Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.die Aussagen der Eingeborenen vollkommen übereinstimmten, Der Guainia ist in seinem oberen Laufe vorzüglich dadurch Portugiesische handschriftliche Karten, die in neuester Zeit 1 Bei Seine und Marne z. B. sind es von Paris bis zu den
Quellen in gerader Richtung mehr als 2°. die Ausſagen der Eingeborenen vollkommen übereinſtimmten, Der Guainia iſt in ſeinem oberen Laufe vorzüglich dadurch Portugieſiſche handſchriftliche Karten, die in neueſter Zeit 1 Bei Seine und Marne z. B. ſind es von Paris bis zu den
Quellen in gerader Richtung mehr als 2°. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0272" n="264"/> die Ausſagen der Eingeborenen vollkommen übereinſtimmten,<lb/> liegen die Quellen wohl noch weiter nach Weſten, da die<lb/> Kanoen nur ſo weit hinaufkommen, als das Flußbett es ge-<lb/> ſtattet. Nach der Analogie der europäiſchen Flüſſe läßt ſich<lb/> das Verhältnis zwiſchen der Breite und Länge des oberen<lb/> Flußſtückes <note place="foot" n="1">Bei Seine und Marne z. B. ſind es von Paris bis zu den<lb/> Quellen in gerader Richtung mehr als 2°.</note> nicht beſtimmt beurteilen. In Amerika nimmt<lb/> häufig die Waſſermaſſe in den Flüſſen auf kurzen Strecken<lb/> ſehr auffallend zu.</p><lb/> <p>Der Guainia iſt in ſeinem oberen Laufe vorzüglich dadurch<lb/> ausgezeichnet, daß er keine Krümmungen hat; er erſcheint wie<lb/> ein breiter Kanal, der durch einen dichten Wald gezogen iſt.<lb/> So oft der Fluß die Richtung verändert, liegt eine gleich<lb/> lange Waſſerſtrecke vor dem Auge. Die Ufer ſind hoch, aber<lb/> eben und ſelten felſig. Der Granit, den ungeheure Quarz-<lb/> gänge durchſetzen, kommt meiſt nur mitten im Bett zu Tage.<lb/> Fährt man den Guainia nach Nordweſt hinauf, ſo wird die<lb/> Strömung mit jeder Tagereiſe reißender. Die Flußufer ſind<lb/> unbewohnt; erſt in der Nähe der Quellen (<hi rendition="#aq">las cavezeras</hi>), im<lb/> bergigen Lande, hauſen die Maniva- oder Poignave-India-<lb/> ner. Die Quellen des Inirida (Iniricha) liegen, nach der<lb/> Ausſage der Indianer, nur 9 bis 13 <hi rendition="#aq">km</hi> von denen des<lb/> Guainia und es ließe ſich dort ein Trageplatz anlegen. Pater<lb/> Caulin hörte in Cabruta aus dem Munde eines indianiſchen<lb/> Häuptlings Namens Tapo, der Inirida ſei ſehr nahe beim<lb/> Patavida (Paddavida auf der Karte von La Cruz), der ein<lb/> Nebenfluß des Rio Negro iſt. Die Eingeborenen am oberen<lb/> Guainia kennen dieſen Namen nicht, ſo wenig als den eines<lb/> Sees (<hi rendition="#aq">laguna del Rio Negro</hi>), der auf alten portugieſiſchen<lb/> Karten vorkommt. Dieſer angebliche Rio Patavita iſt wahr-<lb/> ſcheinlich nichts als der Guainia der Indianer in Maroa;<lb/> denn ſolange die Geographen an die Gabelteilung des Caqueta<lb/> glaubten, ließen ſie den Rio Negro aus dieſem Arme und<lb/> einem Fluſſe entſtehen, den ſie Patavita nannten. Nach dem<lb/> Berichte der Eingeborenen ſind die Berge bei den Quellen des<lb/> Inirida und Guainia nicht höher als der Baraguan, der nach<lb/> meiner Meſſung 240 <hi rendition="#aq">m</hi> hoch iſt.</p><lb/> <p>Portugieſiſche handſchriftliche Karten, die in neueſter Zeit<lb/> im hydrographiſchen Depot zu Rio Janeiro entworfen worden<lb/> ſind, beſtätigen, was ich an Ort und Stelle in Erfahrung<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [264/0272]
die Ausſagen der Eingeborenen vollkommen übereinſtimmten,
liegen die Quellen wohl noch weiter nach Weſten, da die
Kanoen nur ſo weit hinaufkommen, als das Flußbett es ge-
ſtattet. Nach der Analogie der europäiſchen Flüſſe läßt ſich
das Verhältnis zwiſchen der Breite und Länge des oberen
Flußſtückes 1 nicht beſtimmt beurteilen. In Amerika nimmt
häufig die Waſſermaſſe in den Flüſſen auf kurzen Strecken
ſehr auffallend zu.
Der Guainia iſt in ſeinem oberen Laufe vorzüglich dadurch
ausgezeichnet, daß er keine Krümmungen hat; er erſcheint wie
ein breiter Kanal, der durch einen dichten Wald gezogen iſt.
So oft der Fluß die Richtung verändert, liegt eine gleich
lange Waſſerſtrecke vor dem Auge. Die Ufer ſind hoch, aber
eben und ſelten felſig. Der Granit, den ungeheure Quarz-
gänge durchſetzen, kommt meiſt nur mitten im Bett zu Tage.
Fährt man den Guainia nach Nordweſt hinauf, ſo wird die
Strömung mit jeder Tagereiſe reißender. Die Flußufer ſind
unbewohnt; erſt in der Nähe der Quellen (las cavezeras), im
bergigen Lande, hauſen die Maniva- oder Poignave-India-
ner. Die Quellen des Inirida (Iniricha) liegen, nach der
Ausſage der Indianer, nur 9 bis 13 km von denen des
Guainia und es ließe ſich dort ein Trageplatz anlegen. Pater
Caulin hörte in Cabruta aus dem Munde eines indianiſchen
Häuptlings Namens Tapo, der Inirida ſei ſehr nahe beim
Patavida (Paddavida auf der Karte von La Cruz), der ein
Nebenfluß des Rio Negro iſt. Die Eingeborenen am oberen
Guainia kennen dieſen Namen nicht, ſo wenig als den eines
Sees (laguna del Rio Negro), der auf alten portugieſiſchen
Karten vorkommt. Dieſer angebliche Rio Patavita iſt wahr-
ſcheinlich nichts als der Guainia der Indianer in Maroa;
denn ſolange die Geographen an die Gabelteilung des Caqueta
glaubten, ließen ſie den Rio Negro aus dieſem Arme und
einem Fluſſe entſtehen, den ſie Patavita nannten. Nach dem
Berichte der Eingeborenen ſind die Berge bei den Quellen des
Inirida und Guainia nicht höher als der Baraguan, der nach
meiner Meſſung 240 m hoch iſt.
Portugieſiſche handſchriftliche Karten, die in neueſter Zeit
im hydrographiſchen Depot zu Rio Janeiro entworfen worden
ſind, beſtätigen, was ich an Ort und Stelle in Erfahrung
1 Bei Seine und Marne z. B. ſind es von Paris bis zu den
Quellen in gerader Richtung mehr als 2°.
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