Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.dieser Felsen, der sogenannte Keri, ist im Lande berühmt Betrachtet man die Namen der von den spanischen 2 Im Jahre 1806 erschien in Leipzig ein Buch unter dem
Titel: "Untersuchungen über die von Humboldt am Orinoko ent- deckten Spuren der phönizischen Sprache". dieſer Felſen, der ſogenannte Keri, iſt im Lande berühmt Betrachtet man die Namen der von den ſpaniſchen 2 Im Jahre 1806 erſchien in Leipzig ein Buch unter dem
Titel: „Unterſuchungen über die von Humboldt am Orinoko ent- deckten Spuren der phöniziſchen Sprache“. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0181" n="173"/> dieſer Felſen, der ſogenannte Keri, iſt im Lande berühmt<lb/> wegen eines weißen, weithin glänzenden Flecks, in dem die<lb/> Eingeborenen ein Bild des Vollmondes ſehen wollen. Ich<lb/> konnte die ſteile Felswand nicht erklimmen, wahrſcheinlich aber<lb/> iſt der weiße Fleck ein mächtiger Quarzknoten, wie zuſammen-<lb/> ſcharende Gänge ſie im Granit, der in Gneis übergeht, häufig<lb/> bilden. Gegenüber dem Keri oder <hi rendition="#g">Mondfelſen</hi>, am Zwil-<lb/> lingshügel Uvitari, der ein Eiland mitten in den Katarakten<lb/> iſt, zeigen einem die Indianer mit geheimnisvoller Wichtigkeit<lb/> einen ähnlichen weißen Fleck. Derſelbe iſt ſcheibenförmig, und<lb/> ſie ſagen, es ſei das Bild der Sonne, Camoſi. Vielleicht hat<lb/> die geographiſche Lage dieſer beiden Dinge Veranlaſſung ge-<lb/> geben, ſie ſo zu benennen; Keri liegt gegen Untergang, Camoſi<lb/> gegen Aufgang. Da die Sprachen die älteſten geſchichtlichen<lb/> Denkmäler der Völker ſind, ſo haben die Sprachforſcher die<lb/> Aehnlichkeit des amerikaniſchen Wortes <hi rendition="#g">Camoſi</hi> mit dem<lb/> Worte <hi rendition="#g">Kamoſch</hi>, das in einem ſemitiſchen Dialekt urſprüng-<lb/> lich Sonne bedeutet zu haben ſcheint, ſehr auffallend gefun-<lb/> den. Dieſe Aehnlichkeit hat zu Hypotheſen Anlaß gegeben,<lb/> die mir zum wenigſten ſehr gewagt ſcheinen.<note place="foot" n="2">Im Jahre 1806 erſchien in Leipzig ein Buch unter dem<lb/> Titel: „Unterſuchungen über die von Humboldt am Orinoko ent-<lb/> deckten Spuren der phöniziſchen Sprache“.</note> Der Gott der<lb/> Moabiter, Chamos oder Kamoſch, der den Gelehrten ſo viel<lb/> zu ſchaffen gemacht hat, der Apollo Chomeus, von dem Strabo<lb/> und Ammianus Marcellinus ſprechen, Beelphegor, Amun oder<lb/> Hamon und Adonis bedeuten ohne Zweifel alle die Sonne<lb/> im Winterſolſtitium; was will man aber aus einer einzelnen,<lb/> zufälligen Lautähnlichkeit in Sprachen ſchließen, die ſonſt nichts<lb/> miteinander gemein haben?</p><lb/> <p>Betrachtet man die Namen der von den ſpaniſchen<lb/> Mönchen geſtifteten Miſſionen, ſo irrt man ſich leicht hin-<lb/> ſichtlich der Bevölkerungselemente, mit denen ſie gegründet<lb/> worden. Nach Encaramada und Atures brachten die Jeſuiten,<lb/> als ſie dieſe Dörfer erbauten, Maypuresindianer, aber die<lb/> Miſſion Maypures ſelbſt wurde nicht mit Indianern dieſes<lb/> Namens gegründet, vielmehr mit Guipunabisindianern, die<lb/> von den Ufern des Irimida ſtammen und nach der Sprach-<lb/> verwandtſchaft, ſamt den Maypures, Cabres, Avani und viel-<lb/> leicht den Pareni, demſelben Zweig der Orinokovölker ange-<lb/> hören. Zur Zeit der Jeſuiten war die Miſſion am Raudal<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0181]
dieſer Felſen, der ſogenannte Keri, iſt im Lande berühmt
wegen eines weißen, weithin glänzenden Flecks, in dem die
Eingeborenen ein Bild des Vollmondes ſehen wollen. Ich
konnte die ſteile Felswand nicht erklimmen, wahrſcheinlich aber
iſt der weiße Fleck ein mächtiger Quarzknoten, wie zuſammen-
ſcharende Gänge ſie im Granit, der in Gneis übergeht, häufig
bilden. Gegenüber dem Keri oder Mondfelſen, am Zwil-
lingshügel Uvitari, der ein Eiland mitten in den Katarakten
iſt, zeigen einem die Indianer mit geheimnisvoller Wichtigkeit
einen ähnlichen weißen Fleck. Derſelbe iſt ſcheibenförmig, und
ſie ſagen, es ſei das Bild der Sonne, Camoſi. Vielleicht hat
die geographiſche Lage dieſer beiden Dinge Veranlaſſung ge-
geben, ſie ſo zu benennen; Keri liegt gegen Untergang, Camoſi
gegen Aufgang. Da die Sprachen die älteſten geſchichtlichen
Denkmäler der Völker ſind, ſo haben die Sprachforſcher die
Aehnlichkeit des amerikaniſchen Wortes Camoſi mit dem
Worte Kamoſch, das in einem ſemitiſchen Dialekt urſprüng-
lich Sonne bedeutet zu haben ſcheint, ſehr auffallend gefun-
den. Dieſe Aehnlichkeit hat zu Hypotheſen Anlaß gegeben,
die mir zum wenigſten ſehr gewagt ſcheinen. 2 Der Gott der
Moabiter, Chamos oder Kamoſch, der den Gelehrten ſo viel
zu ſchaffen gemacht hat, der Apollo Chomeus, von dem Strabo
und Ammianus Marcellinus ſprechen, Beelphegor, Amun oder
Hamon und Adonis bedeuten ohne Zweifel alle die Sonne
im Winterſolſtitium; was will man aber aus einer einzelnen,
zufälligen Lautähnlichkeit in Sprachen ſchließen, die ſonſt nichts
miteinander gemein haben?
Betrachtet man die Namen der von den ſpaniſchen
Mönchen geſtifteten Miſſionen, ſo irrt man ſich leicht hin-
ſichtlich der Bevölkerungselemente, mit denen ſie gegründet
worden. Nach Encaramada und Atures brachten die Jeſuiten,
als ſie dieſe Dörfer erbauten, Maypuresindianer, aber die
Miſſion Maypures ſelbſt wurde nicht mit Indianern dieſes
Namens gegründet, vielmehr mit Guipunabisindianern, die
von den Ufern des Irimida ſtammen und nach der Sprach-
verwandtſchaft, ſamt den Maypures, Cabres, Avani und viel-
leicht den Pareni, demſelben Zweig der Orinokovölker ange-
hören. Zur Zeit der Jeſuiten war die Miſſion am Raudal
2 Im Jahre 1806 erſchien in Leipzig ein Buch unter dem
Titel: „Unterſuchungen über die von Humboldt am Orinoko ent-
deckten Spuren der phöniziſchen Sprache“.
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