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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Flußbetten zu trennen, wie die großen Seen in mehrere zer-
fallen und die Binnenmeere ihre alten Verbindungen ver-
lieren.1

Da die Geographen schon im 16. Jahrhundert die Ueber-
zeugung gewonnen hatten, daß in Südamerika zwischen ver-
schiedenen Flußsystemen Gabelteilungen bestehen, die sie gegen-
seitig voneinander abhängig machen, so nahmen sie an, daß
die fünf großen Nebenflüsse des Orinoko und des Amazonen-
stromes, Guaviare, Inirida, Rio Negro, Caqueta oder Hya-
pura, und Putumayo oder Ica untereinander zusammenhängen.
Diese Hypothesen, welche auf unseren Karten in verschiedenen
Gestalten dargestellt sind, entstanden zum Teil in den Mis-
sionen in den Ebenen, zum Teil auf dem Rücken der Kor-
dilleren der Anden. Reist man von Santa Fe de Bogota
über Fusagasuga nach Popayan und Pasto, so hört man die
Gebirgsbewohner behaupten, am Ostabhange der Paramos
de la Suma Paz (des ewigen Friedens), des Iscance und
Aponte entspringen alle Flüsse, die zwischen dem Meta und
dem Putumayo durch die Wälder von Guyana ziehen. Da
man die Nebenflüsse für den Hauptstrom hält und man alle
Flüsse rückwärts bis zur Bergkette reichen läßt, so wirft man
dort die Quellen des Orinoko, des Rio Negro und des Gua-
viare zusammen. Am steilen Ostabhange der Anden ist sehr
schwer herunterzukommen, eine engherzige Politik hat dem
Handel mit den Llanos am Meta, am San Juan und Caguan
Fesseln angelegt, man hat wenig Interesse, die Flüsse zu ver-
folgen, um ihre Verzweigungen kennen zu lernen; durch all
diese Umstände ist die geographische Verwirrung noch größer
geworden. Als ich in Santa Fe de Bogota war, kannte man
kaum den Weg, der über die Dörfer Usme, Ubaque und Ca-
queza nach Apiay und zum Landungsplatze am Rio Meta
führt. Erst in neuester Zeit konnte ich die Karte dieses Flusses
nach den Reisetagebüchern des Kanonikus Cortez Madariaga

1 Die geologische Bodenbeschaffenheit scheint, trotz der gegen-
wärtigen Verschiedenheit in der Höhe des Wasserspiegels, darauf
hinzudeuten, daß in vorgeschichtlicher Zeit das Schwarze Meer, das
Kaspische Meer und der Aralsee miteinander in Verbindung ge-
standen haben. Der Ausfluß des Arals in das Kaspische Meer
scheint zum Teil sogar jünger und unabhängig von der Gabel-
teilung des Gihon (Oxus), über die einer der gelehrtesten Geo-
graphen unserer Zeit, Ritter, neues Licht verbreitet hat.
A. v. Humboldt, Reise. III. 17

Flußbetten zu trennen, wie die großen Seen in mehrere zer-
fallen und die Binnenmeere ihre alten Verbindungen ver-
lieren.1

Da die Geographen ſchon im 16. Jahrhundert die Ueber-
zeugung gewonnen hatten, daß in Südamerika zwiſchen ver-
ſchiedenen Flußſyſtemen Gabelteilungen beſtehen, die ſie gegen-
ſeitig voneinander abhängig machen, ſo nahmen ſie an, daß
die fünf großen Nebenflüſſe des Orinoko und des Amazonen-
ſtromes, Guaviare, Inirida, Rio Negro, Caqueta oder Hya-
pura, und Putumayo oder Iça untereinander zuſammenhängen.
Dieſe Hypotheſen, welche auf unſeren Karten in verſchiedenen
Geſtalten dargeſtellt ſind, entſtanden zum Teil in den Miſ-
ſionen in den Ebenen, zum Teil auf dem Rücken der Kor-
dilleren der Anden. Reiſt man von Santa Fé de Bogota
über Fuſagaſuga nach Popayan und Paſto, ſo hört man die
Gebirgsbewohner behaupten, am Oſtabhange der Paramos
de la Suma Paz (des ewigen Friedens), des Iscancè und
Aponte entſpringen alle Flüſſe, die zwiſchen dem Meta und
dem Putumayo durch die Wälder von Guyana ziehen. Da
man die Nebenflüſſe für den Hauptſtrom hält und man alle
Flüſſe rückwärts bis zur Bergkette reichen läßt, ſo wirft man
dort die Quellen des Orinoko, des Rio Negro und des Gua-
viare zuſammen. Am ſteilen Oſtabhange der Anden iſt ſehr
ſchwer herunterzukommen, eine engherzige Politik hat dem
Handel mit den Llanos am Meta, am San Juan und Caguan
Feſſeln angelegt, man hat wenig Intereſſe, die Flüſſe zu ver-
folgen, um ihre Verzweigungen kennen zu lernen; durch all
dieſe Umſtände iſt die geographiſche Verwirrung noch größer
geworden. Als ich in Santa Fé de Bogota war, kannte man
kaum den Weg, der über die Dörfer Usme, Ubaque und Ca-
queza nach Apiay und zum Landungsplatze am Rio Meta
führt. Erſt in neueſter Zeit konnte ich die Karte dieſes Fluſſes
nach den Reiſetagebüchern des Kanonikus Cortez Madariaga

