Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.auf seiner Fahrt gekommen war, 1 und stiegen wieder aus. Die Teilnahme, mit der wir die armen Wilden betrachtet 1 Und doch will Gumilla auf dem Guaviare gefahren sein. Nach ihm liegt der Raudal de Tabaje unter 1° 4' der Breite, was um 5° 10' zu wenig ist. A. v. Humboldt, Reise. III. 7
auf ſeiner Fahrt gekommen war, 1 und ſtiegen wieder aus. Die Teilnahme, mit der wir die armen Wilden betrachtet 1 Und doch will Gumilla auf dem Guaviare gefahren ſein. Nach ihm liegt der Raudal de Tabaje unter 1° 4′ der Breite, was um 5° 10′ zu wenig iſt. A. v. Humboldt, Reiſe. III. 7
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0105" n="97"/> auf ſeiner Fahrt gekommen war, <note place="foot" n="1">Und doch will Gumilla auf dem Guaviare gefahren ſein.<lb/> Nach ihm liegt der Raudal de Tabaje unter 1° 4′ der Breite,<lb/> was um 5° 10′ zu wenig iſt.</note> und ſtiegen wieder aus.<lb/> Unſer Begleiter, Pater Zea, wollte in der neuen, ſeit zwei<lb/> Jahren beſtehenden Miſſion San Borja die Meſſe leſen. Wir<lb/> fanden daſelbſt ſechs von noch nicht katechiſierten Guahibos<lb/> bewohnte Häuſer. Sie unterſchieden ſich in nichts von den<lb/> wilden Indianern. Ihre ziemlich großen ſchwarzen Augen<lb/> verrieten mehr Lebendigkeit als die der Indianer in den übrigen<lb/> Miſſionen. Vergeblich boten wir ihnen Branntwein an; ſie<lb/> wollten ihn nicht einmal koſten. Die Geſichter der jungen<lb/> Mädchen waren alle mit runden ſchwarzen Tupfen bemalt;<lb/> dieſelben nahmen ſich aus wie die Schönpfläſterchen, mit denen<lb/> früher die Weiber in Europa die Weiße ihrer Haut zu heben<lb/> meinten. Am übrigen Körper waren die Guahibos nicht be-<lb/> malt. Mehrere hatten einen Bart; ſie ſchienen ſtolz darauf,<lb/> faßten uns am Kinn und gaben uns durch Zeichen zu ver-<lb/> ſtehen, ſie ſeien wie wir. Sie ſind meiſt ziemlich ſchlank<lb/> gewachſen. Auch hier, wie bei den Salivas und Macos, fiel<lb/> mir wieder auf, wie wenig Aehnlichkeit die Indianer am<lb/> Orinoko in der Geſichtsbildung miteinander haben. Ihr Blick<lb/> iſt düſter, trübſelig, aber weder ſtreng noch wild. Sie haben<lb/> keinen Begriff von den chriſtlichen Religionsgebräuchen (der<lb/> Miſſionär von Carichana lieſt in San Borja nur drei- oder<lb/> viermal im Jahre Meſſe); dennoch benahmen ſie ſich in der<lb/> Kirche durchaus anſtändig. Die Indianer lieben es, ſich ein<lb/> Anſehen zu geben; gern dulden ſie eine Weile Zwang und<lb/> Unterwürfigkeit aller Art, wenn ſie nur wiſſen, daß man auf<lb/> ſie ſieht. Bei der Kommunion machten ſie einander Zeichen,<lb/> daß jetzt der Prieſter den Kelch zum Munde führen werde.<lb/> Dieſe Gebärde ausgenommen, ſaßen ſie da, ohne ſich zu rühren,<lb/> völlig teilnahmlos.</p><lb/> <p>Die Teilnahme, mit der wir die armen Wilden betrachtet<lb/> hatten, war vielleicht ſchuld daran, daß die Miſſion einging.<lb/> Einige derſelben, die lieber umherzogen, als das Land bauten,<lb/> beredeten die anderen, wieder auf die Ebenen am Meta zu<lb/> ziehen; ſie ſagten ihnen, die Weißen würden wieder nach<lb/> San Borja kommen und ſie dann in ihren Kanoen fort-<lb/> ſchleppen und in Angoſtura als <hi rendition="#g">Poitos</hi>, als Sklaven ver-<lb/> kaufen. Die Guahibos warteten, bis ſie hörten, daß wir<lb/> <fw place="bottom" type="sig">A. v. <hi rendition="#g">Humboldt</hi>, Reiſe. <hi rendition="#aq">III.</hi> 7</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [97/0105]
auf ſeiner Fahrt gekommen war, 1 und ſtiegen wieder aus.
