Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Ist man über den Raudal Javariveni weg (ich nenne In den hydrographischen Beschreibungen der Länder werden 1 Arastrando la Picagua. Von diesem Worte arastrar, auf dem Boden ziehen, kommt der spanische Ausdruck: Arastradero, Trageplatz, Portage. 2 Nat. Quaest. L. IV, c. 2.
Iſt man über den Raudal Javariveni weg (ich nenne In den hydrographiſchen Beſchreibungen der Länder werden 1 Arastrando la Picagua. Von dieſem Worte arastrar, auf dem Boden ziehen, kommt der ſpaniſche Ausdruck: Arastradero, Trageplatz, Portage. 2 Nat. Quaest. L. IV, c. 2.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0135" n="127"/> <p>Iſt man über den Raudal Javariveni weg (ich nenne<lb/> hier nur die wichtigſten der Fälle), ſo kommt man zum Raudal<lb/> Canucari, der durch eine Felsbank zwiſchen den Inſeln Suru-<lb/> pamana und Uirapuri gebildet wird. Sind die Dämme oder<lb/> natürlichen Wehre nur 60 bis 90 <hi rendition="#aq">cm</hi> hoch, ſo wagen es die<lb/> Indianer, im Kanoe hinabzufahren. Flußaufwärts ſchwimmen<lb/> ſie voraus, bringen nach vielen vergeblichen Verſuchen ein<lb/> Seil um eine der Felsſpitzen über dem Damme und ziehen<lb/> das Fahrzeug am Seile auf die Höhe des Raudals. Wäh-<lb/> rend dieſer mühſeligen Arbeit füllt ſich das Fahrzeug häufig<lb/> mit Waſſer; andere Male zerſchellt es an den Felſen, und die<lb/> Indianer, mit zerſchlagenem, blutendem Körper, reißen ſich<lb/> mit Not aus dem Strudel und ſchwimmen an die nächſte<lb/> Inſel. Sind die Felsſtaffeln oder Schwellen ſehr hoch und<lb/> verſperren ſie den Strom ganz, ſo ſchafft man die leichten<lb/> Fahrzeuge ans Land, ſchiebt Baumäſte als Walzen darunter<lb/> und ſchleppt ſie bis an den Punkt, wo der Fluß wieder ſchiff-<lb/> bar wird.<note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Arastrando la Picagua.</hi> Von dieſem Worte <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">arastrar,</hi></hi><lb/> auf dem Boden ziehen, kommt der ſpaniſche Ausdruck: <hi rendition="#aq">Arastradero,</hi><lb/> Trageplatz, <hi rendition="#aq">Portage.</hi></note> Bei Hochwaſſer iſt ſolches ſelten nötig. Spricht<lb/> man von den Waſſerfällen des Orinoko, ſo denkt man von<lb/> ſelbſt an die Art und Weiſe, wie man in alter Zeit über die<lb/> Katarakte des Nil herunterfuhr, wovon uns Seneca<note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">Nat. Quaest. L. IV, c.</hi> 2.</note> eine<lb/> Beſchreibung hinterlaſſen hat, die poetiſch, aber ſchwerlich<lb/> richtig iſt. Ich führe nur eine Stelle an, die vollkommen<lb/> vergegenwärtigt, was man in Atures, Maypures und in<lb/> einigen <hi rendition="#g">Pongos</hi> des Amazonenſtromes alle Tage ſieht. „Je<lb/> zwei miteinander beſteigen kleine Nachen, und einer lenkt das<lb/> Schiff, der andere ſchöpft es aus. Sodann, nachdem ſie unter<lb/> dem reißenden Toben des Nil und den ſich begegnenden Wellen<lb/> tüchtig herumgeſchaukelt worden ſind, halten ſie ſich endlich<lb/> an die ſeichteſten Kanäle, durch die ſie den Engpäſſen der<lb/> Felſen entgehen, und mit der ganzen Strömung niederſtürzend,<lb/> lenken ſie den ſchießenden Nachen.“</p><lb/> <p>In den hydrographiſchen Beſchreibungen der Länder werden<lb/> meiſtens unter den unbeſtimmten Benennungen: <hi rendition="#aq">„Saltos,<lb/> Chorros, Pongos, Cachoeiras, Raudales, Cataractes, Cas-<lb/> cades, Chûtes, Rapides,</hi> Waſſerfälle, Waſſerſtürze, Strom-<lb/> ſchnellen,“ ſtürmiſche Bewegungen der Waſſer zuſammen-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [127/0135]
Iſt man über den Raudal Javariveni weg (ich nenne
hier nur die wichtigſten der Fälle), ſo kommt man zum Raudal
Canucari, der durch eine Felsbank zwiſchen den Inſeln Suru-
pamana und Uirapuri gebildet wird. Sind die Dämme oder
natürlichen Wehre nur 60 bis 90 cm hoch, ſo wagen es die
Indianer, im Kanoe hinabzufahren. Flußaufwärts ſchwimmen
ſie voraus, bringen nach vielen vergeblichen Verſuchen ein
Seil um eine der Felsſpitzen über dem Damme und ziehen
das Fahrzeug am Seile auf die Höhe des Raudals. Wäh-
rend dieſer mühſeligen Arbeit füllt ſich das Fahrzeug häufig
mit Waſſer; andere Male zerſchellt es an den Felſen, und die
Indianer, mit zerſchlagenem, blutendem Körper, reißen ſich
mit Not aus dem Strudel und ſchwimmen an die nächſte
Inſel. Sind die Felsſtaffeln oder Schwellen ſehr hoch und
verſperren ſie den Strom ganz, ſo ſchafft man die leichten
Fahrzeuge ans Land, ſchiebt Baumäſte als Walzen darunter
und ſchleppt ſie bis an den Punkt, wo der Fluß wieder ſchiff-
bar wird. 1 Bei Hochwaſſer iſt ſolches ſelten nötig. Spricht
man von den Waſſerfällen des Orinoko, ſo denkt man von
ſelbſt an die Art und Weiſe, wie man in alter Zeit über die
Katarakte des Nil herunterfuhr, wovon uns Seneca 2 eine
Beſchreibung hinterlaſſen hat, die poetiſch, aber ſchwerlich
richtig iſt. Ich führe nur eine Stelle an, die vollkommen
vergegenwärtigt, was man in Atures, Maypures und in
einigen Pongos des Amazonenſtromes alle Tage ſieht. „Je
zwei miteinander beſteigen kleine Nachen, und einer lenkt das
Schiff, der andere ſchöpft es aus. Sodann, nachdem ſie unter
dem reißenden Toben des Nil und den ſich begegnenden Wellen
tüchtig herumgeſchaukelt worden ſind, halten ſie ſich endlich
an die ſeichteſten Kanäle, durch die ſie den Engpäſſen der
Felſen entgehen, und mit der ganzen Strömung niederſtürzend,
lenken ſie den ſchießenden Nachen.“
In den hydrographiſchen Beſchreibungen der Länder werden
meiſtens unter den unbeſtimmten Benennungen: „Saltos,
Chorros, Pongos, Cachoeiras, Raudales, Cataractes, Cas-
cades, Chûtes, Rapides, Waſſerfälle, Waſſerſtürze, Strom-
ſchnellen,“ ſtürmiſche Bewegungen der Waſſer zuſammen-
1 Arastrando la Picagua. Von dieſem Worte arastrar,
auf dem Boden ziehen, kommt der ſpaniſche Ausdruck: Arastradero,
Trageplatz, Portage.
2 Nat. Quaest. L. IV, c. 2.
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