge zwiſchen zwei Granitblöcken feſt. Man ſuchte die Durchfahrten zu vermeiden, durch die ſich das Waſſer mit furchtbarem Getöſe ſtürzt. Es iſt keine ernſt- liche Gefahr vorhanden, wenn man einen guten indianiſchen Steuermann hat. Iſt die Strömung nicht zu überwinden, ſo ſpringen die Ruderer ins Waſſer, binden ein Seil an die Felsſpitzen und ziehen die Piroge herauf. Dies geht ſehr langſam vor ſich, und wir benutzten zuweilen die Gelegenheit

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/100>, abgerufen am 24.11.2024.