Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

sie zwingen wollte, den vielberufenen "Teufelstanz" zu tanzen.
Der Missionär hatte den Einfall gehabt, die Ceremonien,
womit die Piaches, die Priester, Aerzte und Zauberer zu-
gleich sind, den bösen Geist Jolokiamo beschwören, in bur-
leskem Stil darstellen zu lassen. Er hielt den "Teufelstanz"
für ein treffliches Mittel, seinen Neubekehrten darzuthun, daß
Jolokiamo keine Gewalt mehr über sie habe. Einige junge
Indianer ließen sich durch die Versprechungen des Missionärs
bewegen, die Teufel vorzustellen, und sie hatten sich bereits
mit schwarzen und gelben Federn geputzt und die Jaguarfelle
mit lang nachschleppenden Schwänzen umgenommen. Die
Soldaten, die in den Missionen liegen, um die Ermahnungen
der Ordensleute eindringlicher zu machen, stellte man um den
Platz vor der Kirche auf und führte die Indianer zur Fest-
lichkeit herbei, die aber hinsichtlich der Folgen des Tanzes
und der Ohnmacht des bösen Geistes nicht so ganz beruhigt
waren. Die Partei der Alten und Furchtsamen gewann die
Oberhand; eine abergläubische Angst kam über sie, alle wollten
al monte laufen, und der Missionär legte seinen Plan, den
Teufel der Eingeborenen lächerlich zu machen, zurück. Was
für wunderliche Einfälle doch einem müßigen Mönche kommen,
der sein Leben in den Wäldern zubringt, fern von allem, was
ihn an menschliche Kultur mahnen könnte! Daß man in Tomo
den geheimnisvollen Teufelstanz mit aller Gewalt öffentlich
wollte aufführen lassen, ist um so auffallender, da in allen
von Missionären geschriebenen Büchern davon die Rede ist,
wie sie sich bemüht, daß keine Tänze aufgeführt werden, keine
"Totentänze", keine "Tänze der heiligen Trompete", auch nicht
der alte "Schlangentanz", der Queti, bei dem vorgestellt
wird, wie diese listigen Tiere aus dem Wald kommen und
mit den Menschen trinken, um sie zu hintergehen und ihnen
die Weiber zu entführen.

Nach zweistündiger Fahrt kamen wir von der Mündung
des Tomo zu der kleinen Mission San Miguel da Davipe,
die im Jahr 1775 nicht von Mönchen, sondern von einem
Milizlieutenant, Don Francisco Bobadilla, gegründet worden.
Der Missionär Pater Morillo, bei dem wir ein paar Stun-
den verweilten, nahm uns sehr gastfreundlich auf und setzte
uns sogar Maderawein vor. Als Tafelluxus wäre uns Weizen-
brot lieber gewesen. Auf die Länge fällt es einem weit schwerer,
das Brot zu entbehren als geistige Getränke. Durch die Portu-
giesen am Amazonenstrom kommt hie und da etwas Madera-

A. v. Humboldt, Reise. III. 18

ſie zwingen wollte, den vielberufenen „Teufelstanz“ zu tanzen.
Der Miſſionär hatte den Einfall gehabt, die Ceremonien,
womit die Piaches, die Prieſter, Aerzte und Zauberer zu-
gleich ſind, den böſen Geiſt Jolokiamo beſchwören, in bur-
leskem Stil darſtellen zu laſſen. Er hielt den „Teufelstanz“
für ein treffliches Mittel, ſeinen Neubekehrten darzuthun, daß
Jolokiamo keine Gewalt mehr über ſie habe. Einige junge
Indianer ließen ſich durch die Verſprechungen des Miſſionärs
bewegen, die Teufel vorzuſtellen, und ſie hatten ſich bereits
mit ſchwarzen und gelben Federn geputzt und die Jaguarfelle
mit lang nachſchleppenden Schwänzen umgenommen. Die
Soldaten, die in den Miſſionen liegen, um die Ermahnungen
der Ordensleute eindringlicher zu machen, ſtellte man um den
Platz vor der Kirche auf und führte die Indianer zur Feſt-
lichkeit herbei, die aber hinſichtlich der Folgen des Tanzes
und der Ohnmacht des böſen Geiſtes nicht ſo ganz beruhigt
waren. Die Partei der Alten und Furchtſamen gewann die
Oberhand; eine abergläubiſche Angſt kam über ſie, alle wollten
al monte laufen, und der Miſſionär legte ſeinen Plan, den
Teufel der Eingeborenen lächerlich zu machen, zurück. Was
für wunderliche Einfälle doch einem müßigen Mönche kommen,
der ſein Leben in den Wäldern zubringt, fern von allem, was
ihn an menſchliche Kultur mahnen könnte! Daß man in Tomo
den geheimnisvollen Teufelstanz mit aller Gewalt öffentlich
wollte aufführen laſſen, iſt um ſo auffallender, da in allen
von Miſſionären geſchriebenen Büchern davon die Rede iſt,
wie ſie ſich bemüht, daß keine Tänze aufgeführt werden, keine
„Totentänze“, keine „Tänze der heiligen Trompete“, auch nicht
der alte „Schlangentanz“, der Queti, bei dem vorgeſtellt
wird, wie dieſe liſtigen Tiere aus dem Wald kommen und
mit den Menſchen trinken, um ſie zu hintergehen und ihnen
die Weiber zu entführen.

