Negro jährlich nach Angostura schickt, um die Löhnung der Truppen zu holen, nicht mehr als fünf Pirogen vom oberen Orinoko, die zur Schildkröteneierernte fuhren, und acht mit Handelsgut beladene Kanoen sah.
Am 17. April. Nach dreistündigem Marsche kamen wir gegen 11 Uhr morgens bei unserem Fahrzeuge an. Pater Zea ließ mit unseren Instrumenten den wenigen Mundvorrat einschiffen, den man für die Reise, die er mit uns fortsetzen sollte, hatte auftreiben können: ein paar Bananenbüschel, Maniok und Hühner. Dicht am Landungsplatze fuhren wir am Einflusse des Cataniapo vorbei, eines kleinen Flusses, an dessen Ufern, drei Tagereisen weit, die Macos oder Piaroas hausen, die zur großen Familie der Salivas-Völker gehören. Wir haben oben Gelegenheit gehabt, ihre Gutmütigkeit und ihre Neigung zur Landwirtschaft zu rühmen.
Im Weiterfahren fanden wir den Orinoko frei von Klippen, und nach einigen Stunden gingen wir über den Raudal von Garcita, dessen Stromschnellen bei Hochwasser leicht zu über- winden sind. Im Osten kommt die kleine Bergkette Cuma- daminari zum Vorschein, die aus Gneis, nicht aus geschich- tetem Granit besteht. Auffallend war uns eine Reihe großer Löcher mehr als 58 m über dem jetzigen Spiegel des Orinoko, die dennoch vom Wasser ausgewaschen scheinen. Wir werden später sehen, daß diese Erscheinung beinahe in derselben Höhe an den Felsen neben den Katarakten von Maypures und 225 km gegen Ost beim Einflusse des Rio Jao vorkommt. Wir übernachteten im Freien am linken Stromufer unterhalb der Insel Tomo. Die Nacht war schön und hell, aber die Moskitoschicht nahe am Boden so dick, daß ich mit dem Nivellement des künstlichen Horizontes nicht fertig werden konnte und um die Sternbeobachtung kam. Ein Quecksilber- horizont wäre mir auf dieser Reise von großem Nutzen ge- wesen.
Am 18. April. Wir brachen um 3 Uhr morgens auf, um desto sicherer vor Einbruch der Nacht den unter dem Namen Raudal de Guahibos bekannten Katarakt zu erreichen. Wir legten am Einflusse des Rio Tomo an; die Indianer lagerten sich am Ufer, um ihr Essen zu bereiten und ein wenig zu ruhen. Es war gegen 5 Uhr abends, als wir vor dem Raudal ankamen. Es war keine geringe Aufgabe, die Strömung hinaufzukommen und eine Wassermasse zu überwinden, die sich von einer mehrere Fuß hohen Gneisbank stürzt. Ein Indianer
Negro jährlich nach Angoſtura ſchickt, um die Löhnung der Truppen zu holen, nicht mehr als fünf Pirogen vom oberen Orinoko, die zur Schildkröteneierernte fuhren, und acht mit Handelsgut beladene Kanoen ſah.
Am 17. April. Nach dreiſtündigem Marſche kamen wir gegen 11 Uhr morgens bei unſerem Fahrzeuge an. Pater Zea ließ mit unſeren Inſtrumenten den wenigen Mundvorrat einſchiffen, den man für die Reiſe, die er mit uns fortſetzen ſollte, hatte auftreiben können: ein paar Bananenbüſchel, Maniok und Hühner. Dicht am Landungsplatze fuhren wir am Einfluſſe des Cataniapo vorbei, eines kleinen Fluſſes, an deſſen Ufern, drei Tagereiſen weit, die Macos oder Piaroas hauſen, die zur großen Familie der Salivas-Völker gehören. Wir haben oben Gelegenheit gehabt, ihre Gutmütigkeit und ihre Neigung zur Landwirtſchaft zu rühmen.
