Konglomerat zwischen Tambillo und dem Pongo Rentema, wo ich Breite, Tiefe und Geschwindigkeit des Wassers ge- messen habe; er tritt aus dem roten Sandstein ostwärts von der vielberufenen Stromenge Manseriche beim Pongo Tayuchuc, wo die Hügel sich nur noch 78 bis 116 m über den Fluß- spiegel erheben. Den östlichen Zug, der an den Pampas von Sacramento hinläuft, erreicht der Fluß nicht. Von den Hügeln von Tayuchuc bis Gran Para, auf einer Strecke von mehr als 3375 km, ist die Schiffahrt ganz frei. Aus dieser raschen Uebersicht ergibt sich, daß der Marannon, hätte er nicht das Bergland zwischen San Jago und Tomependa, das zur Central- kette der Anden gehört, zu durchziehen, schiffbar wäre von seinem Ausfluß ins Meer bis Pumpo bei Piscobamba in der Provinz Conchucos, 193 km von seiner Quelle.
Wir haben gesehen, daß sich beim Orinoko wie beim Amazonenstrom die großen Fälle nicht in der Nähe des Ur- sprunges befinden. Nach einem ruhigen Lauf von mehr als 720 km vom kleinen Raudal der Guaharibos, ostwärts von Esmeralda, bis zu den Bergen von Sipapu, und nachdem er sich durch die Flüsse Jao, Ventuari, Atabapo und Guaviare verstärkt, biegt der Orinoko aus seiner bisherigen Richtung von Ost nach West rasch in die von Süd nach Nord um und stößt auf dem Laufe über die "Land-Meerenge" 1 in den Nie- derungen am Meta auf die Ausläufer der Kordillere der Parime. Und dadurch entstehen nun Fälle, die weit stärker sind und der Schiffahrt ungleich mehr Eintrag thun als alle Pongos im oberen Marannon, weil sie, wie wir oben ausein- andergesetzt, der Mündung des Flusses verhältnismäßig näher liegen. Ich habe mich in diese geographischen Details ein- gelassen, um am Beispiel der größten Ströme der Neuen Welt zu zeigen: 1) daß sich nicht absolut eine gewisse Meter- zahl, eine gewisse Meereshöhe angeben läßt, über welcher die Flüsse noch nicht schiffbar sind; 2) daß die Stromschnellen keineswegs immer, wie in manchen Handbüchern der allge- meinen Topographie behauptet wird, nur am Abhang der ersten Bergschwellen, bei den ersten Höhenzügen vorkommen, über welche die Gewässer in der Nähe ihrer Quellen zu laufen haben.
1 Diese Landenge, von der schon öfters die Rede war, wird von den Kordilleren der Anden von Neugranada und von der Kordillere der Parime gebildet.
Konglomerat zwiſchen Tambillo und dem Pongo Rentema, wo ich Breite, Tiefe und Geſchwindigkeit des Waſſers ge- meſſen habe; er tritt aus dem roten Sandſtein oſtwärts von der vielberufenen Stromenge Manſeriche beim Pongo Tayuchuc, wo die Hügel ſich nur noch 78 bis 116 m über den Fluß- ſpiegel erheben. Den öſtlichen Zug, der an den Pampas von Sacramento hinläuft, erreicht der Fluß nicht. Von den Hügeln von Tayuchuc bis Gran Para, auf einer Strecke von mehr als 3375 km, iſt die Schiffahrt ganz frei. Aus dieſer raſchen Ueberſicht ergibt ſich, daß der Marañon, hätte er nicht das Bergland zwiſchen San Jago und Tomependa, das zur Central- kette der Anden gehört, zu durchziehen, ſchiffbar wäre von ſeinem Ausfluß ins Meer bis Pumpo bei Piscobamba in der Provinz Conchucos, 193 km von ſeiner Quelle.