Nach zweiſtündiger Fahrt kamen wir von der Mündung
des Tomo zu der kleinen Miſſion San Miguel da Davipe,
die im Jahr 1775 nicht von Mönchen, ſondern von einem
Milizlieutenant, Don Francisco Bobadilla, gegründet worden.
Der Miſſionär Pater Morillo, bei dem wir ein paar Stun-
den verweilten, nahm uns ſehr gaſtfreundlich auf und ſetzte
uns ſogar Maderawein vor. Als Tafelluxus wäre uns Weizen-
brot lieber geweſen. Auf die Länge fällt es einem weit ſchwerer,
das Brot zu entbehren als geiſtige Getränke. Durch die Portu-
gieſen am Amazonenſtrom kommt hie und da etwas Madera-

A. v. Humboldt, Reiſe. III. 18
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0281" n="273"/>
&#x017F;ie zwingen wollte, den vielberufenen &#x201E;Teufelstanz&#x201C; zu tanzen.<lb/>
Der Mi&#x017F;&#x017F;ionär hatte den Einfall gehabt, die Ceremonien,<lb/>
womit die <hi rendition="#g">Piaches</hi>, die Prie&#x017F;ter, Aerzte und Zauberer zu-<lb/>
gleich &#x017F;ind, den bö&#x017F;en Gei&#x017F;t <hi rendition="#g">Jolokiamo</hi> be&#x017F;chwören, in bur-<lb/>
leskem Stil dar&#x017F;tellen zu la&#x017F;&#x017F;en. Er hielt den &#x201E;Teufelstanz&#x201C;<lb/>
für ein treffliches Mittel, &#x017F;einen Neubekehrten darzuthun, daß<lb/>
Jolokiamo keine Gewalt mehr über &#x017F;ie habe. Einige junge<lb/>
Indianer ließen &#x017F;ich durch die Ver&#x017F;prechungen des Mi&#x017F;&#x017F;ionärs<lb/>
bewegen, die Teufel vorzu&#x017F;tellen, und &#x017F;ie hatten &#x017F;ich bereits<lb/>
mit &#x017F;chwarzen und gelben Federn geputzt und die Jaguarfelle<lb/>
mit lang nach&#x017F;chleppenden Schwänzen umgenommen. Die<lb/>
Soldaten, die in den Mi&#x017F;&#x017F;ionen liegen, um die Ermahnungen<lb/>
der Ordensleute eindringlicher zu machen, &#x017F;tellte man um den<lb/>
Platz vor der Kirche auf und führte die Indianer zur Fe&#x017F;t-<lb/>
lichkeit herbei, die aber hin&#x017F;ichtlich der Folgen des Tanzes<lb/>
und der Ohnmacht des bö&#x017F;en Gei&#x017F;tes nicht &#x017F;o ganz beruhigt<lb/>
waren. Die Partei der Alten und Furcht&#x017F;amen gewann die<lb/>
Oberhand; eine abergläubi&#x017F;che Ang&#x017F;t kam über &#x017F;ie, alle wollten<lb/><hi rendition="#aq">al monte</hi> laufen, und der Mi&#x017F;&#x017F;ionär legte &#x017F;einen Plan, den<lb/>
Teufel der Eingeborenen lächerlich zu machen, zurück. Was<lb/>
für wunderliche Einfälle doch einem müßigen Mönche kommen,<lb/>
der &#x017F;ein Leben in den Wäldern zubringt, fern von allem, was<lb/>
ihn an men&#x017F;chliche Kultur mahnen könnte! Daß man in Tomo<lb/>
den geheimnisvollen Teufelstanz mit aller Gewalt öffentlich<lb/>
wollte aufführen la&#x017F;&#x017F;en, i&#x017F;t um &#x017F;o auffallender, da in allen<lb/>
von Mi&#x017F;&#x017F;ionären ge&#x017F;chriebenen Büchern davon die Rede i&#x017F;t,<lb/>
wie &#x017F;ie &#x017F;ich bemüht, daß keine Tänze aufgeführt werden, keine<lb/>
&#x201E;Totentänze&#x201C;, keine &#x201E;Tänze der heiligen Trompete&#x201C;, auch nicht<lb/>
der alte &#x201E;Schlangentanz&#x201C;, der <hi rendition="#g">Queti</hi>, bei dem vorge&#x017F;tellt<lb/>
wird, wie die&#x017F;e li&#x017F;tigen Tiere aus dem Wald kommen und<lb/>
mit den Men&#x017F;chen trinken, um &#x017F;ie zu hintergehen und ihnen<lb/>
die Weiber zu entführen.</p><lb/>
          <p>Nach zwei&#x017F;tündiger Fahrt kamen wir von der Mündung<lb/>
des Tomo zu der kleinen Mi&#x017F;&#x017F;ion San Miguel da Davipe,<lb/>