Im Weiterfahren fanden wir den Orinoko frei von Klippen, und nach einigen Stunden gingen wir über den Raudal von Garcita, deſſen Stromſchnellen bei Hochwaſſer leicht zu über- winden ſind. Im Oſten kommt die kleine Bergkette Cuma- daminari zum Vorſchein, die aus Gneis, nicht aus geſchich- tetem Granit beſteht. Auffallend war uns eine Reihe großer Löcher mehr als 58 m über dem jetzigen Spiegel des Orinoko, die dennoch vom Waſſer ausgewaſchen ſcheinen. Wir werden ſpäter ſehen, daß dieſe Erſcheinung beinahe in derſelben Höhe an den Felſen neben den Katarakten von Maypures und 225 km gegen Oſt beim Einfluſſe des Rio Jao vorkommt. Wir übernachteten im Freien am linken Stromufer unterhalb der Inſel Tomo. Die Nacht war ſchön und hell, aber die Moskitoſchicht nahe am Boden ſo dick, daß ich mit dem Nivellement des künſtlichen Horizontes nicht fertig werden konnte und um die Sternbeobachtung kam. Ein Queckſilber- horizont wäre mir auf dieſer Reiſe von großem Nutzen ge- weſen.
Am 18. April. Wir brachen um 3 Uhr morgens auf, um deſto ſicherer vor Einbruch der Nacht den unter dem Namen Raudal de Guahibos bekannten Katarakt zu erreichen. Wir legten am Einfluſſe des Rio Tomo an; die Indianer lagerten ſich am Ufer, um ihr Eſſen zu bereiten und ein wenig zu ruhen. Es war gegen 5 Uhr abends, als wir vor dem Raudal ankamen. Es war keine geringe Aufgabe, die Strömung hinaufzukommen und eine Waſſermaſſe zu überwinden, die ſich von einer mehrere Fuß hohen Gneisbank ſtürzt. Ein Indianer
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Negro jährlich nach Angoſtura ſchickt, um die Löhnung der
Truppen zu holen, nicht mehr als fünf Pirogen vom oberen
Orinoko, die zur Schildkröteneierernte fuhren, und acht mit
Handelsgut beladene Kanoen ſah.
Am 17. April. Nach dreiſtündigem Marſche kamen wir
gegen 11 Uhr morgens bei unſerem Fahrzeuge an. Pater
Zea ließ mit unſeren Inſtrumenten den wenigen Mundvorrat
einſchiffen, den man für die Reiſe, die er mit uns fortſetzen
ſollte, hatte auftreiben können: ein paar Bananenbüſchel,
Maniok und Hühner. Dicht am Landungsplatze fuhren wir
am Einfluſſe des Cataniapo vorbei, eines kleinen Fluſſes, an
deſſen Ufern, drei Tagereiſen weit, die Macos oder Piaroas
hauſen, die zur großen Familie der Salivas-Völker gehören.
Wir haben oben Gelegenheit gehabt, ihre Gutmütigkeit und
ihre Neigung zur Landwirtſchaft zu rühmen.
Im Weiterfahren fanden wir den Orinoko frei von Klippen,
und nach einigen Stunden gingen wir über den Raudal von
Garcita, deſſen Stromſchnellen bei Hochwaſſer leicht zu über-
winden ſind. Im Oſten kommt die kleine Bergkette Cuma-
daminari zum Vorſchein, die aus Gneis, nicht aus geſchich-
tetem Granit beſteht. Auffallend war uns eine Reihe großer
Löcher mehr als 58 m über dem jetzigen Spiegel des Orinoko,
die dennoch vom Waſſer ausgewaſchen ſcheinen. Wir werden
ſpäter ſehen, daß dieſe Erſcheinung beinahe in derſelben Höhe
an den Felſen neben den Katarakten von Maypures und
225 km gegen Oſt beim Einfluſſe des Rio Jao vorkommt.
Wir übernachteten im Freien am linken Stromufer unterhalb
der Inſel Tomo. Die Nacht war ſchön und hell, aber die
Moskitoſchicht nahe am Boden ſo dick, daß ich mit dem
Nivellement des künſtlichen Horizontes nicht fertig werden
konnte und um die Sternbeobachtung kam. Ein Queckſilber-
horizont wäre mir auf dieſer Reiſe von großem Nutzen ge-
weſen.
Am 18. April. Wir brachen um 3 Uhr morgens auf,
um deſto ſicherer vor Einbruch der Nacht den unter dem Namen
Raudal de Guahibos bekannten Katarakt zu erreichen. Wir
legten am Einfluſſe des Rio Tomo an; die Indianer lagerten
ſich am Ufer, um ihr Eſſen zu bereiten und ein wenig zu
ruhen. Es war gegen 5 Uhr abends, als wir vor dem Raudal
ankamen. Es war keine geringe Aufgabe, die Strömung
hinaufzukommen und eine Waſſermaſſe zu überwinden, die ſich
von einer mehrere Fuß hohen Gneisbank ſtürzt. Ein Indianer
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/172>, abgerufen am 16.02.2025.
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