in der Erde finden, sind der Meinung, die eigentümliche Farbe des Wassers möchte blau oder grün sein. In der That ist durch nichts erwiesen, daß das Wasser von Natur weiß ist und immer ein Farbstoff im Spiele sein muß, wenn dasselbe, bei reflektiertem Licht gesehen, eine Färbung zeigt. Wo Flüsse wirklich einen färbenden Stoff enthalten, ist derselbe meist in so geringer Menge, daß er sich jeder chemischen Untersuchung entzieht. Die Färbung des Meeres scheint häufig weder von der Beschaffenheit des Grundes, noch vom Reflex des Himmels und der Wolken abzuhängen. Ein großer Physiker, Davy, soll der Ansicht sein, die verschiedene Färbung der Meere könnte daher rühren, daß das Jod in verschiedenen Verhält- nissen darin enthalten ist.
Aus den alten Erdbeschreibern ersehen wir, daß bereits den Griechen die blauen Wasser der Thermopylen, die roten bei Joppe, die schwarzen der heißen Bäder von Astyra, Lesbos gegenüber, aufgefallen waren. Manche Flüsse, z. B. die Rhone bei Genf, haben eine entschieden blaue Farbe. Das Schnee- wasser in den Schweizeralpen soll zuweilen smaragdgrün sein, in wiesengrün übergehend. Mehrere Seen in Savoyen und Peru sind bräunlich, ja fast schwarz. Die meisten dergleichen Farbenerscheinungen kommen bei Gewässern vor, welche für die reinsten gelten, und man wird sich viel mehr an auf Ana- logieen gegründete Schlüsse als an die unmittelbare Analyse halten müssen, um über diesen noch sehr dunklen Punkt einiges Licht zu verbreiten. In dem weit ausgedehnten Flußsysteme, das wir bereist -- und dieser Umstand scheint mir sehr auf- fallend -- kommen die schwarzen Wasser vorzugsweise nur in dem Striche in der Nähe des Aequators vor. Um den 5. Grad nördlicher Breite fängt man an, sie anzutreffen, und sie sind über den Aequator hinaus bis gegen den 2. Grad südlicher Breite sehr häufig. Die Mündung des Rio Negro liegt sogar unter dem 3° 9' der Breite; aber auf diesem ganzen Landstriche kommen in den Wäldern und auf den Grasfluren weiße und schwarze Wasser dergestalt untereinander vor, daß man nicht weiß, welcher Ursache man die Färbung des Wassers zuschreiben soll. Der Cassiquiare, der sich in den Rio Negro ergießt, hat weißes Wasser wie der Orinoko, aus dem er entspringt. Von zwei Nebenflüssen des Cassiquiare nahe bei einander, Siapa und Pacimony, ist der eine weiß, der andere schwarz.
Fragt man die Indianer nach den Ursachen dieser sonder-
A. v. Humboldt, Reise. III. 13
in der Erde finden, ſind der Meinung, die eigentümliche Farbe des Waſſers möchte blau oder grün ſein. In der That iſt durch nichts erwieſen, daß das Waſſer von Natur weiß iſt und immer ein Farbſtoff im Spiele ſein muß, wenn dasſelbe, bei reflektiertem Licht geſehen, eine Färbung zeigt. Wo Flüſſe wirklich einen färbenden Stoff enthalten, iſt derſelbe meiſt in ſo geringer Menge, daß er ſich jeder chemiſchen Unterſuchung entzieht. Die Färbung des Meeres ſcheint häufig weder von der Beſchaffenheit des Grundes, noch vom Reflex des Himmels und der Wolken abzuhängen. Ein großer Phyſiker, Davy, ſoll der Anſicht ſein, die verſchiedene Färbung der Meere könnte daher rühren, daß das Jod in verſchiedenen Verhält- niſſen darin enthalten iſt.