Wir haben geſehen, daß ſich beim Orinoko wie beim Amazonenſtrom die großen Fälle nicht in der Nähe des Ur- ſprunges befinden. Nach einem ruhigen Lauf von mehr als 720 km vom kleinen Raudal der Guaharibos, oſtwärts von Esmeralda, bis zu den Bergen von Sipapu, und nachdem er ſich durch die Flüſſe Jao, Ventuari, Atabapo und Guaviare verſtärkt, biegt der Orinoko aus ſeiner bisherigen Richtung von Oſt nach Weſt raſch in die von Süd nach Nord um und ſtößt auf dem Laufe über die „Land-Meerenge“ 1 in den Nie- derungen am Meta auf die Ausläufer der Kordillere der Parime. Und dadurch entſtehen nun Fälle, die weit ſtärker ſind und der Schiffahrt ungleich mehr Eintrag thun als alle Pongos im oberen Marañon, weil ſie, wie wir oben ausein- andergeſetzt, der Mündung des Fluſſes verhältnismäßig näher liegen. Ich habe mich in dieſe geographiſchen Details ein- gelaſſen, um am Beiſpiel der größten Ströme der Neuen Welt zu zeigen: 1) daß ſich nicht abſolut eine gewiſſe Meter- zahl, eine gewiſſe Meereshöhe angeben läßt, über welcher die Flüſſe noch nicht ſchiffbar ſind; 2) daß die Stromſchnellen keineswegs immer, wie in manchen Handbüchern der allge- meinen Topographie behauptet wird, nur am Abhang der erſten Bergſchwellen, bei den erſten Höhenzügen vorkommen, über welche die Gewäſſer in der Nähe ihrer Quellen zu laufen haben.
1 Dieſe Landenge, von der ſchon öfters die Rede war, wird von den Kordilleren der Anden von Neugranada und von der Kordillere der Parime gebildet.
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Konglomerat zwiſchen Tambillo und dem Pongo Rentema,
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der vielberufenen Stromenge Manſeriche beim Pongo Tayuchuc,
wo die Hügel ſich nur noch 78 bis 116 m über den Fluß-
ſpiegel erheben. Den öſtlichen Zug, der an den Pampas von
Sacramento hinläuft, erreicht der Fluß nicht. Von den Hügeln
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3375 km, iſt die Schiffahrt ganz frei. Aus dieſer raſchen
Ueberſicht ergibt ſich, daß der Marañon, hätte er nicht das
Bergland zwiſchen San Jago und Tomependa, das zur Central-
kette der Anden gehört, zu durchziehen, ſchiffbar wäre von
ſeinem Ausfluß ins Meer bis Pumpo bei Piscobamba in der
Provinz Conchucos, 193 km von ſeiner Quelle.
Wir haben geſehen, daß ſich beim Orinoko wie beim
Amazonenſtrom die großen Fälle nicht in der Nähe des Ur-
ſprunges befinden. Nach einem ruhigen Lauf von mehr als
720 km vom kleinen Raudal der Guaharibos, oſtwärts von
Esmeralda, bis zu den Bergen von Sipapu, und nachdem er
ſich durch die Flüſſe Jao, Ventuari, Atabapo und Guaviare
verſtärkt, biegt der Orinoko aus ſeiner bisherigen Richtung
von Oſt nach Weſt raſch in die von Süd nach Nord um und
ſtößt auf dem Laufe über die „Land-Meerenge“ 1 in den Nie-
derungen am Meta auf die Ausläufer der Kordillere der
Parime. Und dadurch entſtehen nun Fälle, die weit ſtärker
ſind und der Schiffahrt ungleich mehr Eintrag thun als alle
Pongos im oberen Marañon, weil ſie, wie wir oben ausein-
andergeſetzt, der Mündung des Fluſſes verhältnismäßig näher
liegen. Ich habe mich in dieſe geographiſchen Details ein-
gelaſſen, um am Beiſpiel der größten Ströme der Neuen
Welt zu zeigen: 1) daß ſich nicht abſolut eine gewiſſe Meter-
zahl, eine gewiſſe Meereshöhe angeben läßt, über welcher die
Flüſſe noch nicht ſchiffbar ſind; 2) daß die Stromſchnellen
keineswegs immer, wie in manchen Handbüchern der allge-
meinen Topographie behauptet wird, nur am Abhang der
erſten Bergſchwellen, bei den erſten Höhenzügen vorkommen,
über welche die Gewäſſer in der Nähe ihrer Quellen zu laufen
haben.
1 Dieſe Landenge, von der ſchon öfters die Rede war, wird
von den Kordilleren der Anden von Neugranada und von der
Kordillere der Parime gebildet.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/128>, abgerufen am 16.02.2025.
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