denen, die sich von der Hochebene von Cundiamarca und den Gebirgen von Cayenne gegen das Atlantische Meer ausbreiten, und denen, die von den Anden von Neuspanien gegen die Alleghanies hinstreichen. In der Kultur vorgeschrittene Völker, deren Spuren uns am Ufer des Sees Teguyo und in den Casas grandes am Rio Gila entgegentreten, mochten einzelne Stämme gegen Ost in die offenen Fluren am Missouri und Ohio vorschieben, wo das Klima nicht viel anders ist als in Neumexiko; aber in Südamerika, wo die große Völkerströ- mung von Nord nach Süd ging, konnten Menschen, die schon so lange auf dem Rücken der tropischen Kordilleren einer milden Temperatur genossen, keine Lust haben, in die glühend heißen, mit Urwald bedeckten, periodisch von den Flüssen über- schwemmten Ebenen niederzusteigen. Man sieht leicht, wie in der heißen Zone die Ueberfülle des Pflanzenwuchses, die Be- schaffenheit von Boden und Klima die Wanderungen der Ein- geborenen in starken Haufen beschränkten, Niederlassungen, die eines weiten, freien Raumes bedürfen, nicht aufkommen ließen, das Elend und die Versunkenheit der vereinzelten Horden verewigten.
Heutzutage geht die schwache Kultur, wie die spanischen Mönche sie eingeführt, wieder rückwärts. Pater Gili berichtet, zur Zeit der Grenzexpedition habe der Ackerkau am Orinoko angefangen Fortschritte zu machen; das Vieh, besonders die Ziegen hatten sich in Maypures bedeutend vermehrt. Wir haben weder in dieser Mission, noch sonst in einem Dorfe am Orinoko mehr welche angetroffen; die Tiger haben die Ziegen gefressen. Nur die schwarzen und weißen Schweine (letztere heißen französische Schweine, puercos franceses, weil man glaubt, sie seien von den Antillen gekommen) haben trotz der reißenden Tiere ausgedauert. Mit großem Interesse sahen wir um die Hütten der Indianer Guacamayas oder zahme Ara, die auf den Feldern herumflogen wie bei uns die Tauben. Es ist dies die größte und prächtigste Papa- geienart mit nicht gefiederten Wangen, die wir auf unseren Reisen angetroffen. Sie mißt mit dem Schwanz 72 cm, und wir haben sie auch am Atabapo, Temi und Rio Negro gefun- den. Das Fleisch des Cahuei -- so heißt hier der Vogel -- das häufig gegessen wird, ist schwarz und etwas hart. Diese Ara, deren Gefieder in den brennendsten Farben, purpurrot, blau und gelb schimmert, sind eine große Zierde der india- nischen Hühnerhöfe. Sie stehen an Pracht den Pfauen, Gold-
denen, die ſich von der Hochebene von Cundiamarca und den Gebirgen von Cayenne gegen das Atlantiſche Meer ausbreiten, und denen, die von den Anden von Neuſpanien gegen die Alleghanies hinſtreichen. In der Kultur vorgeſchrittene Völker, deren Spuren uns am Ufer des Sees Teguyo und in den Caſas grandes am Rio Gila entgegentreten, mochten einzelne Stämme gegen Oſt in die offenen Fluren am Miſſouri und Ohio vorſchieben, wo das Klima nicht viel anders iſt als in Neumexiko; aber in Südamerika, wo die große Völkerſtrö- mung von Nord nach Süd ging, konnten Menſchen, die ſchon ſo lange auf dem Rücken der tropiſchen Kordilleren einer milden Temperatur genoſſen, keine Luſt haben, in die glühend heißen, mit Urwald bedeckten, periodiſch von den Flüſſen über- ſchwemmten Ebenen niederzuſteigen. Man ſieht leicht, wie in der heißen Zone die Ueberfülle des Pflanzenwuchſes, die Be- ſchaffenheit von Boden und Klima die Wanderungen der Ein- geborenen in ſtarken Haufen beſchränkten, Niederlaſſungen, die eines weiten, freien Raumes bedürfen, nicht aufkommen ließen, das Elend und die Verſunkenheit der vereinzelten Horden verewigten.