Aus den alten Erdbeſchreibern erſehen wir, daß bereits den Griechen die blauen Waſſer der Thermopylen, die roten bei Joppe, die ſchwarzen der heißen Bäder von Aſtyra, Lesbos gegenüber, aufgefallen waren. Manche Flüſſe, z. B. die Rhone bei Genf, haben eine entſchieden blaue Farbe. Das Schnee- waſſer in den Schweizeralpen ſoll zuweilen ſmaragdgrün ſein, in wieſengrün übergehend. Mehrere Seen in Savoyen und Peru ſind bräunlich, ja faſt ſchwarz. Die meiſten dergleichen Farbenerſcheinungen kommen bei Gewäſſern vor, welche für die reinſten gelten, und man wird ſich viel mehr an auf Ana- logieen gegründete Schlüſſe als an die unmittelbare Analyſe halten müſſen, um über dieſen noch ſehr dunklen Punkt einiges Licht zu verbreiten. In dem weit ausgedehnten Flußſyſteme, das wir bereiſt — und dieſer Umſtand ſcheint mir ſehr auf- fallend — kommen die ſchwarzen Waſſer vorzugsweiſe nur in dem Striche in der Nähe des Aequators vor. Um den 5. Grad nördlicher Breite fängt man an, ſie anzutreffen, und ſie ſind über den Aequator hinaus bis gegen den 2. Grad ſüdlicher Breite ſehr häufig. Die Mündung des Rio Negro liegt ſogar unter dem 3° 9′ der Breite; aber auf dieſem ganzen Landſtriche kommen in den Wäldern und auf den Grasfluren weiße und ſchwarze Waſſer dergeſtalt untereinander vor, daß man nicht weiß, welcher Urſache man die Färbung des Waſſers zuſchreiben ſoll. Der Caſſiquiare, der ſich in den Rio Negro ergießt, hat weißes Waſſer wie der Orinoko, aus dem er entſpringt. Von zwei Nebenflüſſen des Caſſiquiare nahe bei einander, Siapa und Pacimony, iſt der eine weiß, der andere ſchwarz.
Fragt man die Indianer nach den Urſachen dieſer ſonder-
A. v. Humboldt, Reiſe. III. 13
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[193/0201]
in der Erde finden, ſind der Meinung, die eigentümliche Farbe
des Waſſers möchte blau oder grün ſein. In der That iſt
durch nichts erwieſen, daß das Waſſer von Natur weiß iſt
und immer ein Farbſtoff im Spiele ſein muß, wenn dasſelbe,
bei reflektiertem Licht geſehen, eine Färbung zeigt. Wo Flüſſe
wirklich einen färbenden Stoff enthalten, iſt derſelbe meiſt in
ſo geringer Menge, daß er ſich jeder chemiſchen Unterſuchung
entzieht. Die Färbung des Meeres ſcheint häufig weder von
der Beſchaffenheit des Grundes, noch vom Reflex des Himmels
und der Wolken abzuhängen. Ein großer Phyſiker, Davy,
ſoll der Anſicht ſein, die verſchiedene Färbung der Meere
könnte daher rühren, daß das Jod in verſchiedenen Verhält-
niſſen darin enthalten iſt.
Aus den alten Erdbeſchreibern erſehen wir, daß bereits
den Griechen die blauen Waſſer der Thermopylen, die roten
bei Joppe, die ſchwarzen der heißen Bäder von Aſtyra, Lesbos
gegenüber, aufgefallen waren. Manche Flüſſe, z. B. die Rhone
bei Genf, haben eine entſchieden blaue Farbe. Das Schnee-
waſſer in den Schweizeralpen ſoll zuweilen ſmaragdgrün ſein,
in wieſengrün übergehend. Mehrere Seen in Savoyen und
Peru ſind bräunlich, ja faſt ſchwarz. Die meiſten dergleichen
Farbenerſcheinungen kommen bei Gewäſſern vor, welche für
die reinſten gelten, und man wird ſich viel mehr an auf Ana-
logieen gegründete Schlüſſe als an die unmittelbare Analyſe
halten müſſen, um über dieſen noch ſehr dunklen Punkt einiges
Licht zu verbreiten. In dem weit ausgedehnten Flußſyſteme,
das wir bereiſt — und dieſer Umſtand ſcheint mir ſehr auf-
fallend — kommen die ſchwarzen Waſſer vorzugsweiſe
nur in dem Striche in der Nähe des Aequators vor. Um
den 5. Grad nördlicher Breite fängt man an, ſie anzutreffen,
und ſie ſind über den Aequator hinaus bis gegen den 2. Grad
ſüdlicher Breite ſehr häufig. Die Mündung des Rio Negro
liegt ſogar unter dem 3° 9′ der Breite; aber auf dieſem
ganzen Landſtriche kommen in den Wäldern und auf den
Grasfluren weiße und ſchwarze Waſſer dergeſtalt untereinander
vor, daß man nicht weiß, welcher Urſache man die Färbung
des Waſſers zuſchreiben ſoll. Der Caſſiquiare, der ſich in den
Rio Negro ergießt, hat weißes Waſſer wie der Orinoko, aus
dem er entſpringt. Von zwei Nebenflüſſen des Caſſiquiare
nahe bei einander, Siapa und Pacimony, iſt der eine weiß,
der andere ſchwarz.
Fragt man die Indianer nach den Urſachen dieſer ſonder-
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/201>, abgerufen am 20.07.2024.
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