Unſer Begleiter, Pater Zea, wollte in der neuen, ſeit zwei
Jahren beſtehenden Miſſion San Borja die Meſſe leſen. Wir
fanden daſelbſt ſechs von noch nicht katechiſierten Guahibos
bewohnte Häuſer. Sie unterſchieden ſich in nichts von den
wilden Indianern. Ihre ziemlich großen ſchwarzen Augen
verrieten mehr Lebendigkeit als die der Indianer in den übrigen
Miſſionen. Vergeblich boten wir ihnen Branntwein an; ſie
wollten ihn nicht einmal koſten. Die Geſichter der jungen
Mädchen waren alle mit runden ſchwarzen Tupfen bemalt;
dieſelben nahmen ſich aus wie die Schönpfläſterchen, mit denen
früher die Weiber in Europa die Weiße ihrer Haut zu heben
meinten. Am übrigen Körper waren die Guahibos nicht be-
malt. Mehrere hatten einen Bart; ſie ſchienen ſtolz darauf,
faßten uns am Kinn und gaben uns durch Zeichen zu ver-
ſtehen, ſie ſeien wie wir. Sie ſind meiſt ziemlich ſchlank
gewachſen. Auch hier, wie bei den Salivas und Macos, fiel
mir wieder auf, wie wenig Aehnlichkeit die Indianer am
Orinoko in der Geſichtsbildung miteinander haben. Ihr Blick
iſt düſter, trübſelig, aber weder ſtreng noch wild. Sie haben
keinen Begriff von den chriſtlichen Religionsgebräuchen (der
Miſſionär von Carichana lieſt in San Borja nur drei- oder
viermal im Jahre Meſſe); dennoch benahmen ſie ſich in der
Kirche durchaus anſtändig. Die Indianer lieben es, ſich ein
Anſehen zu geben; gern dulden ſie eine Weile Zwang und
Unterwürfigkeit aller Art, wenn ſie nur wiſſen, daß man auf
ſie ſieht. Bei der Kommunion machten ſie einander Zeichen,
daß jetzt der Prieſter den Kelch zum Munde führen werde.
Dieſe Gebärde ausgenommen, ſaßen ſie da, ohne ſich zu rühren,
völlig teilnahmlos.
Die Teilnahme, mit der wir die armen Wilden betrachtet
hatten, war vielleicht ſchuld daran, daß die Miſſion einging.
Einige derſelben, die lieber umherzogen, als das Land bauten,
beredeten die anderen, wieder auf die Ebenen am Meta zu
ziehen; ſie ſagten ihnen, die Weißen würden wieder nach
San Borja kommen und ſie dann in ihren Kanoen fort-
ſchleppen und in Angoſtura als Poitos, als Sklaven ver-
kaufen. Die Guahibos warteten, bis ſie hörten, daß wir
1 Und doch will Gumilla auf dem Guaviare gefahren ſein.
Nach ihm liegt der Raudal de Tabaje unter 1° 4′ der Breite,
was um 5° 10′ zu wenig iſt.
A. v. Humboldt, Reiſe. III. 7
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