1 Die geologiſche Bodenbeſchaffenheit ſcheint, trotz der gegen-
wärtigen Verſchiedenheit in der Höhe des Waſſerſpiegels, darauf
hinzudeuten, daß in vorgeſchichtlicher Zeit das Schwarze Meer, das
Kaſpiſche Meer und der Aralſee miteinander in Verbindung ge-
ſtanden haben. Der Ausfluß des Arals in das Kaſpiſche Meer
ſcheint zum Teil ſogar jünger und unabhängig von der Gabel-
teilung des Gihon (Oxus), über die einer der gelehrteſten Geo-
graphen unſerer Zeit, Ritter, neues Licht verbreitet hat.
A. v. Humboldt, Reiſe. III. 17
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[257/0265] Flußbetten zu trennen, wie die großen Seen in mehrere zer- fallen und die Binnenmeere ihre alten Verbindungen ver- lieren. 1 Da die Geographen ſchon im 16. Jahrhundert die Ueber- zeugung gewonnen hatten, daß in Südamerika zwiſchen ver- ſchiedenen Flußſyſtemen Gabelteilungen beſtehen, die ſie gegen- ſeitig voneinander abhängig machen, ſo nahmen ſie an, daß die fünf großen Nebenflüſſe des Orinoko und des Amazonen- ſtromes, Guaviare, Inirida, Rio Negro, Caqueta oder Hya- pura, und Putumayo oder Iça untereinander zuſammenhängen. Dieſe Hypotheſen, welche auf unſeren Karten in verſchiedenen Geſtalten dargeſtellt ſind, entſtanden zum Teil in den Miſ- ſionen in den Ebenen, zum Teil auf dem Rücken der Kor- dilleren der Anden. Reiſt man von Santa Fé de Bogota über Fuſagaſuga nach Popayan und Paſto, ſo hört man die Gebirgsbewohner behaupten, am Oſtabhange der Paramos de la Suma Paz (des ewigen Friedens), des Iscancè und Aponte entſpringen alle Flüſſe, die zwiſchen dem Meta und dem Putumayo durch die Wälder von Guyana ziehen. Da man die Nebenflüſſe für den Hauptſtrom hält und man alle Flüſſe rückwärts bis zur Bergkette reichen läßt, ſo wirft man dort die Quellen des Orinoko, des Rio Negro und des Gua- viare zuſammen. Am ſteilen Oſtabhange der Anden iſt ſehr ſchwer herunterzukommen, eine engherzige Politik hat dem Handel mit den Llanos am Meta, am San Juan und Caguan Feſſeln angelegt, man hat wenig Intereſſe, die Flüſſe zu ver- folgen, um ihre Verzweigungen kennen zu lernen; durch all dieſe Umſtände iſt die geographiſche Verwirrung noch größer geworden. Als ich in Santa Fé de Bogota war, kannte man kaum den Weg, der über die Dörfer Usme, Ubaque und Ca- queza nach Apiay und zum Landungsplatze am Rio Meta führt. Erſt in neueſter Zeit konnte ich die Karte dieſes Fluſſes nach den Reiſetagebüchern des Kanonikus Cortez Madariaga 1 Die geologiſche Bodenbeſchaffenheit ſcheint, trotz der gegen- wärtigen Verſchiedenheit in der Höhe des Waſſerſpiegels, darauf hinzudeuten, daß in vorgeſchichtlicher Zeit das Schwarze Meer, das Kaſpiſche Meer und der Aralſee miteinander in Verbindung ge- ſtanden haben. Der Ausfluß des Arals in das Kaſpiſche Meer ſcheint zum Teil ſogar jünger und unabhängig von der Gabel- teilung des Gihon (Oxus), über die einer der gelehrteſten Geo- graphen unſerer Zeit, Ritter, neues Licht verbreitet hat. A. v. Humboldt, Reiſe. III. 17

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/265>, abgerufen am 21.11.2024.