die im Jahr 1775 nicht von Mönchen, &#x017F;ondern von einem<lb/>
Milizlieutenant, Don Francisco Bobadilla, gegründet worden.<lb/>
Der Mi&#x017F;&#x017F;ionär Pater Morillo, bei dem wir ein paar Stun-<lb/>
den verweilten, nahm uns &#x017F;ehr ga&#x017F;tfreundlich auf und &#x017F;etzte<lb/>
uns &#x017F;ogar Maderawein vor. Als Tafelluxus wäre uns Weizen-<lb/>
brot lieber gewe&#x017F;en. Auf die Länge fällt es einem weit &#x017F;chwerer,<lb/>
das Brot zu entbehren als gei&#x017F;tige Getränke. Durch die Portu-<lb/>
gie&#x017F;en am Amazonen&#x017F;trom kommt hie und da etwas Madera-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A. v. <hi rendition="#g">Humboldt</hi>, Rei&#x017F;e. <hi rendition="#aq">III.</hi> 18</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0281] ſie zwingen wollte, den vielberufenen „Teufelstanz“ zu tanzen. Der Miſſionär hatte den Einfall gehabt, die Ceremonien, womit die Piaches, die Prieſter, Aerzte und Zauberer zu- gleich ſind, den böſen Geiſt Jolokiamo beſchwören, in bur- leskem Stil darſtellen zu laſſen. Er hielt den „Teufelstanz“ für ein treffliches Mittel, ſeinen Neubekehrten darzuthun, daß Jolokiamo keine Gewalt mehr über ſie habe. Einige junge Indianer ließen ſich durch die Verſprechungen des Miſſionärs bewegen, die Teufel vorzuſtellen, und ſie hatten ſich bereits mit ſchwarzen und gelben Federn geputzt und die Jaguarfelle mit lang nachſchleppenden Schwänzen umgenommen. Die Soldaten, die in den Miſſionen liegen, um die Ermahnungen der Ordensleute eindringlicher zu machen, ſtellte man um den Platz vor der Kirche auf und führte die Indianer zur Feſt- lichkeit herbei, die aber hinſichtlich der Folgen des Tanzes und der Ohnmacht des böſen Geiſtes nicht ſo ganz beruhigt waren. Die Partei der Alten und Furchtſamen gewann die Oberhand; eine abergläubiſche Angſt kam über ſie, alle wollten al monte laufen, und der Miſſionär legte ſeinen Plan, den Teufel der Eingeborenen lächerlich zu machen, zurück. Was für wunderliche Einfälle doch einem müßigen Mönche kommen, der ſein Leben in den Wäldern zubringt, fern von allem, was ihn an menſchliche Kultur mahnen könnte! Daß man in Tomo den geheimnisvollen Teufelstanz mit aller Gewalt öffentlich wollte aufführen laſſen, iſt um ſo auffallender, da in allen von Miſſionären geſchriebenen Büchern davon die Rede iſt, wie ſie ſich bemüht, daß keine Tänze aufgeführt werden, keine „Totentänze“, keine „Tänze der heiligen Trompete“, auch nicht der alte „Schlangentanz“, der Queti, bei dem vorgeſtellt wird, wie dieſe liſtigen Tiere aus dem Wald kommen und mit den Menſchen trinken, um ſie zu hintergehen und ihnen die Weiber zu entführen. Nach zweiſtündiger Fahrt kamen wir von der Mündung des Tomo zu der kleinen Miſſion San Miguel da Davipe, die im Jahr 1775 nicht von Mönchen, ſondern von einem Milizlieutenant, Don Francisco Bobadilla, gegründet worden. Der Miſſionär Pater Morillo, bei dem wir ein paar Stun- den verweilten, nahm uns ſehr gaſtfreundlich auf und ſetzte uns ſogar Maderawein vor. Als Tafelluxus wäre uns Weizen- brot lieber geweſen. Auf die Länge fällt es einem weit ſchwerer, das Brot zu entbehren als geiſtige Getränke. Durch die Portu- gieſen am Amazonenſtrom kommt hie und da etwas Madera- A. v. Humboldt, Reiſe. III. 18

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/281
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/281>, abgerufen am 21.11.2024.