Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Am oberen Guainia ist das Klima nicht so heiß, vielleicht 1 Geminus, Isagoge in Aratum cap. 13. Strabo lib. II.
Am oberen Guainia iſt das Klima nicht ſo heiß, vielleicht 1 Geminus, Isagoge in Aratum cap. 13. Strabo lib. II.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0277" n="269"/> <p>Am oberen Guainia iſt das Klima nicht ſo heiß, vielleicht<lb/> auch etwas weniger feucht als am Tuamini. Ich fand das<lb/> Waſſer des Rio Negro im Mai 23,9° warm, während der<lb/> Thermometer in der Luft bei Tage auf 22,7° bei Nacht 21,8°<lb/> ſtand. Dieſe Kühle des Waſſers, die faſt ebenſo beim Kongo-<lb/> fluſſe beobachtet wird, iſt ſo nahe beim Aequator (1° 53′ bis<lb/> 2° 15′ nördliche Breite) ſehr auffallend. Der Orinoko iſt zwi-<lb/> ſchen dem 4. und 8. Grad der Breite meiſt 27,5° bis 29,5°<lb/> warm. Die Quellen, die bei Maypures aus dem Granit<lb/> kommen, haben 27,8°. Dieſe Abnahme der Wärme dem Aequa-<lb/> tor zu ſtimmt merkwürdig mit den Hypotheſen einiger Phyſiker<lb/> des Altertums; <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Geminus</hi>, Isagoge in Aratum cap. 13. <hi rendition="#g">Strabo</hi> lib. II.</hi></note> es iſt indeſſen nur eine örtliche Erſcheinung<lb/> und nicht ſowohl eine Folge der Meereshöhe des Landſtriches,<lb/> als vielmehr des beſtändig bedeckten, regneriſchen Himmels,<lb/> der Feuchtigkeit des Bodens, der dichten Wälder, der ſtarken<lb/> Ausdünſtung der Gewächſe und des Umſtandes, daß kein ſan-<lb/> diges Ufer den Wärmeſtoff anzieht und durch Strahlung wie-<lb/> der von ſich gibt. Der Einfluß eines bezogenen Himmels<lb/> zeigt ſich recht deutlich am Küſtenſtriche in Peru, wo niemals<lb/> Regen fällt und die Sonne einen großen Teil des Jahres,<lb/> zur Zeit der <hi rendition="#g">Garua</hi> (Nebel), dem bloßen Auge wie die<lb/> Mondſcheibe erſcheint. Dort zwiſchen dem 10. und 12. Grad<lb/> ſüdlicher Breite iſt die mittlere Temperatur kaum höher als<lb/> in Algier und Kairo. Am Rio Negro regnet es faſt das<lb/> ganze Jahr, Dezember und Januar ausgenommen, und ſelbſt<lb/> in der trockenen Jahreszeit ſieht man das Blau des Himmels<lb/> ſelten zwei, drei Tage hintereinander. Bei heiterer Luft<lb/> erſcheint die Hitze deſto größer, da ſonſt das Jahr über die<lb/> Einwohner ſich bei Nacht über Froſt beklagen, obgleich die<lb/> Temperatur immer noch 21° beträgt. Ich ſtellte in San<lb/> Carlos, wie früher in Javita, Beobachtungen über die Regen-<lb/> menge an, die in einer gegebenen Zeit fällt. Dieſe Unter-<lb/> ſuchungen ſind von Belang, wenn es ſich davon handelt, die<lb/> ungeheure Anſchwellung der Flüſſe in der Nähe des Aequa-<lb/> tors zu erklären, von denen man lange glaubte, ſie werden<lb/> von den Kordilleren mit Schneewaſſer geſpeiſt. Ich ſah zu<lb/> verſchiedenen Zeiten in 2 Stunden 16 <hi rendition="#aq">mm</hi>, in 3 Stunden<lb/> 40 <hi rendition="#aq">mm</hi>, in 9 Stunden 106,8 <hi rendition="#aq">mm</hi> Regen fallen. Da es un-<lb/> aufhörlich fort regnet (der Regen iſt fein, aber ſehr dicht),<lb/> ſo können, glaube ich, in dieſen Wäldern jährlich nicht wohl<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [269/0277]
Am oberen Guainia iſt das Klima nicht ſo heiß, vielleicht
auch etwas weniger feucht als am Tuamini. Ich fand das
Waſſer des Rio Negro im Mai 23,9° warm, während der
Thermometer in der Luft bei Tage auf 22,7° bei Nacht 21,8°
ſtand. Dieſe Kühle des Waſſers, die faſt ebenſo beim Kongo-
fluſſe beobachtet wird, iſt ſo nahe beim Aequator (1° 53′ bis
2° 15′ nördliche Breite) ſehr auffallend. Der Orinoko iſt zwi-
ſchen dem 4. und 8. Grad der Breite meiſt 27,5° bis 29,5°
warm. Die Quellen, die bei Maypures aus dem Granit
kommen, haben 27,8°. Dieſe Abnahme der Wärme dem Aequa-
tor zu ſtimmt merkwürdig mit den Hypotheſen einiger Phyſiker
des Altertums; 1 es iſt indeſſen nur eine örtliche Erſcheinung
und nicht ſowohl eine Folge der Meereshöhe des Landſtriches,
als vielmehr des beſtändig bedeckten, regneriſchen Himmels,
der Feuchtigkeit des Bodens, der dichten Wälder, der ſtarken
Ausdünſtung der Gewächſe und des Umſtandes, daß kein ſan-
diges Ufer den Wärmeſtoff anzieht und durch Strahlung wie-
der von ſich gibt. Der Einfluß eines bezogenen Himmels
zeigt ſich recht deutlich am Küſtenſtriche in Peru, wo niemals
Regen fällt und die Sonne einen großen Teil des Jahres,
zur Zeit der Garua (Nebel), dem bloßen Auge wie die
Mondſcheibe erſcheint. Dort zwiſchen dem 10. und 12. Grad
ſüdlicher Breite iſt die mittlere Temperatur kaum höher als
in Algier und Kairo. Am Rio Negro regnet es faſt das
ganze Jahr, Dezember und Januar ausgenommen, und ſelbſt
in der trockenen Jahreszeit ſieht man das Blau des Himmels
ſelten zwei, drei Tage hintereinander. Bei heiterer Luft
erſcheint die Hitze deſto größer, da ſonſt das Jahr über die
Einwohner ſich bei Nacht über Froſt beklagen, obgleich die
Temperatur immer noch 21° beträgt. Ich ſtellte in San
Carlos, wie früher in Javita, Beobachtungen über die Regen-
menge an, die in einer gegebenen Zeit fällt. Dieſe Unter-
ſuchungen ſind von Belang, wenn es ſich davon handelt, die
ungeheure Anſchwellung der Flüſſe in der Nähe des Aequa-
tors zu erklären, von denen man lange glaubte, ſie werden
von den Kordilleren mit Schneewaſſer geſpeiſt. Ich ſah zu
verſchiedenen Zeiten in 2 Stunden 16 mm, in 3 Stunden
40 mm, in 9 Stunden 106,8 mm Regen fallen. Da es un-
aufhörlich fort regnet (der Regen iſt fein, aber ſehr dicht),
ſo können, glaube ich, in dieſen Wäldern jährlich nicht wohl
1 Geminus, Isagoge in Aratum cap. 13. Strabo lib. II.
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