Heutzutage geht die ſchwache Kultur, wie die ſpaniſchen Mönche ſie eingeführt, wieder rückwärts. Pater Gili berichtet, zur Zeit der Grenzexpedition habe der Ackerkau am Orinoko angefangen Fortſchritte zu machen; das Vieh, beſonders die Ziegen hatten ſich in Maypures bedeutend vermehrt. Wir haben weder in dieſer Miſſion, noch ſonſt in einem Dorfe am Orinoko mehr welche angetroffen; die Tiger haben die Ziegen gefreſſen. Nur die ſchwarzen und weißen Schweine (letztere heißen franzöſiſche Schweine, puercos franceses, weil man glaubt, ſie ſeien von den Antillen gekommen) haben trotz der reißenden Tiere ausgedauert. Mit großem Intereſſe ſahen wir um die Hütten der Indianer Guacamayas oder zahme Ara, die auf den Feldern herumflogen wie bei uns die Tauben. Es iſt dies die größte und prächtigſte Papa- geienart mit nicht gefiederten Wangen, die wir auf unſeren Reiſen angetroffen. Sie mißt mit dem Schwanz 72 cm, und wir haben ſie auch am Atabapo, Temi und Rio Negro gefun- den. Das Fleiſch des Cahuei — ſo heißt hier der Vogel — das häufig gegeſſen wird, iſt ſchwarz und etwas hart. Dieſe Ara, deren Gefieder in den brennendſten Farben, purpurrot, blau und gelb ſchimmert, ſind eine große Zierde der india- niſchen Hühnerhöfe. Sie ſtehen an Pracht den Pfauen, Gold-
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denen, die ſich von der Hochebene von Cundiamarca und den
Gebirgen von Cayenne gegen das Atlantiſche Meer ausbreiten,
und denen, die von den Anden von Neuſpanien gegen die
Alleghanies hinſtreichen. In der Kultur vorgeſchrittene Völker,
deren Spuren uns am Ufer des Sees Teguyo und in den
Caſas grandes am Rio Gila entgegentreten, mochten einzelne
Stämme gegen Oſt in die offenen Fluren am Miſſouri und
Ohio vorſchieben, wo das Klima nicht viel anders iſt als in
Neumexiko; aber in Südamerika, wo die große Völkerſtrö-
mung von Nord nach Süd ging, konnten Menſchen, die ſchon
ſo lange auf dem Rücken der tropiſchen Kordilleren einer
milden Temperatur genoſſen, keine Luſt haben, in die glühend
heißen, mit Urwald bedeckten, periodiſch von den Flüſſen über-
ſchwemmten Ebenen niederzuſteigen. Man ſieht leicht, wie in
der heißen Zone die Ueberfülle des Pflanzenwuchſes, die Be-
ſchaffenheit von Boden und Klima die Wanderungen der Ein-
geborenen in ſtarken Haufen beſchränkten, Niederlaſſungen, die
eines weiten, freien Raumes bedürfen, nicht aufkommen ließen,
das Elend und die Verſunkenheit der vereinzelten Horden
verewigten.
Heutzutage geht die ſchwache Kultur, wie die ſpaniſchen
Mönche ſie eingeführt, wieder rückwärts. Pater Gili berichtet,
zur Zeit der Grenzexpedition habe der Ackerkau am Orinoko
angefangen Fortſchritte zu machen; das Vieh, beſonders die
Ziegen hatten ſich in Maypures bedeutend vermehrt. Wir
haben weder in dieſer Miſſion, noch ſonſt in einem Dorfe
am Orinoko mehr welche angetroffen; die Tiger haben die
Ziegen gefreſſen. Nur die ſchwarzen und weißen Schweine
(letztere heißen franzöſiſche Schweine, puercos franceses, weil
man glaubt, ſie ſeien von den Antillen gekommen) haben
trotz der reißenden Tiere ausgedauert. Mit großem Intereſſe
ſahen wir um die Hütten der Indianer Guacamayas oder
zahme Ara, die auf den Feldern herumflogen wie bei uns
die Tauben. Es iſt dies die größte und prächtigſte Papa-
geienart mit nicht gefiederten Wangen, die wir auf unſeren
Reiſen angetroffen. Sie mißt mit dem Schwanz 72 cm, und
wir haben ſie auch am Atabapo, Temi und Rio Negro gefun-
den. Das Fleiſch des Cahuei — ſo heißt hier der Vogel —
das häufig gegeſſen wird, iſt ſchwarz und etwas hart. Dieſe
Ara, deren Gefieder in den brennendſten Farben, purpurrot,
blau und gelb ſchimmert, ſind eine große Zierde der india-
niſchen Hühnerhöfe. Sie ſtehen an Pracht den Pfauen, Gold-
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/187>, abgerufen am 19.07.2024.
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